Wie Corona unseren Konsum regionaler macht
Während die Geschäftsstraßen in Österreich einen verwaisten Eindruck machen, passiert auf virtuellen Marktplätzen umso mehr. Für viele Händler ist online zurzeit der einzige Vertriebskanal. Wer nicht schon vor Corona einen Webshop betrieben hat, versucht es spätestens jetzt.
Aktuell bieten rund 12.000 Händler ihre Ware im Internet an, wobei der Handelsverband von einigen hundert mehr ausgeht, die in diesen Tagen hinzugekommen sind. Viele von ihnen stehen unter wirtschaftlichem Druck.
„Bei den Non-Food Einzelhändlern, die aktuell vom Shutdown betroffen sind, gehen wir von einem wöchentlichen Umsatzentgang von rund einer Milliarde Euro aus“, schätzt Handelsverband-CEO Rainer Will. Mit dem eigenen Webshop versuche man, zumindest einen Teil der Umsatzausfälle zu kompensieren.
Appell der Wirtschaft
Der Onlinehandel boomt in Zeiten der Corona-Krise. Damit aber nicht nur Amazon vom Aufschwung profitiert, lautet der Appell der Wirtschaft: Kauft regional! Stärkt in der Krise heimische Händler!
Damit diese im World Wide Web auch gefunden werden, hat sich ein Marketing-Mix aus Grassroot-Aktionen von Privatpersonen und behördlich getragenen Initiativen gebildet. Mittels Bekanntheitsgrad und Reichweite versuchen u.a. Aktivisten, die Wirtschaftskammer und der Handelsverband, auf Webshops, heimische Online-Marktplätze und Lieferservices aufmerksam zu machen.
Regionales Online-Shopping
Es scheint zu funktionieren. Plötzlich wird nach Plattformen wie „Regional Einkaufen“, „Bauernladen.at“ oder „garantiert regional“ gesucht, auf sozialen Netzwerken werden Webshop-Listen und regionale Lieferservices geteilt.
Der Konsument soll lernen: Online-Shopping geht auch regional und lokal. Bücher, Kosmetik, Schuhe, Sportartikel oder Elektronik finden sich nicht nur bei ausländischen Onlineriesen.
Zugriffszahlen wachsen
Shöpping.at beispielsweise, ein von der Österreichischen Post finanzierter Online-Marktplatz, kämpfte drei Jahre lang mit äußerst geringen Zugriffszahlen. Seit der Corona-Krise haben sich diese vervierfacht.
Der Kampf der Regierung gegen Internet-Riesen in der Corona-Krise
„Ich denke aber auch, dass Konsumenten sich mehr darauf besinnen, bei heimischen Anbietern zu kaufen, um die Wertschöpfung im Land zu halten."
Ein Teil der Erklärung dahinter sei sicherlich die erhöhte Internetnutzung seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen, so Shöpping-CEO Robert Hadzetovic. „Ich denke aber auch, dass Konsumenten sich mehr darauf besinnen, bei heimischen Anbietern und Produzenten zu kaufen, um so die Wertschöpfung im Land zu halten.“
Rund 600 österreichische Anbieter sind auf der Plattform gelistet. „Derzeit fragen jede Woche 100 weitere Händler an, wir arbeiten Tag und Nacht.“
Weg von Online-Riesen
Konsumenten verhalten sich derzeit so, wovon viele österreichische Online-Anbieter in den vergangenen Jahren nur träumen konnten. Ungehört blieben Argumente wie die Stärkung der heimischen Betriebe, kurze Lieferwege und weniger Abhängigkeiten von globalen Lieferketten.
Denn seit Jahren wird der Markt von internationalen Playern wie Amazon, Ebay, Alibaba und Co. beherrscht. Sie sind oft die erste Wahl beim Shoppen im Netz. Sie sind bekannt, locken mit günstigen Preisen, das Bestell- und Liefersystem ist schnell und unkompliziert.
Zum Nachteil für die österreichische Wirtschaft. Mehr als 50 Prozent der Ausgaben im Onlinehandel – 2019 lagen diese in Österreich bei rund 7,5 Milliarden Euro – würden unmittelbar ins Ausland abfließen, so Rainer Will.
85 Prozent bestellen bei Amazon
Knapp 85 Prozent der Konsumenten bestellen Waren über Amazon, zeigt eine gemeinsame Umfrage des Handelsverbands und der KMU-Forschung Austria aus dem Vorjahr. Mit einigem Abstand folgen Zalando (24 Prozent) und Wish.com (21 Prozent).
Shöpping.at bildet mit etwas mehr als fünf Prozent das Schlusslicht im Ranking. Der Umsatz der Top 250 Webshops in Österreich, 2018 waren es 3,2 Milliarden Euro, erziele der Branchenprimus Amazon den Löwenanteil, so Rainer Will. „Für die meisten der 12.000 österreichischen Webshops bleibt wenig vom eCommerce Kuchen übrig.“
Neues Konsummuster?
Ob sich die gegenwärtige Tendenz, regionale Anbieter zu unterstützen, auch nach der Krise andauert? Glaubt man einer Prognose des Zukunftsinstituts, könnte sich die Gesellschaft nach der Pandemie wieder zurück zu lokalen Strukturen entwickeln, die Monopolstellung vieler großer Händler sich auflösen, zugunsten von kleinen Playern.
Der Ausfall globaler Produktionsketten könnte zu einer „Wiederentdeckung heimischer Alternativen“ und „neuen Konsummustern“ führen. WIFO-Experte Jürgen Bierbaumer-Polly meint: „Große Veränderungen schon jetzt zu attestieren, ist zu früh. Ob das Einkaufsverhalten regional bleiben wird, kann man erst sagen, wenn die Wirtschaft wieder normal läuft und der Konsum sich normalisiert hat.“
Mehr regionales Angebot
Die vielen neuen Angebote im Netz könnten zwar zusätzliche Anreize setzen, mehr regional zu kaufen. Aus früheren Krisen aber wisse man, dass viele Konsumenten wieder in alte Muster zurückfallen würden. Die Pandemie hat auf jeden Fall gezeigt, wie abhängig viele Unternehmen von globalen Lieferketten sind.
"Regional einzukaufen ist in der Regel teurer. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten sind viele private Haushaltsbudgets stark beschränkt."
Wenn Konsumenten mehr für die österreichische Wertschöpfung beitragen sollen, müsste aber auch mehr im Land produziert werden, so der Ökonom. Und er merkt an: „Regional einzukaufen ist in der Regel teurer. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten sind viele private Haushaltsbudgets stark beschränkt. Der Griff zu regionalen Angeboten kann dadurch schwerer fallen.“
Kommentare