Viktor Gernot: "Jedes Programm ist ein Wagnis"
Er komme aus Telfs, sagt der KURIER-Fotograf. "Ah, im Hotel Munde in Telfs hab’ ich meine Unschuld verloren", antwortet Viktor Gernot. Damals war er im Schwimm-Junioren-Nationalteam. Für die Karriere als Sportler reichte es nicht, für 25 Jahre im Showbiz schon. Am Montag eröffnet der 49-Jährige das Wiener Kabarettfestival. Mit KURIER Karrieren sprach er über Existenzängste, Lampenfieber und junge Künstler.
KURIER: Sie feiern 25 Jahre: Wie war Ihr erster Kabarettauftritt?
Viktor Gernot: Das war mit Michael Niavarani in "Wienwienie" im Graumanntheater, für Gottes Lohn, neun Leute auf der Bühne, fünf im Publikum. Es war super, besser als mein erstes Mal (lacht).
Wie kamen Sie dazu?
Der Nia hat dort eine Schauspielausbildung gemacht. Ein paar Wochen später habe ich mitgespielt.
Sie nennen sich "Freistilkünstler." Wie wichtig ist Ihnen Freiheit?
Sehr. Unsere Gesellschaft schubladisiert gern. Mich auch, aber das ist mir wurscht. Ich habe den Vorteil, auch als Schauspieler und Musiker tätig zu sein.
Muss man so vielseitig sein?
Vom Kabarett können in Österreich nur wenige leben, dazu zähle auch ich. Aber du hast keine Sicherheit. Jedes Programm, jeder Spielort ist ein Wagnis.
Existenzängste kennen Sie also?
Die werde ich bis zu meinem letzten Tag haben, so gut kann es gar nicht laufen. Darüber diskutiere ich oft mit Nia oder Andi Vitasek. Die Zeiten, wo man selbst Flugzettel verteilt und vor fünf Zuschauern gespielt hat, vergisst man nicht.
Wie prekär mussten Sie arbeiten?
Ich habe nur einmal die Arbeitslose in Anspruch genommen und wollte nie wieder hin. Ich kenne aber talentierte Kollegen mit Problemen, durchgehend beschäftigt zu sein.
Hatten Sie je einen Job außerhalb der Kunst?
Ich studierte zwei Semester Handelswissenschaften. Ein Schulfreund meinte, wir verdienen uns später als Vermögensberater deppert. Mir war schnell klar, das geht sich nicht aus.
Sie wechselten ins Musical-Fach. Was sagten Ihre Eltern dazu?
Meine Eltern haben mir nie Steine in den Weg gelegt, die Ausbildung war seriös. Ich habe früh von Kunst leben können.
Wie gehen Sie an ein neues Kabarettprogramm heran?
Sechs bis acht Monate vor Spielbeginn hat man Thema, Titel und Pressefoto. Dann legt sich ein Schalter um: Ich bin aufmerksam, wenn ich ein Gespräch höre, ein Buch lese, Nachrichten schaue, habe immer mein Moleskine für Ideen dabei. Heiß wird es die letzten drei Monate: Dann schreibe ich ein Szenenbuch und probe. Dann wird man vom Autor zum Darsteller, außer Arbeit gibt es nichts.
Man weiß vorher nicht, was herauskommt. Macht das nicht Druck?
Das weiß man sowieso erst vor Publikum. Man denkt, die Pointe ist der Bringer, und dann schaut das Publikum verständnislos drein. Oder es macht bei einem Zwischenthema plötzlich Halligalli. Dann muss man sich stärker darauf konzentrieren.
Das heißt, Sie schreiben auch um?
Wenn der eigene Geschmack nicht als lustig befunden wird, muss man umschreiben. Die letzte Vorstellung mit Nia hatte mit der ersten nur mehr peripher zu tun. Aber ich teste meine Programme in Vor-Vorstellungen ab. Das hilft bei Lampenfieber.
Sie haben noch Lampenfieber?
Die gedanklichen Szenarien gehen von "ich vergesse den Text" bis zu "jemand in der ersten Reihe stirbt". Bei meinem Programm "Im Glashaus" freu’ ich mich inzwischen, wenn ein Scheinwerferlamperl durchbrennt oder die falsche Toneinspielung kommt. Dann ist man zum Gestalten gezwungen.
Ihr Tipp für den Nachwuchs?
Die Auswahl des richtigen Managements ist so wichtig wie die des Lebenspartners. Es muss klar sein: Der Auftraggeber ist der Künstler. Gibt ein Manager dir das Gefühl, du darfst bei ihm spielen, geh nicht hin.
Welche Fähigkeiten braucht man?
Talent, Hartnäckigkeit, das Quäntchen Glück, Disziplin, gutes Management und soziale und emotionale Intelligenz.
Österreichs Kabarettszene wirkt verhabert – ist da überhaupt Platz für neue Gesichter?
Was heißt verhabert ... Es ist ja positiv, wenn man Leuten Arbeit gibt, die man kennt und wertschätzt. Wir nehmen einander nix weg. Als Neuer Fuß zu fassen ist so schwierig wie in anderen Berufen auch.
Sie haben 2013 eine siebenmonatige Auszeit gemacht. Warum?
Nach 25 Jahren Durcharbeiten hatte ich Ermüdungserscheinungen. Vorher hätte ich keine Auszeiten zugelassen, wegen der Existenzängste.
Was wären Sie ohne die Bühne?
Ein frustrierter Lehrer für Deutsch und Geschichte, der andere mit Bandgründungen und Theaterproduktionen nervt.
Viktor Gernot Nach Schwimmgymnasium und Kurzausflug an die WU Wien studierte Viktor Gernot von 1986 bis 1989 am Konservatorium Wien Musical und spielte nebenbei in Bands. 1988 erster Kabarett-Auftritt im Graumann-Theater, später moderierte er u. a. die ORF-Show „Sapperlot“. Aktuelles Programm: „Im Glashaus“. Gernot ist ständiger Gast in der ORF-Sendung „Was gibt es Neues“ und künstlerischer Leiter des Wiener Kabarettfestivals.
Wiener Kabarettfestival Von 21. bis 26. Juli treten im Wiener Rathaus neben u. a. Viktor Gernot, Gery Seidl, Thomas Stipsits, Verena Scheitz und die Comedyhirten auch die Gewinner der Talenteshow auf. wienerkabarettfestival.at
Kommentare