Warum es in den USA mehr Gründer gibt

Warum es in den USA mehr Gründer gibt
Gründerland USA, Förderland Österreich: Drei Kenner diskutierten die Unterschiede im Gründergeist – und wie heimische Start-ups den US-Markt erobern.

Die heimische Start-up-Szene ist immens gewachsen. Das Pioneers Festival zieht jährlich 2500 Gründer an, auf der Plattform "Austrian Start-ups" formieren sich immer mehr Jungunternehmer. Dennoch kann sich Österreich vieles vom Gründerland USA abschauen – bei Bedingungen, Chancen und Finanzierung für Start-ups. Darüber diskutierten Herbert Rohrmair-Lewis, Bundesvorsitzender der Jungen Wirtschaft, Alexa Wesner, US-Botschafterin und Gründerin, und Martin Bittner, CEO des Start-ups SolveDirect, das im Vorjahr vom US-Konzern Cisco übernommen wurde.

KURIER: USA vs. Österreich: Wo sind Unterschiede in der Gründermentalität?

Alexa Wesner: Firmen fragten bei mir nach CEO-Kandidaten an, mit der Frage: Wer ist bereits gescheitert? Denn: Nur so jemand hat aus seinen Fehlern gelernt. Die Investoren wissen: Wenn sie in zehn Firmen investieren, wird ein gewisser Prozentsatz scheitern. Scheitern im Business wird in den USA nicht als persönliches Versagen gesehen. Man investiert daher auch in erfolglose Gründer – denn oft war einfach nur schlechtes Timing schuld.

Herbert Rohrmair-Lewis: Die Start-ups können sich in den USA ihre Investoren aussuchen. In Österreich bekommen sie mit Glück einen einzigen, der dann auch noch die Regeln festlegt.

Martin Bittner: In Österreich ist die Chance zum Scheitern geringer. Start-ups beginnen mit staatlicher Förderung. Jeder rennt zu Förderstellen, Gründerservices, schaut, dass er durch irgendwelche Prüfungen kommt. Das ist kein Spaß.

Alexa Wesner: Staatliche Förderungen spielen in den USA keine Rolle. Wenn ich vor einem Investor pitche, ist das schon der erste Test fürs Unternehmen.

Herbert Rohrmair-Lewis: In den USA werden zuerst Start-ups gegründet und danach die Regularien gemacht. Wir kommen in Österreich mit dem Thema Crowdfunding in die ZiB1, dann heißt es von den Konsumentenschützern, "Achtung, wir könnten unser Geld verlieren". Hier wird von vornherein auf vielen Ebenen gebremst.

Martin Bittner: In Österreich muss man möglichst gut Formulare ausfüllen können – das macht aber noch keine guten Entrepreneure. Der Hunger, mit einem Start-up reich zu werden, ist bei uns obszön. In den USA gibt es gesellschaftliche Anerkennung. Dort muss man Firmenanteile abgeben, um überhaupt Mitarbeiter zu rekrutieren.

Alexa Wesner: Ich habe als Recruiterin selbst oft gesagt: Bezahlt mir nur die Hälfte, ich nehme vom Rest Unternehmensanteile – weil ich an eure Idee glaube. Anteile zu verkaufen ist ein guter Test dafür, wer an Bord ist, auch bei Mitarbeitern. Das bringt Motivation, Commitment. Für die Investoren ist auch wichtig, wie viel man ins eigene Business investiert.

Martin Bittner: So haben wir auch unseren Investor im Jahr 2010 überzeugt. Mein Managementteam und ich haben gesagt: Wir investieren von unserem privaten Geld 20 Cent für jeden Dollar, den Sie in uns investieren.

Herr Bittner, Sie gingen 2009 ins Silicon Valley. Warum?

Martin Bittner: Das war ein Markttest, um zu schauen, ob unser Unternehmen global funktioniert. Mit dem Silicon Valley ist es so: If you can make it there, you can make it anywhere.

Wie war die Lage in Österreich?

Martin Bittner: Es gab ein Nach-Terrorgefühl in der Finanzbranche. Lehman wirkte gerade, die Staaten fuhren ihre Gründerprogramme zurück. Für neue Firmen war es schwierig, Risikokapital aufzutreiben. Mehr als zwei Millionen Euro zu stemmen, ist sowieso kaum möglich.

Herbert Rohrmair-Lewis: Der Druck kam aus dem Markt, intrinsisch. Mit dem Verein Austrian Start-ups, dem Pioneers Festival, wurden Keimzellen gesetzt. Die Rahmenbedingungen haben sich kaum verändert, gerade steuerlich: Man kann keine Verluste abschreiben, wenn ein Investment schief geht.

Frau Wesner, Sie haben in den USA zwei Firmen gegründet. Wie war Ihre Erfahrung?

Alexa Wesner: Als Stanford-Studentin bin ich oft an der Sand Hill Road vorbeigeradelt, wo die Investorenfirmen sitzen. Ein magischer Ort. Nach meinem Abschluss bin ich nach Austin, (ein Unternehmer-Hub ähnlich dem Silicon Valley, Anm.), habe eine Firma gegründet, die Personal für Start-ups vermittelte. Es war eine faszinierende Zeit, ich traf täglich Start-ups und viele Investoren.

Was wollen die US-Investoren? Schnelles Geld?

Alexa Wesner: Ein Liquiditätsereignis (z. B. Börsegang, Verkauf, Anm.) ist immer wichtig. Natürlich geht es ums Geldmachen, aber es muss nicht schnell sein. Mein Mann, ein Investor, sagt immer, man muss helfen, die Firma aufzubauen. Investoren investieren primär in Mitarbeiter.

Woran liegt die unterschiedliche Mentalität – in der Erziehung?

Alexa Wesner: Ich denke ja. In den USA gibt es den Lemonade Day, wo Schüler Limonade verkaufen, Entrepreneurship lernen. Das ist von früher Erziehung an ein anderes Mindset– dieses Ermutigen zum "mach es selbst, verändere, kreiere ein Unternehmen."

Herbert Rohrmair-Lewis: Ich hoffe, das kommt in Österreich auch – wenn es auch Generationen dauern wird.

Martin Bittner: In den USA räumen die Eltern ihre Garage, aus, damit die Kids mit ihrer High-Tech-Company starten können.

Wie sollen sich österreichische Start-ups auf die USA vorbereiten?

Martin Bittner: Ich rate: Fire fast. Es ist in Österreich kaum möglich, schlechte Mitarbeiter loszuwerden. Wenn du ins Ausland gehst, verstärkt sich das weiter. Als CEO selbst in die USA zu gehen, die Position nicht outzusourcen. Es braucht die Person als Brücke zwischen US-Markt und europäischem Team. Und: Alles so einfach wie möglich machen, die Amerikaner wollen es simpel. Und: Geh mit vollen Taschen. Man braucht dort fünf bis sieben Millionen Euro für den Markteintritt.

Alexa Wesner: Am besten lässt man sein Unternehmen bewerten, bevor man Gelder von Investoren einholt.

Was raten Sie beim Unternehmensverkauf an einen Investor?

Martin Bittner: Er muss formulieren können, was er mit dem Kauf zur Unternehmensstrategie beiträgt. Man selber muss dabei den Nutzen für den Kunden sehen, nicht nur auf Zahlen schauen. Bedenken Sie ein mögliches Liquidationsereignis, wenn Sie einen Investor an Bord nehmen.

Was ist in Österreich noch zu tun?

Alexa Wesner: Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Austin hat eine eigene Marke gemacht. Das sollte auch Österreich tun. Man kann viel von Silicon Valley lernen, muss aber auch die eigene Andersartigkeit hervorstreichen.

Martin Bittner: 2013 sind vier Firmen aus dem Ausland nach Österreich gekauft worden, 21 ins Ausland gegangen. Das sollte zu denken geben. Man muss unbedingt bei den steuerlichen Hebeln ansetzen.

Herbert Rohrmair-Lewis: Wir brauchen einen Wettbewerb der Investoren, einen Freibetrag für Business Angels, eine Anhebung der Prospektpflicht, mehr Crowdfunding. Wir haben nur acht Millionen Menschen, jeder Einzelne, der nicht gründet, tut weh. Wir haben viele interessante Start-ups. Das Potenzial ist da – wir müssen es nur noch ausschöpfen.

Die Diskutanten

Warum es in den USA mehr Gründer gibt
Alexa Wesner, US-Botschafterin

Alexa Wesner, Tochter deutsch-lettischer Eltern, studierte an der US-Elite-Uni Stanford Biologie. Nach ihrem Bachelor ging sie nach Austin, einer aufstrebenden Hightech-Siedlung, um beim Software-Startup Trilogy zu arbeiten. 1997 gründete sie HireTECH, eine Personalvermittlungsfirma für Start-ups. Im Jahr 2000 gründete sie mit Recruiting Labs ihre zweite Firma zur Personalbeschaffung über das Web. Mit der Internetblase war es mit den Unternehmen vorbei, Wesner widmete sich kommunalen Projekten in Texas und zahlreichen Funktionen in NGO. Seit Juli 2013 ist sie US-Botschafterin in Wien. Mit Investor Blaine Wesner hat sie drei Kinder.

Warum es in den USA mehr Gründer gibt
Herbert Rohrmair-Lewis, Chef Junge Wirtschaft

Im November 2013 wurde Herbert Rohrmair-Lewis einstimmig zum Bundesvorsitzenden der Jungen Wirtschaft in Österreich gewählt. Damit ist er oberster Vertreter der Gründer und Jungunternehmer. Vor der Gründung seiner Werbeagentur Rohrmair im Jahr 2007 und der Zusammenführung mit Silberball Wien arbeitete Rohrmair-Lewis in Werbeagenturen wie Ogilvy, Draftfcb sowie Demner, Merlicek & Bergmann. Seit dem Jahr 2010 ist Herbert Rohrmair-Lewis Geschäftsführer der Wiener Werbeagentur Lobster. Er betreibt sie gemeinsam mit Robert Weber und Horst Wilfinger. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

Warum es in den USA mehr Gründer gibt
Martin Bittner, CEO SolveDirect

Martin Bittner gründete im Jahr 2000 mit Marcus Oppitz die Softwarefirma SolveDirect für cloud-basierte Lösungen in der IT Service Management Integration. 2007 übernahm die Brain Force Holding das Unternehmen als Tochter. 2009 stieg der US-Konzern Cisco über einen Fonds ein, um den Weg nach Übersee zu finanzieren. 2010 baute Bittner das Geschäft in den USA und eine Tochtergesellschaft im Silicon Valley auf. 2013 verkaufte Brain Force seine 53%-Anteile von SolveDirect um 8,5 Mio. Euro an US-Konzern Cisco. SolveDirect hatte zuletzt 200B2B-Kunden und 270.000 Endanwender in 68 Ländern. Der Umsatz lag bei 6,2 Mio. Euro.

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