Wie gleich sind wir heute?
Frauen arbeiten, verdienen Geld, können – in der Theorie – jeden Beruf ausüben und jede Position erreichen. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist verboten, rechtlich sind Mann und Frau gleichgestellt. Für viele junge Frauen Westeuropas ist das selbstverständlich. Dabei ist die Geschichte der Gleichstellung am Arbeitsmarkt noch jung, erst seit den 1990ern Gesetz. In der Verwirklichung sind wir noch weit vom Ideal entfernt.
Wobei: Frauen haben schon immer gearbeitet. Laut Sonja Dörfler, Soziologin am Österreichischen Institut für Familienforschung, war es in früheren Zeiten eine Frage des Standes, ob die Frau gearbeitet hat oder nicht. "Vor allem in der Klasse der Besitzlosen mussten Frauen arbeiten. Doch Frauenarbeit musste mit dem Gebären und Stillen vereinbar sein." Erst als es durch die Industrialisierung zu einer Trennung von Arbeit und dem Zuhause kam und sich die Ideale des Bürgertums ausbreiteten, wurde die Geschlechterdifferenzierung radikaler: Männer gingen arbeiten, Frauen führten den Haushalt.
Damit zufrieden geben wollten sie sich nicht. Gerade in den Weltkriegen gab es immer wieder Emanzipationsschübe. Sobald die Männer jedoch vom Kriegsgeschehen zurückkehrten, wurden diese Bestrebungen zermalmt. "Gerade im Nationalsozialismus gab es einen gewaltigen Rückschritt für die Frauenrechte. Frauen wurden in die Bereiche Kindererziehung und an Stellen, wo sie wenig verdienten, zurückgedrängt." Bis in die 70er sollte sich hier nur wenig ändern (siehe Stationen unten). "Wir waren lange vom katholischen Mutterbild geprägt und haben es als selbstverständlich angesehen. Und das lässt sich nicht mit einer Karriere vereinbaren", sagt Sonja Dörfler.
Wie gleich sind wir heute?
Auf den ersten Blick wirkt Österreich heute wie der Einserschüler im EU-Vergleich: Vor allem seit 1995 ist die Erwerbstätigenquote unter Frauen stark gestiegen. Lag sie 1995 bei 59 Prozent steht sie 2014 bei 67 Prozent. Die der Männer ist im gleichen Zeitraum sogar gesunken: Von 79 Prozent auf 75. Doch Sonja Dörfler relativiert: Die Expansion der Erwerbstätigkeit ist mit einer Explosion der Teilzeitquote einhergegangen. "Ein Drittel der Frauen arbeitet weniger als 30 Stunden pro Woche. Mitte der 90er waren das noch 22 Prozent", so Dörfler. In Schweden sind es 18 Prozent. Doch Schweden war auch nicht in den Weltkriegen aktiv und Frauen bekamen dort seit den 30er-Jahren kontinuierlich mehr Rechte.
In Österreich hapert es nach wie vor bei der Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt. Auch wenn mehr Frauen als Männer die Matura haben, studieren und mehr Frauen einen Abschluss an einer Hochschule machen, sind sie in den Führungsetagen selten: In den Geschäftsführungen der 200 umsatzstärksten Unternehmen scheint die Männerdominanz einzementiert. Der Frauenanteil lag Anfang Jänner 2015 bei 5,9 Prozent (2014: 5,6 Prozent) und hat sich seit 2006 nur marginal erhöht. Die Politik zeigt ein ähnlich frustrierendes Bild, von Vorbild oder Volksrepräsentanz – bei 51 Prozent Österreicherinnen – kann keine Rede sein. Mit dem Stichtag 1. August 2015 lag etwa der Frauenanteil im Nationalrat bei nur 31 Prozent.
Einkommensschere
Auch in Sachen Einkommen hinken Frauen hinterher, zeigt die Lohnsteuerstatistik: Je höher das Einkommen, desto niedriger der Frauenanteil. 90 Prozent der Spitzenverdiener – die mehr als 200.000 Euro brutto verdienen – sind Männer. Umgekehrt sind gerade unter den Geringverdienern überproportional viele Frauen: Von den 1,7 Millionen Menschen mit weniger als 20.000 Euro Jahresbrutto sind fast 60 Prozent weiblich.
Laut dem Gender Index 2015 des Frauenministeriums verdienten Frauen 2014 61 Prozent des Männereinkommens. Begründet liegt das vor allem in der hohen Teilzeitquote der Frauen, in ihrer Auswahl der Branchen und ist historisch: "Frauen haben immer schlechter verdient als Männer", erklärt Dörfler. "Diese Position vertraten lange auch die Gewerkschaften. Denn die jungen Frauen haben zu Hause gewohnt und die Verheirateten hatten ja einen Mann, der verdient. Es wurde schlicht nicht als Notwendigkeit gesehen, dass Frauen ein volles Gehalt verdienen", erklärt sie.
Aus den Zeiten sind wir längst raus und es drängt, nun auch die letzten Ungleichheiten am Arbeitsmarkt restlos zu beseitigten. Wie stehen die Chancen dazu? Gut, sagt Dörfler. "In den vergangenen 20 Jahre war es zwar etwas ruhiger. Mein persönlicher Eindruck ist aber, heute kommen junge Frauen wieder in Bewegung."
1897 Frauen werden als ordentliche Hörerinnen an der philosophischen Fakultät zugelassen. Gabriele Possanner von Ehrental studiert Medizin in der Schweiz und promoviert am 2. April 1897 als erste Frau in Österreich.
1911 Erster Internationaler Frauentag: Eine zentrale Forderung ist „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.
1918 erhalten Frauen in Österreich das allgemeine Wahlrecht.
1919 ziehen acht weibliche Abgeordnete in den Nationalrat ein.
1966 Grete Rehor wird erste Sozialministerin.
1975 Die Familienrechtsreform stellt Frauen rechtlich gleich: Frauen dürfen u. a. ohne Zustimmung des Mannes arbeiten.
1977 Sozialreform für Mütter: u. a. die Erhöhung des Karenzgeldes, Verlängerung des Mutterschutzes.
1990 Johanna Dohnal wird als erste Frauenministerin angelobt.
1993 Das Gleichbehandlungsgesetz tritt in Kraft (Punkte: Diskriminierung, sexuelle und allgemeine Belästigung am Arbeitsplatz); Reformen: 2004, 2011.
1997 Frauenvolksbegehren „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, wie 1911.
1999 Die partnerschaftliche Teilung der Versorgungsarbeit wird in das Ehegesetz integriert.
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