Wie zwei österreichische Firmen unbeliebte Jobs attraktiv machen
Man kennt sie – die Branchen, die gut zahlen und die Unternehmen, deren klingende Namen gut für den Lebenslauf sind. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte der Personaldienstleister Randstad die attraktivsten Arbeitgeber Österreichs. Und zwar aus Sicht potenzieller Bewerberinnen und Bewerber.
Ganz oben auf der Liste: AVL List, Siemens und Porsche. Firmen mit viel Prestige und offenbar auch vielen Vorteilen, da Gehalt und Sozialleistungen für die Befragten zu den wichtigsten Kriterien zählten. Eine Grundvoraussetzung, um heute als attraktiver Arbeitgeber zu gelten, ist das aber nicht.
Das beweisen zwei heimische Unternehmen, deren Bedingungen schwierig sein mögen – das Problem der Personalnot aber nur aus den Erzählungen anderer kennen.
Gesundes Wachstum
Start-ups rangieren für qualifizierte Bewerber oft auf den unteren Rängen der Beliebtheit. Personal wird schnell aufgebaut, in schlechten Zeiten rigoros abgebaut (Stichwort Bitpanda und GoStudent) und nach erfolgreichem Unternehmensverkauf ohne Gewinnbeteiligung mit leeren Händen stehen gelassen (wobei sich das ab 2024 bessern soll).
Attraktiv klingt anders, weshalb der Linzer Software-Entwickler teamecho einen anderen Weg eingeschlagen hat. „Das Letzte, was wir wollen, ist, zu viele Mitarbeiter aufzubauen und dann kündigen zu müssen“, sagt Co-Gründer Markus Koblmüller. Wachstum passiere nur, wenn es die ökonomische Lage zulasse. Aktuell wird die Größe von 30 Mitarbeitern gehalten. Und das mit überaus attraktiven Angeboten.
David Schellander (links) und Markus Koblmüller achten in ihrem Start-up auf ausreichend Flexibilität
teamecho
30 Mitarbeiter sind bei teamecho beschäftigt. Die meisten in Linz, manche auch in Wien
35-Stunden-Woche
2021 führte das Unternehmen die 35-Stunden-Woche bei vollem Gehalt ein, die auf vier oder fünf Tage aufgeteilt werden kann. Kombiniert wird diese mit flexibler Arbeitszeit: „Das heißt bei uns: Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit“, erklärt Koblmüller. Mitarbeiter dürften völlig frei einteilen, wann sie arbeiten möchten, sofern keine Zusatzkosten anfallen (z. B. bei Nachtarbeit). Da 50 Prozent der Arbeitszeit im Homeoffice verrichtet wird, kommt das Team, auf Einladung der Firma, einmal monatlich zu einem Event zusammen.
Jedoch handelt es sich bei diesen Vorteilen um reine Hygienefaktoren, merkt Koblmüller an. „Das ist aus unserer Sicht nur die halbe Miete, weil es auch die richtigen Motivatoren braucht.“ Um diese zu erfassen, setzen sie ihr eigens programmiertes Stimmungsbarometer ein, das gleichzeitig das Geschäftsmodell des Start-ups ist.
- Die Firma: teamecho ist ein 2015 gegründeter Software-Entwickler mit Sitz in Linz. Es entwickelte ein digitales Stimmungsbarometer, das die Mitarbeiterzufriedenheit anonym erhebt
- Attraktiv weil: 35-Stunden-Woche, Flexibilität, Afterwork-Events, gesundes Unternehmens-Wachstum
„Wir versuchen, eine Vorreiterrolle einzunehmen, weil wir auch unsere Kunden unterstützen wollen, ein guter Arbeitgeber zu sein“, sagt Koblmüller. Das Barometer analysiert Mitarbeiterzufriedenheit, Betriebsklima und Unternehmenskultur. Im vergangenen Jahr beobachtete das Gründerteam im eigenen Unternehmen einen Trend nach oben. Ein Indiz, dass Mitarbeiter hier auch weiterhin arbeiten und bleiben wollen.
Einfach menschlich
Bei Matthias Wirl, Inhaber des Familienunternehmens Wäscherei Wirl bleiben die Mitarbeiter auch. Manche sogar länger als der 34-Jährige alt ist. Warum? An den vielen Vorteilen kann es nicht liegen, denn „die Arbeit, die wir machen, ist nicht leicht, nicht gut bezahlt und hat eigentlich nicht viel zu bieten“, gesteht sich Wirl ein.
Eine Arbeitszeitreduktion ist bei einer Wäscherei, die auch am Wochenende und feiertags wäscht, kaum drin. Die Frage nach Homeoffice- oder Remote-Arbeit stellt sich für diese Art der Tätigkeit ebenso wenig.
56 Mitarbeiter sind bei der Otto Wirl GmbH in 1220 Wien beschäftigt, viele davon aus Ungarn
Matthias Wirl führt seine Wäscherei in vierter Generation – die klassischen Benefits kann er nicht bieten, dafür ein familiäres Umfeld
Dennoch: An Personal mangelt es dem Inhaber in vierter Generation nicht. Braucht er neue Mitarbeiter, findet sich im Handumdrehen jemand. Meist angeworben durch die eigenen Angestellten. „Die Mitarbeiter sind bei mir wohl so zufrieden, dass sie die Arbeit auch ihrer eigenen Familie antun wollen“, scherzt Wirl.
Sein größter Fokus liegt auf dem Betriebsklima und dem guten Miteinander. Braucht ein Mitarbeiter spontan frei, muss früher gehen oder will Zeitausgleich konsumieren, versucht Wirl allen Wünschen nachzukommen. „Das ist alles ganz unterschwellig und unkompliziert bei uns.“
Denn er weiß: Mitarbeiter, die bei ihm angestellt sind, werden andernorts oft schlecht behandelt. Er aber bietet Unterstützung, wenn Amtsbriefe eintrudeln und nicht verstanden werden. Oder wenn sich die Wohnungssuche als schwierig gestaltet. Die Mitarbeiter wissen das zu schätzen: Als Wirl mit seiner Firma schwierige Zeiten durchlebte, sollen manche angeboten haben, gratis zu arbeiten. „Das hat mich gerührt“, erzählt Wirl.
- Die Firma: Wäscherei Wirl ist ein 1930 gegründetes Familienunternehmen, das bis zu zehn Tonnen Wäsche pro Tag reinigt und mit acht LKW an Kunden in Wien, Niederösterreich und Burgenland ausliefert
- Attraktiv weil: Menschliches Miteinander und wertschätzender Umgang, flexibles Eingehen auf persönliche Bedürfnisse, Team darf sich Dienste untereinander ausmachen, gute Arbeitsbedingungen stehen immer vor potenziellem Zusatz-Gewinn
Keine Gewinn-Geierei
„Es ist ein Centgewerbe. Zu schauen, dass jeder leistet, was er leisten muss und dazwischen menschlich und sozial sein, ist ein schwieriger Spagat“, berichtet Wirl. Ein Spagat, der ihm nur gelingt, weil er sein eigener Eigentümer ist, sagt er.
Große Kunden, die viel einfordern, aber nicht angemessen zahlen, lehnt er ab. „Ich muss nicht jedes Jahr 100.000 Euro Gewinn machen. Mir ist lieber, es geht sich alles aus und die Kosten sind gedeckt.“
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