Zu viele Lehrlinge – und zu wenige
Es heißt, dass Österreich im europäischen Vergleich die Jugendbeschäftigung betreffend gut dasteht. Die niedrige Arbeitslosenrate ist vor allem auf das gut funktionierende duale Ausbildungssystem zurückzuführen. Und auf die Ausbildungsgarantie des Staates.
Was passiert, wenn die Lehre ihre gute Position verliert, will sich niemand vorstellen. Um den ersten Schwächeleien entgegenzuwirken, wird seit Jahren versucht, das Image zu heben, die Lehre zu entstauben, ihren Wert hochzuhalten, die Betriebe zu unterstützen. Doch das gelingt nur mit mäßigem Erfolg: Sowohl die Zahl der Ausbildungsbetriebe, als auch die der Lehrlinge sinkt (Zahlen und Gründe siehe S. 2/3).
Offene Lehrstellen
Nicht nur, dass beide Gruppen kleiner werden, sie finden einander auch oft nicht – auch wenn Anfang des Jahres in Summe 3328 Lehrstellen gefehlt haben. Ende Jänner waren laut der Arbeitsmarktdatenbank "Bali" 2683 Lehrstellen in Österreich offen. Die meisten davon – 1240 – im Fremdenverkehr. An zweiter Stelle mit 363 offenen Lehrstellen rangierte die Metall-Elektroberufsgruppe, 278 waren es im Handel. Demgegenüber standen 6011 Lehrstellensuchende: Rund 800 im Handel, 422 im Bereich Erziehung und Unterricht und 431 in der Beherbergung und Gastronomie.
Angebot und Nachfrage
Dass es ein Matchingproblem gibt, bestätigt Helmut Dornmayr vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw). Einerseits unterscheidet sich der Wunschberuf vom Bedarf der Unternehmen: Fast die Hälfte aller weiblichen Lehrlinge werden im Einzelhandel und in den Berufen Bürokauffrau und Friseurin ausgebildet. Nur wenige in technischen Berufen. Bei den jungen Männer treffen Bedarf und Wunsch noch eher zusammen: Die drei beliebtesten Lehrberufe bei Burschen sind die Metalltechnik, gefolgt von der Elektrotechnik und Kraftfahrzeugtechnik.
Auch regional kommt man nicht zusammen: In den Touristenorten wird händeringend nach Lehrlingen gesucht. Die aber sitzen mehrheitlich in Wien und wollen nicht Hunderte Kilometer weit weg. In Tirol und Salzburg hätten sie gute Chancen, denn dort übersteigt die Zahl der offenen Lehrstellen die der Lehrstellensuchenden.
Genau umgekehrt verhält es sich in der Bundeshauptstadt Wien: Hier ist der Lehrstellenmarkt mehr als gesättigt, hier kommen im Schnitt 6,5 Lehrstellensuchende auf eine offene Stelle. Das wird auch so bleiben: Wiener Jugendliche zieht es nur selten nach Tirol.
Die Zahl der Lehrbetriebe geht unter anderem aus dem Grund zurück, weil es für kleine Betriebe immer schwieriger wird, die richtigen Lehrlinge zu finden. Helmut Dornmayr vom ibw: "Der Wettbewerb unter den Betrieben wird seit Jahren größer. Die großen Firmen tun sich leichter, gut qualifizierte Lehrlinge zu finden und zu halten. Denn sie können Werbung machen, können Lehrlingen mehr Karrieremöglichkeiten bieten und ein höheres Gehalt – denken Sie nur an die Autozulieferindustrie, die Handelskonzerne, den öffentlichen Dienst."
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