Katzmair beobachtet seit vielen Jahren die Mächtigsten in Österreich. Das Ergebnis, die sogenannte „Netzwerklandkarte der Macht“, wird laufend gemeinsam mit Pantarhei Advisors kalibriert. Die 2019-Karte zeigt das Gefüge der 400 mächtigsten Unternehmen und Organisationen Österreichs: wer mit wem wie verbandelt ist, wo sich strategische Knotenpunkte bilden, Ressourcen geteilt werden und ein Zukunftsimpact entsteht.
Überraschend ist in der aktuellen Auflage eine Entwicklung: die starke Fragmentierung. „Früher hat es viele große Persönlichkeiten gegeben, die Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik zusammengehalten haben. Heute gibt es nur mehr wenige dieser horizontalen Vernetzer“, sagt Katzmair.
Er nennt Christian Konrad, Brigitte Ederer oder Hans Peter Haselsteiner – Akteure einer traditionellen, großen Netzwerk-Generation, die sich beruflich zunehmend zurückzieht, die Macht-Fäden aus der Hand gibt.
Wer übernimmt?
Immer weniger Player
Die Liste der Namen wird immer kürzer. In der Wirtschaftswelt identifizierten der FAS-Chef und der Pantarhei-Advisors-Chef Markus Schindler folgende unter den etablierten Playern: Andreas Treichl (Noch-CEO der Erste Group), Andreas Brandstetter (CEO Uniqa), Rainer Seele (OMV-CEO) sind auf den ersten drei Plätzen von 22.
Aus der Zivilgesellschaft finden sich Alexander Egit (Greenpeace-Chef), Sabine Seidler (TU-Rektorin) und Caritas-Chef Michael Landau ganz vorne. In der Kategorie der „Next Generation“ kann altersmäßig nicht wirklich von einer nächsten Generation gesprochen werden, sind doch die drei größten Player hier älter als 45 Jahre: voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner (59); WKÖ-Präsident Harald Mahrer (46) und AUA-Chef Alexis von und zu Hoensbroech (49).
Generationen Gap
In der Liste klafft offensichtlich ein Generationen-Gap. Auch, weil sich das Vernetzen ins Virtuelle verlagert. „Sozialer Status leitet sich heute über Onlinepräsenz ab. Früher war die Formel der Macht: ,Geld mal Beziehungen’. Heute erlangt man Macht so: ,Geld mal Beziehungen mal Aufmerksamkeit mal die Fähigkeit, Aufmerksamkeit zu beeinflussen.
Dietrich Mateschitz (Anm. Platz 1 im Ranking der ,Aufmerksamkeitsgewinner’ ) ist nicht so weit oben dank traditioneller Netzwerke. Er ist dort wegen der ungeheuerlichen Medienpower von Red Bull – die schafft enorm viel Aufmerksamkeit.“ Gleich hinter ihm übrigens: Rene Benko (Signa-Gründer) und Magenta-CEO Andreas Bierwirth.
Karriere-Clubs
Manchen verhelfen beim Verfolgen ihrer Agenda klassische Karriere-Clubs. Rotarier, Freimaurer oder Burschenschaften sind nur einige solcher Gruppierungen. „Weil institutionelle Netzwerke immer schwächer werden, gewinnen solche Orte eine neue Stärke“, sagt Katzmair. Viele lernen aber auch schlicht, in welche Beziehungen es sich zu investieren lohnt, wie viel man geben muss, um nehmen zu dürfen – ganz informell.
Man sei heute offener im Umgang, so Martina Schöggl, Mitbegründerin der Frauen-Karriere-Community Sorority. „Früher sind die Menschen auf ihrem Netzwerk draufgesessen, Kontakte waren Kapital, das man schützen wollte. Heute wird kollaborativer gearbeitet, man vernetzt andere, wird vernetzt, jeder kann jeden antwittern.“ Wichtig sei nur, zu verinnerlichen, dass Netzwerken kein bloßes Visitenkartensammeln ist.
„Man muss sich einbringen und in Kontakt bleiben, um zu wissen, wo man eines Tages anklopfen könnte.“ Beim Vernetzen nicht nur auf wenige zentrale Schlüsselpersonen setzen, rät wiederum der Greenpeace-Chef Alexander Egit: „Es ist wichtig, auch bis zu drei Personen rund um diese Person, die die Entscheidung trifft, zu informieren und zu überzeugen.“
Frauen ziehen sich zurück
Frauen tun sich noch schwer. Unter den Top-50 Namen in der Machtnetzwerk-Karte sind nur fünf weiblich: Sabine Herlitschka, CEO Infineon, Barbara Teiber, Bundesvorsitzende GPA-djp , Renate Anderl (AK-Präsidentin), Sabine Seidler (TU-Rektorin) und Bettina Glatz-Kremsner (CEO Casinos). Der Grund: Der Frauenanteil in den 5000 größten Firmen und 400 Institutionen Österreichs geht zurück – und mit ihm auch die weiblichen, beruflichen Beziehungen. Keine gute Entwicklung.
„Es wird dann zum Problem, wenn Menschen aufgrund ihres Geschlechts von Ressourcen- und Machtfragen ausgeschlossen werden. Das passiert oft“, sagt Martina Schöggl. Sie könne 40 bis 50 Frauennetzwerke aufzählen – manche exklusiv und elitär, viele informell, branchenintern. Aber auch sie ortet hier einen Generationen-Gap. „Die Fackelübergabe der Älteren hätte besser funktionieren können.“
Wo Sie netzwerken können
Frauennetzwerke: Der feministische Verein Sorority versteht sich als branchenübergreifendes Karrierenetzwerk. Rund 800 zahlende Mitglieder zwischen 25 und 40 Jahren netzwerken hier persönlich (Beitrag: 30 Euro pro Jahr), 4.000 schreiben in der Facebook- Gruppe „The Sorority“. Sehr niederschweillig, Frau (meist Akademikerin) trifft sich zu Lesungen, Mitgliederversammlungen, Workshops oder zum Feiern. Die Themen hier reichen von Gründung über Gehaltsverhandlungen bis zu Vereinbarkeit.
Weitere Netzwerke: www.femalefounders.global, www.aufsichtsraetinnen.at, www.klubfuerfrauen.at, www.wko.at/site/fiw, www.frauimfokus.at, www.mentory.at
Männernetzwerke:
Rotary: Oberste Maxime der Rotarier ist es, sich humanitär zu engagieren, nach hohen ethischen Standards zu handeln. „Es ist aber auch ein informelles Karrierenetzwerk. Jedoch ist es verpönt, in persönlichen Belangen Unterstützung zu suchen. Viele haben es versucht und sind gescheitert“, so ein Insider. Trotzdem entstehen hier besondere Kontakte. Voraussetzung für eine Aufnahme ist meist, ein Mitglied zu kennen, das für einen bürgt. Dabei zu sein, kostet je nach Club zwischen 35 und 400 Euro. Berühmte Mitglieder: SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner und Pfizer-Chef Robin Rumler.
Weitere Netzwerke: www.freimaurerei.at, Tennis- u. Golfclubs
Onlinenetwerke: Sie werden immer wichtiger. Aber welche braucht man für ein scharfes Karriereprofil und wo bewegen sich Insider? LinkedIn und Xing sind die zwei Must-haves fürs berufliche Profil in den sozialen Medien. Mit kostenpflichtigen Mitgliedschaften erhält man extra Vernetzungs- funktionen – ab ca. 10 Euro pro Monat. Wer in seiner Branche auffallen will, äußert sich auf Twitter zu politischen und wirtschaftlichen Themen. Aber auch auf Instagram und Facebook – letztere Plattform ist allein wegen ihrer Größe heute unverzichtbar beim Vernetzen. Da postet man heute, woran man arbeitet, was man braucht und bieten kann. Problem: zu viele lose und oberflächliche „Freundschaften“.
Uninetzwerke: „Alumni-Clubs sind unglaublich mächtig“, sagt Harald Katzmair. Ein Auszug der Großen in Österreich: Der WU Executive Club vernetzt MBA- und Master of Laws-Absolventen. 4000 Führungskräfte aus 85 Ländern sind hier Mitglied. Man pflegt Beziehungen auf gehobenem, internationalem Top-Niveau: www.executive academy.at. Bei Wise Women of WU vernetzen sich WU-Absolventinnen mit Top- Wirtschaftsfrauen, um ihrer Karriere zu fördern. Auf zehn Plätze limitiert: www.wu.ac.at.
Weitere gut vernetzte Alumni-Clubs: www.tualumni.at (Franz Viehböck, ab 2020 Berndorf-AG-Chef, ist Mitglied), www.alumni.fh-ooe.at oder Jugend-Clubs politischer Vereine.
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