Wein-Knigge: Warum im Business Weinkenntnisse von Vorteil sind
Wein ist eine Wissenschaft: wer zumindest weiß, welcher Wein zu welcher Speise passt, hat in der Geschäftswelt den ersten Vorteil. Grund genug also, die eigene Expertise mit Informationen zu unterfüttern.
Strohgelb schimmert der Wein im Glas, ein leichter Wasserrand hat sich an der Glaswand gebildet. Thomas Juranitsch hält den Wein gegen das Licht und zeigt auf die Schlieren an der Glaswand, die an die Form von Kirchenfenstern erinnern. Man nennt sie auch Tränen.
Die Schlierenbildung gebe bereits erste Anhaltspunkte über den Zuckergehalt des Weins. „Dieser hier bildet keine, was auf einen leichten, frischen Wein schließen lässt.“ Thomas Juranitsch ist Sommelier im Palais Coburg. Im Weinkeller des Nobelhotels lagern rund 60.000 Flaschen aus vier Jahrhunderten. Damit zählt das Palais zu den ersten Adressen für Weinliebhaber in Wien.
Grüner Apfel, Maracuja, ein Hauch von gemähtem Gras
Der junge Sommelier schwenkt unentwegt sein Glas, damit sich der Wein mit dem eintretenden Sauerstoff „öffnet“ und seine Aromen mehr zur Geltung kommen. Geübte Nasen würden jetzt grünen Apfel, Stachelbeere, vielleicht ein wenig Passionsfrucht-Maracuja erkennen.
Juranitsch entdeckt noch Paprika, sogar einen Hauch von frisch gemähtem Gras will er in den Aromen wahrgenommen haben. Als nächstes die Kräuter. Ist da Rosmarin oder Oregano? „Man kann natürlich immer etwas reininterpretieren in einen Wein“, der Sommelier schnuppert erneut, „Nein, keine Kräuter.“
Der Verbrüderungseffekt
Wer sich bei Tisch mit Wein auskennt, ist im Vorteil. Gerade in der Geschäftswelt spielt Wein eine nicht unbedeutende Rolle – was wäre ein Business-Dinner ohne guter Weinbegleitung? „Natürlich ist niemand gezwungen, Alkohol zu trinken. Aber er lockert die Stimmung und hat auch einen gewissen Verbrüderungseffekt“, sagt Thomas Schäfer-Elmayer.
Er ist Leiter der Tanzschule Elmayer, Experte in Fragen der Etikette und war selbst als Unternehmer auf ungezählten Geschäftsessen zu Gast. Gemeinsame Mahlzeiten und guter Wein lockern die Stimmung, die Runde wird geselliger und nicht selten werden wichtige Vertragsabschlüsse bei einer teuren Flasche Rotwein besiegelt.
Facettenreiches Smalltalk-Thema
„In diesem Kontext wird häufig vom Gastgeber erwartet, sich ein wenig mit Wein auszukennen“, ergänzt Norbert Lustig, der in seinen Wein-Seminaren Führungskräften die wichtigsten Basics mit auf den Weg gibt. Wer wesentliche Winzer aus Österreich nennen oder eine passende Begleitung auf der Karte auswählen kann, punktet bereits.
Noch besser wären Geschichten rund um die wichtigsten Rebsorten Österreichs, empfiehlt Lustig. „Auf heimischen Weinkarten wird man fast immer Grünen Veltliner entdecken. Aber wie viele wissen, dass Grüner Veltliner auch in Neuseeland angebaut wird und dort ein echter Exot ist?“
Wenn alle Gäste ihre Speisen gewählt haben und es um die Weinbegleitung geht, rät der Wein-Experte dem Gastgeber zu folgender Eselsbrücke: Anbaugebiet und Herkunft des Essens miteinander abzustimmen. „Zum Donaufisch etwa passt Riesling aus der Wachau oder Kremstal, der wächst an den Hängen am Fluss.“
Abgang: Nachgeschmack eines Weines kurz nach dem Schlucken; je länger der Nachgeschmack, desto besser die Qualität des Weines.
Charakter: alle Duft- und Geschmacksstoffe eines Weines zusammen, das individuelle Profil.
Textur: beschreibt, wie sich der Wein im Mund anfühlt – schmelzig, cremig, seidig, fett, wässrig.
Tannin: Gerbsäure, hauptsächlich bei Rotwein, macht ein pelziges Gefühl im Mund; entsteht u.a. durch Holzfasslagerung; Wein kann „tanninreich“ oder „tanninarm“ sein.
adstringierend: „zusammenziehender“, herber Geschmackseindruck; entsteht durch Tannine.
harmonisch/rund: stimmiger Wein mit ausgewogenem Süße-Säure-Verhältnis (eleganter: Säurebogen); absolut positiver Eindruck.
„Es korkt“: Weinfehler, modrig-muffiger Geruch und Geschmack; Unterscheidung zwischen eindeutigem und schleichendem Korkschmecker.
Sein Limit kennen
Beim Business-Dinner glänzt man aber nicht nur mit Smalltalk rund um Wein, sondern auch mit Tischmanieren. Ein allzu lockerer Umgang mit Alkohol schädigt das Image der Seriosität– weshalb, so Experte Schäfer-Elmayer, es heutzutage bei Geschäftsessen im Vergleich zu früher schon sehr gemäßigt zugehe.
Der Genuss von Wein bei einem Geschäftsessen ist in vielen Märkten üblich. Man sollte aber wissen, wie trinkfest man ist.
In einer Männerrunde könne das Anstoßen bei Tisch trotzdem schnell zu einem Machtspiel werden. „Der Genuss von Wein bei einem abendlichen Geschäftsessen ist in vielen Märkten üblich. Man sollte aber wissen, wie trinkfest man ist.“
Auf Häufigkeit achten
Ansonsten kann so ein Abend sehr zum Nachteil enden. „Im Geschäftsleben sollte man sich immer unter Kontrolle haben“, appelliert der Experte. „Sich am nächsten Tag nicht mehr an den Abend zu erinnern, darf nicht geschehen.“
Vor allem, wer öfter auf Geschäftsreisen und dementsprechend häufig zu Veranstaltungen müsse, sollte sich generell Gedanken über sein Trinkverhalten machen.
Businessmäßig steif müsse man sich bei Tisch aber nicht benehmen. „In erster Linie geht es beim Business-Dinner darum, die gesellschaftlichen Bande zu den anderen Teilnehmern zu stärken.“
Sich nicht am Chef orientieren
Allerdings rät der Experte davon ab, sich an den Konsum des Ranghöchsten zu halten. „Firmenchefs sind nicht immer Vorbilder. Sie vertragen und trinken möglicherweise mehr als man selbst und nehmen sich mehr Freiheiten, die sie bei ihrem Team nicht dulden.“
Der richtige Umgang mit Wein ist ein Lernprozess, so wie die richtige Bestimmung der Aromen. Thomas Juranitschs finale Bestimmung in der Weinverkostung lautet übrigens: Sauvignon Blanc Steinriegl 2017 aus der Südsteiermark vom Kitzeck im Sausal.
Mit dem KURIER sprach der Top-Sommelier des Palais Coburg über Binsenweisheiten und darüber, wie er wissende Gäste mit Empfehlungen überrascht:
KURIER: Stimmte es, dass ein Sommelier keinen Kaffee trinken sollten, um die Geschmackssinne nicht zu beeinträchtigen?
Thomas Juranitsch: Nein! Wenn ich keinen Kaffee trinken würde, wäre ich sicher schlechter gelaunt (lacht). Aber direkt vor einer Verkostung Kaffee zu trinken, würde schon beeinträchtigen. Man hat dann so eine pelzige Zunge.
Bevor ausgeschenkt wird, erfolgt der bekannte Probeschluck. Wie erkennt nun ein Laie, ob der Wein einen Makel hat?
Das ist nicht leicht, selbst Sommeliers sind sich nicht immer sicher. Schleichender Kork etwa entfaltet sich erst, nachdem der Wein ein paar Minuten im Glas war. Daher wird er auch häufig getrunken und nicht selten in Restaurants ausgeschenkt. Voll-Kork hingegen stinkt und ist muffig. Das riecht man sofort.
Das Palais Coburg ist die Adresse für Weinkenner. Wie schaffen Sie es, wissende Gäste trotzdem zu überraschen?
Ich frage etwa dezent nach, welches Geburtsjahr die Begleitung des Gastgebers hat. Wenn dann zum Hauptgang ein 1970er Bordeaux ausgeschenkt wird, ein Wein aus dem eigenen Jahrgang, freuen sich die Leute am meisten.
Wie wählen Sie die Weinbegleitung für ein Business-Dinner aus?
Das geschieht bei uns im Team. Wir achten dabei auf die intensivste, gehaltvollste Zutat auf dem Teller, dazu wird der passende Wein gewählt. Übrigens: Wenns einem nicht schmeckt, schmeckt es allen nicht. Das ist wohl Gruppendynamik.
Wie günstig kann man im Palais Coburg dabei wegkommen?
Der günstigste Wein bei uns ist ein Grüner Veltliner für 32 Euro von Ebner-Ebenauer (NÖ). Der teuerste ist ein Romanée-Conti Pinot Noir aus der Burgund. Die Sechs-Liter-Flasche kostet 136.000 Euro, die kleine 19.000 Euro.
Halten Sie sich an die Weinabfolge „leicht vor schwer, jung vor alt, trocken vor lieblich“?
Regeln kann man aufbrechen. Bei uns gibt’s zum ersten Gang zum Beispiel süßen Wein. Oder nicht unbedingt „weißen Wein zu weißem Fleisch“.
...und roter Wein zu rotem Fleisch?
Auch nicht immer gut: Tafelspitz mit Rotwein etwa schmeckt grausam!
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