Virtuell beschwert, real gekündigt

Virtuell beschwert, real gekündigt
Facebook birgt eine Gefahr für den Job: Wenn Firmengeheimnisse verraten oder Treuepflichten verletzt werden. Was darf ich posten?

Die Daten kamen per Post. Absender: Facebook, Kalifornien. Ein Paketdienst brachte die CD. Darauf eine 496 Megabyte große PDF-Datei. 1222 Seiten, annähernd genauso dick wie die zwei Bände der Gutenberg-Bibel. Statt Psalmen, persönliche Daten. Doch diese 1222 Seiten über Max Schrems waren lückenhaft, sagt Max Schrems. Der Jus-Student klagte Facebook. Vorwurf: Datenschutzverletzung in 22 Fällen.

1222 Seiten Text und Fotos umfasst das Facebook-Lebenswerk des 24-Jährigen aktuell. Gesammelte Daten, nicht alle für die Öffentlichkeit bestimmt. Sie sind trotzdem da, schwarz auf weiß. Max Schrems ist einer von 845 Millionen Usern des sozialen Netzwerks. Gepostet wird Belangloses, Peinliches, man hält Kontakt mit Bekannten, tauscht sich mit Experten über die Welt aus, veröffentlicht Fotos – alles schön, alles gut.

Manche halten das Web aber immer noch für die neu entdeckte Enklave der Freiheit in einer sonst so überwachten Welt. Deshalb wird hier der Blues gesungen, spöttisch über Chefs geschrieben, werden die Kollegen als Deppen oder Kunden als Proleten bezeichnet. Vielen ist nicht bewusst, dass Entgleisungen im Netz zur Kündigung führen können – es passiert immer öfter.

Mehr als Netiquette

Grundsätzlich gilt: Der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und unternehmensschädliche Äußerungen können zur Kündigung führen. Der Mitarbeiter hat dem Arbeitgeber gegenüber eine Treue-, Loyalitäts- und Rücksichtsnahmepflicht zu beachten. Da ist das Netz keine Ausnahme. Auch Postings auf einer privaten Facebook-Seite können zum Verhängnis führen, wenn diese Pflichten verletzt werden. Denn: Ein Arbeitsverhältnis basiert auch auf Vertrauen, wird dieses erschüttert, kann es aufgelöst werden. Zudem kann das negative Posting im Internet eine gute Gelegenheit für den Arbeitgeber sein, einen unliebsamen Mitarbeiter loszuwerden. Wenn eine Baseler Versicherungsangestellte wegen Migräne zu Hause bleibt, 20 Minuten mit dem Handy auf Facebook verweilt und gekündigt wird, mit der Begründung „Wer auf Facebook surfen kann, kann auch arbeiten“, lag sie der Firma vermutlich nicht sehr am Herzen.

Der Fall Payne

Keine Frage, in manchen Fällen nimmt die Verurteilung von Personen absurde Ausmaße an: Die 24-jährige Lehrerin Ashley Payne wurde im August 2009 von ihrem Schuldirektor vor die Wahl gestellt, freiwillig zu gehen oder gekündigt zu werden. Der Grund: Ein Bild auf Facebook, auf dem die Amerikanerin fröhlich lächelt, in der einen Hand ein Glas Bier und in der anderen ein Glas Wein hält. Wie das Nachrichtenportal CBS berichtete, hatten sich die Eltern eines Schülers darüber beschwert. Payne entschied sich, zu gehen.

Wer hier die Schuld trägt und wo das Vergehen genau liegt? Jedenfalls sind die Konsequenzen hart. Der Fall Payne zeigt deutlich, dass es die Privatsphäre im Netz einfach nicht gibt. Und dass jedes Posting und jedes Foto zurückschlagen können. Weil im Internet alles irgendwo und irgendwann wieder auftauchen kann.

Kein Grund zur Panik, nur noch mehr Grund, den eigenen Internet-Auftritt zu überdenken und jedenfalls zu überprüfen (siehe Tipps unten) . Oder aber man hält es wie der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt: „Wer nicht will, dass etwas, das er macht, öffentlich wird, sollte es gar nicht erst tun.“

Interview

Günter Köstelbauer ist Jurist bei der Arbeiterkammer (AK) Wien. Beim Thema Social Media und Arbeitsrecht, muss er viel seufzen.

KURIER: Wie oft sind Sie mit Fällen, in denen Online-Postings zu einer Kündigung geführt haben, konfrontiert?
Günter Köstelbauer:
Wir hatten in der letzten Zeit schon einige Fälle, wo etwas Abfälliges über den Job, Kollegen oder den Geschäftsführer gepostet wurde. Solche, wo dann die sogenannten Freunde doch keine Freunde waren und es weitererzählt haben. Ein aktueller Fall: Eine Frau in Karenz schrieb auf ihrem Account, dass sie jetzt froh wäre, ihren Chef, ein Arschloch, für eine Zeit nicht mehr sehen zu müssen. Sie wurde entlassen. Der Fall liegt derzeit beim Arbeitsgericht.

Wenn ich auf meinem Facebook-Account schreibe: „Scheißtag, Scheißjob, Scheißfirma, Scheißchefs“ – so passiert in Frankreich –, ist eine Kündigung gerechtfertigt.
Jeder Fall ist anders und die Grenzen sind nicht klar geregelt. Wenn es sich um eine Ehrenbeleidigung handelt, kann es zu einer Kündigung kommen. Ebenso bei firmenschädigenden Aussagen. Als Arbeitnehmer bin ich zur Treue verpflichtet und darf keine abfälligen, schädigenden Äußerungen tätigen.

Ihr Rat?
Wir sagen: Seids vorsichtig, was ihr postet. Passt bei Äußerungen, die den Arbeitgeber betreffen, auf. Schreibts nichts, was den Ruf schädigt und überlegt gut, wer eure Freunde sind. Denken darf ich mir alles und ich kann dem Freund erzählen, dass mir der Chef auf den Nerv geht. Aber Facebook ist etwas anderes – da kann ich mich auch mit einem Megafon auf den Stephansplatz stellen.

Wenn in meiner Firma der Facebook-Zugang gesperrt ist, ist es dann in Ordnung, von meinem privaten Handy aus Facebook zu nutzen?

Wenn ich das während meiner Pause mache, kann der Arbeitgeber das schwer verbieten. Während der Arbeitszeit private eMails abrufen, facebooken, YouTube-Videos schauen, das darf der Arbeitgeber alles verbieten. Auch wenn es bis jetzt gestattet war und es dann verboten wurde, muss man das ernst nehmen. Die AK hat auch eine Facebook-Seite, da muss ich während der Arbeitszeit ab und zu reinschauen. Jede Internetnutzung im Rahmen der Arbeit ist in Ordnung.

Viele sehen Facebook als privaten Raum an.
Jeder sollte sich überlegen, inwieweit der Datenschutz in diesen Medien wirklich gewährleistet ist – nämlich gar nicht. Wenn einen jemand interessiert, dann google ich ihn. Was da dann geschrieben steht, liegt in der Verantwortung des Einzelnen.

Regeln: "Wir sind digitale Messies"

Wer ein paar einfache Regeln einhält, kann das Internet für sich arbeiten lassen. Der Buchautor von „Karrierefalle Internet“, Klaus Eck, würde sowieso niemanden einstellen, der auf Social-Media-Plattformen nicht anzutreffen ist.

Kontakte aktiv pflegen Einen Freund zu entfernen ist nicht schwieriger als einen zu adden. Klaus Eck sagt: „Wir sind digitale Messies, geben Freundschaften nicht gerne ab. Aber man sollte Kontakte regelmäßig überprüfen und Freunde aussortieren.“

Online sein Eck findet Online-Präsenz wichtig, nicht nur der Kontakte wegen. „Man braucht keine Angst zu haben, dass man wegen Facebook einen Job nicht bekommt oder ihn verliert, wir alle mögen in Wahrheit reale Menschen.“

Alle Kanäle bedenken Nicht nur auf Facebook sollte man sich laut Eck mit Befindlichkeiten zurückhalten, sondern auch in eMails, Telefonaten, Twitter usw. Ebenso wichtig: Ein in sich runder Auftritt auf allen Kanälen.

Verantwortung Nicht abfällig über das eigene Unternehmen oder Mitbewerber reden, sollte selbstverständlich sein. Nicht selbstverständlich ist es für viele, die sozialen Netzwerke für ihre Anliegen zu nutzen und ihre Reputation gezielt zu entwickeln. „Wenn ich nichts tue, muss ich mich mit dem zufrieden geben, was andere über mich schreiben.“

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Kommentar

Kommentare