Wir sind Europameister – warum?
Ob es eine Medaille wird? Das kann ich nicht sagen." Oliver Anibas lächelt bescheiden. Der Anlagenelektriker aus Oberösterreich ist gerade dabei, die Steuerung einer Plastik-Recycling-Anlage zu erstellen. Bei der dreitägigen Berufs-Europameisterschaft EuroSkills im französischen Lille. Im Wettkampf mit Ländern wie Schweden, Finnland und Belgien.
Zwei Tage später steht er beschallt von Triumphmusik im Goldglitterregen am Siegerpodest. Er ist der beste von 450 europäischen Teilnehmern aus 25 Nationen (siehe rechts). Insgesamt 19 Medaillen holten die jungen Österreicher. Doch was macht sie zu den Besten ihrer Zunft?
Es ist die duale Ausbildung in Österreich, die international bewundert wird. Und es ist die Brillanz der Kandidaten. Dazu gehören Fingerfertigkeit und Genauigkeit. Aber vor allem auch die "mentale Kraft, eine Wettbewerbssituation durchzustehen", sagt Mentaltrainer Alois Scheiber, der die EuroSkills-Teilnehmer gecoacht hat. "Dass ich immer überlege, was ich noch besser machen kann", sagt Goldgewinnerin Birgit Haberschrick, unterscheide sie von anderen Floristinnen. "Schnelligkeit und Genauigkeit", sagt Oliver Anibas, haben ihn zum Sieg geführt. Und die Tatsache, dass sein Arbeitgeber, die voestalpine Stahl GmbH, ihn fünf Wochen vor dem Wettbewerb fürs Training freigestellt hat. "Ohne das hätte ich es wohl nicht geschafft", sagt der 20-Jährige.
Gut investiert
Derzeit bildet die voestalpine 921 Lehrlinge österreichweit aus. Der Konzern investiert 70.000 Euro in jeden ihrer Lehrlinge. Zum Vergleich: 84.000 Euro kostet ein Uni-Absolvent dem Staat. Die Investition zahlt sich aus: Ein Mal Gold bei den weltweiten WorldSkills, drei Mal Gold, ein Mal Silber und ein Mal Bronze bei den EuroSkills machten die jungen Voest-Fachkräfte bereits. "Das bestätigt uns, dass die Investition gut angelegt ist", sagt Personalchef Georg Reiser. Nicht nur da. 96 Prozent der Voest-Lehrlinge würden die Lehrabschlussprüfung bestehen, österreichweit sind es nur etwa 80 Prozent.
Wenn es so viel Geld braucht, um aus einem Lehrling einen Europameister zu machen, müssten die vielen Klein- und Mittelbetriebe Österreichs – sie machen 99 Prozent aller Unternehmen in Österreich aus – schlecht dastehen. Tun sie aber nicht. Laut Lorenz Lassnigg, Experte am Institut für Höhere Studien (IHS), zeigen sich Qualitätsunterschiede in der Lehre weniger zwischen großen und kleinen Unternehmen, es gebe eher "Unterschiede innerhalb von Branchen und Berufsbereichen".
Dass kleine Betriebe wegen mangelnder Ressourcen schlechter ausbilden, widerlegt auch Gerhard Liftinger. Der Vorarlberger führt einen Zehn-Mann-Fliesenlegerbetrieb. Schon zum zweiten Mal hat einer seiner Mitarbeiter bei den EuroSkills eine Medaille gemacht – Michael Geri gewann Gold. Laut Liftinger brauche ein Lehrling vor allem Wertschätzung und persönliche Betreuung, um eine gute Fachkraft zu werden. "Bei uns zählt ein Lehrling genauso viel wie ein Meister", sagt er. Die Suche nach Lehrlingen sei nicht einfach, "Fliesenleger ist nicht der Berufswunsch Nummer eins. Aber wenn man einen Lehrling findet, muss man etwas aus ihm machen. Das ist unsere Pflicht als Unternehmen."
Schlecht gebildet
Genau an dieser Einstellung hakt es vielfach. Denn 85 Prozent aller heimischen Betriebe klagen laut einer aktuellen Umfrage der Wirtschaftskammer über die mangelnden Qualifikationen der Lehrstellenbewerber.
IHS-Experte Lassnigg kann das zwar nachvollziehen. Eine Verschlechterung bei den Grundkompetenzen der Jugendlichen sieht er aber nicht: "Ihr Kompetenzniveau steigt. Der Unterschied zwischen guten und schlechten Lehrabsolventen wird nicht größer."
Die EuroSkills sollen die Lehre jedenfalls weiterhin in der österreichischen Gesellschaft hochhalten, sagt Renate Römer, WKO-Vizepräsidentin und "Skills-Mama": "Wir wollen zeigen, Facharbeiter zu sein ist kein Makel", sagt sie. Österreich sei in den "Old Economies" sehr gut aufgestellt. Allerdings: "Wir müssen den Technologisierungsweg noch besser begleiten, die Weiterentwicklung der Berufe ist wichtig."
Neun Mal Gold. Fünf Mal Silber. Fünf Mal Bronze. Vier Mal eine Sondermedaille für exzellente Leistung. Österreich konnte seinen Europameistertitel bei den Berufsmeisterschaften am vergangenen Wochenende im französischen Lille wacker verteidigen. Der zweite Platz in der Nationenwertung ging an Frankreich, der dritte an Finnland. Erstmals wurde ein Österreicher „Best of Europe“: Anlagenelektriker
Oliver Anibas erhielt die beste Wertung aller rund 450 Teilnehmer.
Rund 450 junge Fachkräfte aus 25 Nationen und 41 Berufen nahmen an den EuroSkills teil. Drei Tage lang hieß es unter Hochdruck zeigen, was man kann. 36 junge Österreicher aus sieben Bundesländern (außer Kärnten und dem Burgenland) waren angetreten, sie legten Leitungen, bauten Mauern, kochten auf, legten Böden, suchten die Ursache für technische Defekte bei Traktor und Motorrad oder fliesten den Eiffelturm. Meist hatten sie sich im Vorfeld bei der Staatsmeisterschaft für die Teilnahme qualifiziert.
Seit 2008 finden die EuroSkills – alternierend mit den weltweiten WorldSkills – zweijährlich statt. Bei den EuroSkills 2012 in Francorchamps-Spa hatte es für die Österreicher 14-mal Gold, sechs Mal Silber, zwei Mal Bronze gegeben. 2016 richtet das schwedische Göteborg den Europa-Wettbewerb aus. Die Teilnehmer dürfen maximal 25 Jahre alt sein. Für die WM in São Paulo im kommenden Jahr laufen derzeit die Staatsmeisterschaften in Österreich.
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