Wienerberger: Wie CEO Heimo Scheuch die Firma gerettet hat

Wienerberger: Wie CEO Heimo Scheuch die Firma gerettet hat
Wienerberger feiert 200-jähriges Bestehen – maßgeblich dazu beigetragen hat der Manager Heimo Scheuch. Ein Portrait.

Wenn man bei Wienerberger die Konzernzentrale in Wien besucht, sollte man schwindelfrei sein. Da geht es mit einem Panoramalift in einem der beiden Vienna Twin Tower rasant aufwärts. Dort oben in 130 Metern Höhe hat Wienerberger-Chef Heimo Scheuch sein eher schlichtes Büro. Ängstlichen Besuchern, die vorsichtshalber mit dem Rücken zur Glasfassade Platz nehmen, erklärt Scheuch dann lächelnd, dass er keine Höhenangst habe.

Ganz oben: Der weithin sichtbare Konzernsitz am Wienerberg

Wienerberger: Wie CEO Heimo Scheuch die Firma gerettet hat

Die Firma Wienerberger

Der Wienerberger-Chef gibt dieser Tage ungewöhnlich viele Interviews. Schließlich feiert das Unternehmen sein 200-jähriges Bestehen. In lockerem Plauderton erzählt Scheuch dann gerne von „Marktdurchdringung, Baustoff- und Infrastrukturlösungen“. Hinter diesen für einen Ziegelmanager nahezu philosophischen Betrachtungen verbirgt sich die Strategie eines Weltkonzerns.

Mit seinen derzeit 195 Werken in 30 Ländern (Europa, Nordamerika, Indien) ist Wienerberger der größte Ziegelproduzent weltweit. Bei Tondachziegeln ist man in Europa die Nummer eins. Und im Segment der Betonsteine ist Wienerberger Marktführer in Zentral- und Osteuropa. Über das Tochter-Unternehmen Pipelife stellt man Kunststoffrohre etwa für die Wasserversorgung her. Auch da spielt der Konzern in Europa ganz vorne mit. In Summe hat die Wienerberger-Gruppe derzeit rund 16.600 Beschäftigte, die zuletzt einen Umsatz von 3,3 Milliarden Euro erzielten. Das ist Rekord.

Erfolge und Krisen wechseln sich ab

Wienerberger ist nicht nur Erfolgsstory. Mehrfach stand das Unternehmen am Rande des Abgrunds. Das letzte Mal vor zehn Jahren. Wienerberger wurde 1819 gegründet. 1869 zählte man bereits 10.000 Beschäftigte. Im selben Jahr ging das Unternehmen an die Börse. Ab den 1890er-Jahren errichtete Wienerberger Ziegelwerke im heutigen Tschechien, Ungarn und Kroatien.

Wienerberger: Wie CEO Heimo Scheuch die Firma gerettet hat

Die Wienerberger-Geschichte reicht 200 Jahre zurück und war nicht immer eine glänzende

Die Expansion brachte Wienerberger nach dem Ersten Welt beinahe zu Fall. Denn die Werke in den ehemaligen Kronländern gingen verloren. Nach dem Zweiten Weltkrieg sorgte erst der Wiederaufbau für einen neuen Aufschwung.

Exakt hundert Jahre nach der ersten Expansionswelle erfolgt die zweite. In den 1990er-Jahren setzte unter dem Führungstrio Erhard Schaschl, Wolfgang Reithofer und Paul Tanos nach der Ostöffnung eine massive Internationalisierung ein. Kaum ein Jahr, in dem nicht in Europa oder in Übersee ein Mitbewerber gekauft wurde.

Verluste von über 200 Millionen

Größe macht angreifbar und so trifft der Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 Wienerberger mit voller Wucht. In der ersten Hälfte des Jahres 2009 – vor genau zehn Jahren – muss Wienerberger einen Verlust von über 200 Millionen Euro hinnehmen. Der Umsatz fällt im gleichen Zeitraum um fast 30 Prozent.

Mitten in dieser existenzbedrohenden Krise des Unternehmens übernimmt am 1. September 2009 Heimo Scheuch den Vorstandsvorsitz. Scheuch gehört seit 2001 dem Management an. Aber trotzdem: Er muss nun beweisen, dass er nicht nur ein Sonnenschein-Manager ist.

Die Laufbahn von Heimo Scheuch

Der 1966 geborene Heimo Scheuch stammt aus dem Mölltal in Kärnten. Vater Robert bringt es zum Landesbeamten. Mutter Annemarie betreibt einen Restaurant- und Gastronomiebetrieb. Von ihr erbt Heimo das Sprachtalent. Scheuch spricht neben Englisch und Italienisch auch fließend Französisch und Flämisch.

Nach der Matura schließt Scheuch an der École Supérieure de Commerce de Paris sein Wirtschaftsstudium ab. Scheuch ist übrigens auch Absolvent eines Jus-Studiums. Danach beginnt er seine berufliche Laufbahn bei der internationalen Großbank BNP Paribas. Dort hat er erstmals mit Wienerberger zu tun, weil die Bank den Ziegelhersteller berät.

Von der Kanzlei in den Konzern

Dann geht Scheuch zur Anwaltskanzlei Shook, Hardy & Bacon. Die international renommierte Kanzlei mit Hauptsitz in Kansas City soll dem gelernten Anwalt und Bestsellerautor John Grisham als Inspiration für seine Romane gedient haben. Der Fall, den Scheuch in Mailand abzuarbeiten hat, erinnert denn auch ein wenig an einen Grisham-Krimi. Denn die Kanzlei hat mit dem Nachlass von Raul Gardini zu tun. Der Konzernmagnat Gardini geriet Anfang der 1990er-Jahre unter Korruptionsverdacht und beging unter bis heute ungeklärten Umständen Selbstmord. Zwei Jahre lang ist Scheuch danach mit der Causa beschäftigt.

1996 nimmt Scheuch ein Angebot von Wienerberger an. Der Dienstvertrag wird auf einer Raststation am Wörthersee ausgehandelt. Zunächst wird Scheuch Chefassistent im Büro von Vorstand Reithofer. Aber die Chemie stimmt nicht. Also geht Scheuch zu Terca nach Eindhoven. Der führenden Vormauerziegelhersteller in den Beneluxstaaten war soeben von Wienerberger übernommen worden. 2001 dann erfolgt Scheuchs Sprung in den Vorstand des Wienerberger-Konzerns .

Schwierige Jahre

Und dann 2009. Wienerberger geht schön langsam das Geld aus. Die Banken borgen kaum noch Geld her, nicht einmal mehr untereinander. Wer aber als Unternehmen nicht „flüssig“ bleibt, hat ein ernsthaftes Problem. Scheuch bleibt nur ein Weg: Er verlangt von den Aktionären des Ziegelkonzerns Geld. Viel Geld. Wienerberger ist zu 100 Prozent börsennotiert. Vor allem Investoren aus dem angloamerikanischen Raum (zum Beispiel große Versicherungen und Pensionsfonds) haben bei Wienerberger ihr Geld angelegt.

Scheuch schenkt im Herbst 2009 den Aktionären reinen Wein ein. Die sind schockiert aber auch dankbar. Grundtenor: Die Nachrichten sind schlecht. Doch man weiß, wo man steht. Die Aktionäre schenken Scheuch deshalb ihr Vertrauen. Er bekommt über 320 Millionen frisches Kapital. In den darauffolgenden Monaten und Jahren schließt Wienerberger insgesamt 60 Niederlassungen und Fabriken. Jeder fünfte Mitarbeiter, insgesamt sind das damals mehr als 3.000, wird gekündigt. Ein Sparprogramm also, das sich gewaschen hat. Trotzdem verläuft der Jobabbau erstaunlich geräuschlos. Nirgendwo wird auch nur einen Tag lang gestreikt oder protestiert. Das liegt einerseits an den Sozialplänen, andererseits an der „offenen Kommunikation“.

Mit den Rohren von Pipelife erschloss Wienerberger ein neues Geschäftsfeld

Wienerberger: Wie CEO Heimo Scheuch die Firma gerettet hat

Apropos: Die häufigste Tätigkeit, die Scheuch während der Krisenjahre absolviert, ist Reden. Oder besser gesagt: Überzeugungsarbeit leisten. Denn nur Zusperren und Sparen allein rettet ein Unternehmen auf die Dauer nicht. So entwirft Scheuch damals mit etwa 100 Führungskräften über zwei Jahre lang eine neue Strategie. Das Baugeschehen als Ganzes zu betrachten spielt da ebenso eine Rolle, wie die Verwendung natürlicher Rohstoffe bis hin zum verantwortungsbewussten Umgang mit Abbaustätten. Wienerberger versteht sich seit damals als umfassender Baustoffdienstleister.

Nach zwei turbulenten Jahren schreibt man schon 2011 wieder schwarze Zahlen. 2012 übernimmt der Konzern den Rohrhersteller Pipelife komplett. Der Deal symbolisiert die neue Ära. Der Konzern stellt sich nun breit auf. Nicht nur Ziegel.

Am 1. September kann Heimo Scheuch also zehn Jahre Wienerberger-Chef feiern. Mitarbeiter beschreiben ihn als Manager mit Bodenhaftung. Denn Scheuch führt neben seinem Beruf auch ein privates Leben. Gerne unternimmt er lange Bergwanderungen. So bleibt er am Boden. Eben deshalb hat Scheuch keine Höhenangst.

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