Die Definitionsfrage: Was ist Produktivität?
Dass Produktivität, insbesondere bei Büroarbeiten, schwierig zu erfassen ist, weiß Marie Meyer-Marktl aus erster Hand. Sie war Finanzleiterin eines Großkonzerns in Hamburg und versuchte, die Produktivität ihrer Teams zu messen. Also notierte sie die Anwesenheitsstunden. Wie viele Arbeitsaufgaben am Tag gelöst wurden, und in welchem Tempo, ließ sich aber nicht genau erheben. Dabei wäre das das wichtigste Kriterium.
Produktivität lässt sich nicht einfach definieren. Und wenn dann nur „schwammig“, so die Expertin. Denn auch ein gutes Gespräch mit einer Kollegin könne man fallweise als produktiv verstehen: „Wenn es zum Beispiel der Vertrauensbildung dient, was bei künftigen Aufgaben einen Vorteil bringen könnte.“ Ob Zuckerberg das genauso sieht, weiß nur er.
Wahrscheinlicher ist es, dass er folgendem Konzept von Produktivität zustimmen würde: Landläufig handelt es sich um einen produktiven Tag, wenn man sich den vorgenommenen Angelegenheiten auch wirklich widmet und sie zeitgerecht löst. Auf den Arbeitstag übertragen bedeutet das: „In der Zeit, die man am Arbeitsplatz verbringt, sollte man tatsächlich etwas weiterbringen“, sagt Meyer-Marktl. Und meint damit definitiv nicht Kaffeetrinken und im Internet surfen.
Warum wir nicht mehr so produktiv sein können
Denn genau Zweiteres wäre ein klassischer Produktivitätskiller, sagt sie. Die Verführung der digitalen Ablenkung ist (zu) groß. Allein die Anwesenheit eines Handys könne sich schlecht auf die Produktivität auswirken, so das Ergebnis einer Studie der Universität Paderborn.
Läutende Smartgeräte oder ständig eintrudelnde E-Mails würden den Fokus erschweren und somit den sogenannten Flow-Zustand verhindern. Ein Zustand, in dem man sich voll und ganz auf eine Aufgabe konzentriert, erklärt die Karrierecoachin. „Wo die Zeit wie im Flug vergeht und man nicht mehr auf die Uhr schaut.“
In einen guten Flow komme man aber erst nach rund zehn Minuten ablenkungsfreier Arbeit. „Das schaffen wir in der heutigen Zeit fast gar nicht mehr“, gibt Meyer-Marktl zu bedenken. Ein Argument dafür, dass wir allgemein weniger produktiv geworden sind?
Wie produktiv sind wir wirklich?
Darüber lässt sich streiten. Auch Forschungserkenntnisse gehen auseinander. Belegt ist, dass die Arbeitsproduktivität im wirtschaftlichen Sinn stagniert. Zumindest wenn man sich am BIP orientiert. Pro Erwerbstätigen soll Österreichs Wirtschaft seit 2010 nicht produktiver geworden sein. AMS-Chef Johannes Kopf äußert sich auf der Plattform LinkedIn dazu wie folgt:
„Mehr Beschäftigte leisten in weniger Stunden weniger“, schrieb er vor zwei Wochen und merkt an, dass die Zahl der Beschäftigten parallel gestiegen sei.
Kopf erklärt diesen Rückgang der Personenproduktivität mit der allgemeinen Arbeitszeitverkürzung. Und die ist in Österreich drastisch. Ein Beispiel: Männer arbeiteten 2023 rund zwei Stunden weniger pro Woche als es noch 2015 der Fall war. Warum sie kürzertreten? Sie gehen häufiger in Karenz oder entscheiden sich (mittlerweile auch) für die Teilzeitarbeit. Aber heißt das auch, dass sie individuell weniger leisten?
Weniger ist mehr: Warum man nicht Vollgas fahren sollte
Diesen strikt wirtschaftlichen Blick auf Effizienz und Produktivitätssteigerung teilt Marie Meyer-Marktl nicht. „Wir als Gesellschaft sind nicht weniger produktiv“, so ihre Meinung. Allein schon aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten.
„Früher hatte man keine Waschmaschine und keinen Computer. Alles wurde mühsam händisch erledigt, was zeitintensiver war.“ Heutzutage sei vieles automatisiert, schneller. Diese Geschwindigkeit könne jedoch auch belastend sein.
Deswegen verstehe sie den Wunsch nach Homeoffice und kürzeren Arbeitszeiten. „Die Herausforderung unserer Gesellschaft ist, dass wir unendliche Möglichkeiten haben. Wir wollen alles machen und haben – und das am besten ganz schnell.“ Produktivität sei aber nur mit einer Balance zwischen Effizienz und Regeneration möglich: „Wenn man mit dem Auto Vollgas unterwegs ist, braucht man auch mehr Sprit.“
Dass manche es mit der Regeneration aber vielleicht zu ernst nehmen, zeigt eine neue Erhebung einer deutschen Krankenkasse. Diese besagt, dass knapp 40 Prozent der Befragten im Homeoffice auch gerne ein Nickerchen einlegen. Ob das immer in der Mittagspause stattfindet?
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