Forschen in der Abstellkammer

Lokalaugenschein im Institut für Krebsforschung der MedUni Wien. DIe Mediziner klagen über schlechte Ausstattung, desolate Einrichtungen und zu wenig Geld vom Bund. Wien 9, Borschkegasse 8a, am 09.08.2013
Sie hat einen guten Ruf, erhält mehr Geld – dennoch sind die Zustände mitunter desolat

Die Krebsforscher an der MedUni Wien haben wenig Grund zur Freude: Desolate Räume, triste Arbeitsplätze, schlechte Ausrüstung. Das Geld ist knapp. Der künftigen Medizinischen Fakultät Linz wird es anders ergehen: Sie bekommt ordentlich Startgeld (siehe unten).

Nicht nur die Forscher, auch die Wirtschaft versteht diese Prioritätensetzung nicht. Der Mangel an qualifiziertem Personal in Technik und Forschung sei zur Wachstumsbremse geworden, sagt Peter Koren, Vizegeneralsekretär der Industriellenvereinigung. Daher brauche es „dringend eine Stärkung in den naturwissenschaftlichen-technischen Bereichen.“

Top-Standort

Sehr gelegen kommt Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle daher eine Studie, mit der er die Firma Ecoqest beauftragt hat. Das Ergebnis: Bei der Mehrheit der Österreicher hat die Wissenschaft einen guten Ruf. 78 Prozent der Befragten sehen in Österreich einen guten Standort für Wissenschaft und Forschung, 80 Prozent halten die Förderung von Wissenschaft und Forschung für eine sehr wichtige Aufgabe der österreichischen Politik. Mehr als zwei Drittel finden, dass Wohlstand und Wirtschaft ohne hohes Niveau in Wissenschaft und Forschung gefährdet sind. „Dem sind wir in den vergangenen Jahren gerecht geworden“, verwies Minister Karlheinz Töchterle in einer Aussendung auf die Hochschul-Milliarde, die Investitionen von 1,5 Milliarden Euro in Unibauten, den Fachhochschulausbau, die langfristige Finanzierung des IST Austria. Er räumte aber auch ein, den Standort weiterhin stärken zu müssen.

Tatsächlich hat die öffentliche Hand die Finanzierung von Forschung und Entwicklung ausgeweitet. Heuer werden die Ausgaben nominell um 36 Prozent höher sein als noch im Krisenjahr 2009. EU-weit führt Österreich sogar bei den öffentlichen Forschungsausgaben (gemessen am BIP). Bei den Gesamtausgaben für Forschung liegen wir EU-weit auf Platz fünf. Trotzdem reiht sich Österreich als „Innovation Follower“ bei den Innovationsleistungen auf Platz neun ein.

Bis 2020 hat die Regierung hier ein ambitioniertes Ziel: Dann soll Österreich unter die Top Fünf der „Innovation Leaders“ kommen. Laut Wissenschaftsministerium seien dazu allerdings „erhebliche Anstrengungen notwendig“.

Mehr Geld ist nicht genug

Anton Zeilinger, renommierter Quantenphysiker und Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, sieht das genauso: Er fordert eine Steigerung der Forschungsquote um acht Prozent pro Jahr bis 2020, die Ausgaben für Grundlagenforschung müssten um zehn Prozent jährlich erhöht werden. Denn für Grundlagenforschung hat die öffentliche Hand im Jahr 2009 nur 0,5 Prozent des BIP ausgegeben, „international sind andere Länder deutlich besser aufgestellt“, sagt Zeilinger. Aus dem Ministerium heißt es, man wolle die Grundlagenforschung „stark ausbauen“. Zu Recht, denn: „Die wichtigste Maßnahme zur Hebung der Industrie ist es, die Forschung zu fördern“, zitiert Zeilinger den Gründer von Siemens.

Eine WIFO-Studie gibt dem Siemens-Gründer Recht: Demnach entstehen in Österreich jährlich 19.000 neue Jobs durch Innovation. Mehr Geld wird es hier auch von den Unternehmen geben. Sie investieren heuer 3,4 Milliarden Euro – und sind mit einem Anteil von 43,9 Prozent an den Ausgaben der größte Forschungsfinanzier.

Übrigens finden 68 Prozent der Österreicher, es müsse künftig mehr Geld für Medizin und Biotechnologie geben. Den Forschern an der MedUni Wien bringt das vorerst wenig. Sie blicken neidvoll in Richtung Linz – und müssen weiterhin in der „Abstellkammer“ forschen.

Am Dienstag wurde die Finanzierung der neuen Medizinischen Fakultät Linz im Ministerrat beschlossen. Laut Finanzministerin Maria Fekter wird das Projekt bis 2017 aus Rücklagen des Finanzministeriums finanziert. „Erst danach werden wir das Budget für die Universitäten um den entsprechenden Betrag aufstocken“, erklärte Fekter den beschlossenen Finanzierungsplan.

Bis zum Jahr 2017 werden Bundesmittel in der Höhe von rund 34,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Für das Land Oberösterreich und seine Gemeinden werden bis zum Jahr 2042 Kosten in der Höhe von insgesamt 225 Millionen Euro anfallen, das ist eine durchschnittliche Belastung von acht Millionen Euro pro Jahr für Oberösterreich. 2014 bedeutet das einen Mehraufwand von 2,7 Millionen Euro, 2019 von 14 Millionen Euro und im Jahr 2042 noch eine Million Euro.

Dank der Kooperation mit der MedUni Graz kann der Betrieb an der Linzer Fakultät bereits im Herbst 2014 beginnen. Der Endausbau der medizinischen Fakultät Linz ist im Jahr 2028 geplant.

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