Warum nun auch Fachkräfte auf Jobsuche sind

Die österreichischen Industriebetriebe blicken zuversichtlich voran. Zwei von fünf wollen neue Mitarbeiter einstellen.
Der Fachkräftemarkt bricht um mehr als ein Drittel ein, damit tun sich selbst die Gefragtesten am Jobmarkt schwer – was ist da los?

IT-Systemadministratoren, IT-Sicherheitsspezialisten oder Projektingenieure sind am Arbeitsmarkt rar gesät und gehören deshalb zu den besonders umkämpften Fachkräften.

Mit Beginn der Krise scheint aber auch das Händeringen um die besten Köpfe zumindest kurzzeitig auszusetzen, wie der Fachkräfte-Index des Personalvermittlers Hays zeigt.

Höchster Rückgang seit Jahren

Bereits zwischen Januar und Mai 2020 machte sich ein Rückgang am Stellenmarkt für Fachkräfte bemerkbar. Die Spuren der Krise ziehen sich aber auch durch das zweite Quartal.

Dem neuen Index zufolge soll die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften auf seinen tiefsten Stand seit fünf Jahren gefallen sein – um mehr als ein Drittel.

Weniger Stellenanzeigen

Am stärksten fiel der Rückgang bei Engineering-Spezialisten mit minus 46 Indexpunkten aus, gefolgt von IT-Spezialisten mit minus 39 Indexpunkten. Auch der Sales- und Marketingbereich verzeichnete ein Minus von 34 Punkten, die Finanz- und Versicherungsbranche minus 32 Punkte.

Insgesamt fiel der Fachkräfte-Index, der mittels einer Auswertung von Stellenanzeigen in Tageszeitungen, Job-Portalen oder Business-Netzwerken gemessen wird, von 130 Indexpunkten im ersten Quartal auf 93 Indexpunkte.

Unternehmen sind zurückhaltender

Die Pandemie habe „zu einem wirtschaftlichen Rückgang, zu einer verringerten Konsumnachfrage und zu rückläufigen Exporten“ geführt, erklärt Mark Frost, Geschäftsführer Hays Österreich, die Hintergründe. „Vor diesem Umfeld haben Neubesetzungen für Firmen nicht höchste Priorität.“

Das bestätigt auch Arbeitsmarktexperte Helmut Mahringer vom Wirtschaftsforschungsinstitut. „Die Nachfrage am Arbeitsmarkt hängt stark von der Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen zusammen.“ Wenn Unternehmen weniger investieren, bei Neueinstellungen zurückhaltend sind, kann das also selbst die Gefragtesten am Arbeitsmarkt treffen.

Rückgang auf hohem Niveau

Auch wenn es für Jobsuchende nach keiner guten Nachricht klingt – in Relation zu anderen Branchen geht es dem Fachkräftemarkt nicht gravierend schlecht. „Es ist ein Rückgang auf hohem Niveau“, so Mahringer.

Denn während zum Höhepunkt der Krise in der Beherbergung und Gastronomie rund 61.000 Menschen mehr arbeitslos waren als noch im Vorjahr (plus 145,1 Prozent), sowie 20.000 im Bauwesen, kamen Informations- und Kommunikationsberufe (plus 20,3 Prozent) oder der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (plus 9,3 Prozent) im Vergleich noch glimpflich davon.

Fachkräfte bleiben gefragt

Petra Draxl, Chefin des AMS Wien, betont: „Zwischen den Steigerungsquoten der Arbeitslosigkeit bei diesen Gruppen liegen Welten. Auch wenn die Stellenanzeigen sinken, Fachkräfte werden noch immer gesucht.“

Die Zukunftschancen fallen bei Höherqualifizierten besser aus, da sie die ersten sind, die von einem Konjunktur-Aufschwung profitieren. Mahringer prognostiziert, „dass die Nachfrage nach Fachkräften vor allem in der Technik oder den Naturwissenschaften mittelfristig wieder steigen wird.“

Trübe Aussichten

Vorerst aber bleibt der Arbeitsmarkt ein Sorgenkind. Im Herbst und Winter steigt die Arbeitslosigkeit traditionell an – hervorgerufen durch die saisonalen Schwankungen im Bau und Tourismus. Was genau eintreten wird, ist aber auch für die Wiener AMS-Chefin Draxl schwer vorherzusehen.

„Wir wissen nicht, wie viele Firmen Corona überlebt haben oder überleben werden, da viele der Insolvenzverfahren aufgeschoben sind.“ Auch, ob sie weiter auf Kurzarbeit setzen oder spätestens im Winter an Personal einkürzen werden, sei unklar. „Es kann sein, dass die Arbeitslosenzahl sinkt oder noch etwas auf uns zukommt.“

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