Verheddert im Netz

Unternehmen sind in virtuellen Netzwerken unvorsichtig und unbedarft

Vor einem Jahr machten Mitarbeiter auf dem Twitter-Account ihres Arbeitgebers HMV ihrem Ärger Luft: Sie berichteten "live from HR" von ihren Entlassungen. Wären die Mitarbeiter nicht schon gekündigt worden, wäre die empörte Zwitscherei wohl ein Entlassungsgrund gewesen: Soziale Netzwerke wie Twitter oder Facebook können für Mitarbeiter wie Unternehmen zur digitalen Fallgrube werden. Wenn der Ruf der Firma in aller virtueller Öffentlichkeit ramponiert wird. Oder man die eigene Karriere gefährdet – aus linkischer Social-Media-Inkompetenz heraus. Wie der US-Kongressabgeordneten Anthony Weiner, der das Foto seiner ausgebeulten Boxershorts nicht nur der Geliebten, sondern der Welt zwitscherte.

Auch österreichische Unternehmen sind nicht vor virtuellen Missetaten gefeit: 63 Prozent nutzen Social Media für Unternehmenszwecke, ergab eine aktuelle Studie zum "Safer Internet Day", der am Dienstag stattfand. Bei 25 Prozent gab es Probleme mit dem Online-Verhalten der Mitarbeiter, sechs Prozent haben Mitarbeiter deswegen gekündigt.

Richtlinien

In vielen Unternehmen fehlten Richtlinien für die Mitarbeiter, sagt Maximilian Schubert, Generalsekretär des Verbands der österreichischen Internetwirtschaft (ISPA) und Auftraggeber der Studie. Die Mitarbeiter warnt der Experte davor, allzu sorglos Tweets und Postings über Job und Arbeitgeber zu verbreiten. Das sei nämlich keineswegs Privatsache: "Der Mitarbeiter hat eine Treuepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber. Negative Äußerungen können zur Kündigung führen. "Zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter müsse klar vereinbart werden, ob und wann auf virtuelle Netzwerken in der Arbeitszeit gesurft werden dürfe. "Es steht dem Dienstgeber frei, dem Mitarbeiter die Nutzung zu verbieten", so Schubert.

Mitarbeiter, die sich über Facebook und Twitter fehlverhalten, Interna über das Unternehmen ausplaudern oder den Arbeitgeber schlecht dastehen lassen, wird es künftig vermehrt geben. Denn wo die Kommunikation zunimmt, nehmen auch die Kommunikationspannen zu, ist das Fazit einer Untersuchung des Professors Michael Hulme von Social Futures Observatory. Laut seinen Erkenntnissen nutzen 82 Prozent der Beschäftigten Twitter und Facebook im Job. Hulme befragte mehr als tausend Entscheider in zehn Ländern weltweit.

"Es steht dem Dienst­geber frei, dem Mitarbeiter die Nutzung zu verbieten."Maximilian SchubertGeneralsekretär ISPADamit Unternehmen sich nicht im virtuellen Netz verheddern, muss nicht nur die Social-Media-Nutzung der Mitarbeiter klar definiert sein, sondern auch der Unternehmensauftritt selbst. Viele Firmen würden dazu tendieren, "ins Blaue hinein loszulegen", sagt Schubert. Sie täten gut daran, ihre Ziele zu überlegen: "Die Frage ist: Will das Unternehmen seine Bekanntheit steigern oder die Kundenbetreuung verbessern", so Schubert.

Kompetenz

Was Hulme noch herausfand: Nur ein Drittel der Beschäftigten habe die nötigen Kompetenzen für Social Media. Zwar gebe es die jungen, internet- und sprachbegabten Mitarbeiter, aber: "Ein Unternehmen sollte die breite Masse weiterbilden, nicht nur einige Auserwählte." Für das Marketing auf Twitter und Facebook sollten jedenfalls Profis ran, rät Schubert. Denn Marketing sei eine Wissenschaft – "und Marketing über Social Media eine neue Facette."

Die erfolgreiche Nutzung der Facette bleibt den Großen vorbehalten: Eine aktuelle Studie der WU Wien ergab, dass sich die Präsenz in Social Media kaum auf den Unternehmenserfolg von Klein- und Mittelbetrieben auswirkten. Die Studienautoren vermuten Personalmangel und fehlendes Wissen als Ursache. Oder es sei einfach nicht das, was ihre Zielgruppen wollen, ergänzt Schubert: "Nicht immer sind Social Media der Stein der Weisen."

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