In den Geschäften steht man aktuell Schlange – viele Kassen bleiben unbesetzt. Einen raschen Beratungstermin bei der Bank kann man vergessen – die Kollegen sind im Urlaub. Und das Lieblingsrestaurant sperrt früher zu – die Servicekraft ist ausgefallen. Kurz: es fehlen die Arbeitskräfte, noch mehr als sonst.
Anna Nowshad, Partnerin im Consulting bei Deloitte Österreich ist diese Tendenz ebenfalls aufgefallen: „Es ist ein Spannungsverhältnis. Seit einigen Jahren können wir beobachten, dass Firmen deutlich mehr auf ihre Personalkosten schauen, und das bei anhaltendem Fachkräftemangel.“ Auf Personalreserven mussten einige Firmen aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation verzichten und stattdessen den Gürtel enger schnallen, erklärt sie. Diese Lücke mache sich in der Urlaubszeit umso bemerkbarer, da fehlende Arbeitskräfte von den übrigen Kollegen nur schwer kompensiert werden können und der „Spielraum für Extrapersonal“ nicht mehr leistbar ist.
Gerhard Furtmüller, Verantwortlicher für Personal, Führung, Organisation an der WU Wien, sieht die veränderte Arbeitsstruktur als einen weiteren Grund für die Mitarbeiterlücke: „Unternehmen waren lange Zeit verwöhnt, was die Mitarbeitersuche angeht. Es war ein Arbeitgebermarkt, in dem man relativ leicht Personal gefunden hat.“
Das habe sich gedreht, was dem Experten besonders in der Tourismusbranche auffällt: „Damals hat man den roten Teppich ausgerollt, wenn der Bundespräsident gekommen ist und heute, wenn der Chefkoch kommt.“ Deswegen rücken Mitarbeiter auf der Prioritätenliste nun sogar vor die Kunden, meint er. Beispiel: „Selbst in der Hochsaison findet man Betriebe mit Ruhetagen.“
Mehr Arbeit?
Wenn man weniger Mitarbeiter hat, muss man den Betrieb runterfahren, summiert Gerhard Furtmüller. Nur sei das meist nicht umsetzbar. Stattdessen erwarten Firmen von den kleiner werdenden Teams die gleiche Leistung: „Unternehmen wollen nichts liegen lassen und setzen deswegen auf eine effizientere Verteilung der Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter“, erklärt Anna Nowshad.
So werden Produkte und Dienstleistungen angeboten, die einfacher zu bearbeiten sind und für die man im besten Fall auch kein speziell ausgebildetes Personal braucht, sagt Furtmüller: „Die Teams werden schlanker, agiler und flexibler.“ Dafür lagere man auch Arbeitsschritte aus, gibt sie an Externe ab. Das bestätigt Nowshad, sie rät Firmen, auf flexiblere Arbeitsverhältnisse zurückzugreifen: „Wir merken, dass der Arbeitskräftemangel einfacher abgefedert werden kann, indem man mehr auf die flexible Nutzung von Fähigkeiten der Mitarbeiter und weniger auf einzelne fixe Jobs abzielt.“
Wie nachhaltig diese Personal-Maßnahmen sind, wird sich zeigen, meint Furtmüller. Klar sei jedoch, dass die Rahmenfaktoren extremer werden: „Es war immer schon ein Auf-und-Ab-Zyklus. Mittlerweile haben wir es aber mit multiplen Krisen zu tun, die nicht leicht lösbar sind. Als Unternehmen muss man aktiv werden, sich adaptieren und neu strukturieren.“ Bei all den Strategien sollte man zudem eines nicht aus den Augen verlieren: „Der Sommer galt früher als Pause. Das ist heute so nicht mehr spürbar.“
In den vergangenen Jahren sei die Arbeit mehr geworden und die Ruhephase verkürzt. „Wenn man immer auf 100 Prozent geht, besteht die Gefahr des Ausbrennens“, so Furtmüller. Dabei sei das nicht nur für die Mitarbeiter wichtig, sondern auch für den Betrieb: „Innovation und Motivation entstehen im Sommerloch, also in der Durchschnaufpause.“
Wie Firmen mit dem Mitarbeiter-Sommerloch umgehen? Der KURIER fragt nach.
„Flautezeiten gibt es nicht mehr“
Christoph Kargl, Geschäftsführer von LTS Transport
„Den Arbeitskräftemangel spüren wir leider vor allem im Sommer“, sagt Christoph Kargl (im Bild links), Geschäftsführer der Transport- und Logistikfirma LTS, – und nennt auch gleich den Grund für das Sommerloch: „In unserer Branche gibt es viel Personal mit Migrationshintergrund. Es ist üblich, dass sie die Sommermonate in der Heimat verbringen wollen.“
Wie die Firma die Arbeitslast trotzdem stemmt? „Wir versuchen, es bestmöglich zu kompensieren. Viele Mitarbeiter sind besonders fleißig, verzichten auf den Urlaub und machen Überstunden. Sie verdienen gutes Geld im Sommer.“ So sei das Problem für Kargl jedoch noch lange nicht gelöst: „Als Arbeitgeber finde ich das nicht nachhaltig. Jeder braucht einmal eine Pause.“ Mehr Personal einzustellen wäre zwar eine Option, wenn sich tatsächlich interessierte Bewerber melden würden. „Viele melden sich nur für den AMS-Stempel, damit sie den Sommer für sich nutzen können“, sagt der Geschäftsführer.
Saisonbetrieb
Unter dem Jahr falle der Arbeitskräftemangel weniger auf: „Wir sind ein Kleintransportunternehmen mit 550 in Vollzeitanstellungen, das reicht normalerweise aus.“ Die Hochsaison sei im Oktober, „da gehen die Bestellungen extrem in die Höhe.“ Der Sommer galt bisher immer als Flautemonat: „Die Bestellungen sind da eher zurückgegangen, also mussten wir nichts kompensieren“, erzählt er. Erst durch Angebote wie „Amazon-Prime-Week“ sei die Nachfrage rapide angestiegen – und der Sommer zu einer Herausforderung geworden.
Was tun? „Führungskräfte und Abteilungsleiter müssen mehr in die Offensive gehen, um die Dienstnehmer zu halten“, meint Kargl und listet Prämien oder Boni als Anreize. „Den Langzeiturlaub kann man nicht unterbinden und das wollen wir auch gar nicht, aber wir wollen das Bleiben schmackhafter machen, um Ausfälle zu vermeiden.“ Längere Lieferwartezeiten oder gar ein Stillstand seien keine Option: „Wenn es einen Mangel gibt, muss man die Mehrleistung woanders erbringen.“
„Ich suche nach lieben Menschen, die Interesse am Handwerk haben“
Serge Bensa-Cruz, Eigentümer von „Bros. Pizza“
Serge Bensa-Cruz, Eigentümer von „Bros. Pizza“ in Wien, merkt nichts vom Sommerloch: „Es gibt vielleicht einen Fachkräftemangel, aber keinen Mangel an jungen Leuten, die Arbeit suchen“, ist er sicher. In seinem Lokal stellt er nämlich nicht nur Fachkräfte, sondern „gerne auch Leute, die gar keine Erfahrung in der Gastronomie haben“ ein.
Sein Fokus liegt auf der Motivation und Persönlichkeit der Bewerber: „Ich erwarte mir viel von meinen Mitarbeitern und nehme nicht jeden. Deswegen suche ich nach lieben Menschen, die Interesse am Handwerk haben.“ Die Einschulung der Anfänger übernimmt der Chef selbst und bildet sie, je nachdem, zu Servicekräften oder Pizzabäckern aus.
Mehr als Geld
Derzeit hat Bensa-Cruz zwölf Angestellte. Und schon bei der Menge müsse man damit „rechnen, dass immer jemand auf Urlaub sein wird. So soll es auch sein und das weiß jeder“, sagt der Gastronom. Er selbst rechnet immer mit einer vollen Mannschaft – plus eins: „Man muss auf Reserve denken. Es kann ja auch zu Krankheitsfällen kommen.“
Seine Urlaubsdevise: Der Chef isst zuletzt. Warum? „Natürlich kann man die Extraarbeitslast einfach auf das Team abrollen, aber das ist nicht nachhaltig“, sagt er. „Nachhaltiger ist es, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen.“ Das Team sei dann widerstandsfähiger, gehe die Extrameile freiwillig, „und nicht weil man sie zwingt, zusätzliche Belastungen zu tragen.“ Und geleistete Überstunden würden ohnehin ausgeglichen.
Serge Bensa-Cruz‘ Ass im Ärmel: „Ich laufe nicht jedem Euro nach.“ Stattdessen investiert er in den Teamgeist und nimmt seine Mitarbeiter öfter auf Betriebsausflüge mit – heuer auf ein Musikfestival in Linz.
„Engpässe gab es schon immer“
Günther Rossmanith, Franchisenehmer des „Mango“
„Engpässe gab es schon immer“, sagt Günther Rossmanith, Franchisenehmer des „Mango“ auf der Mariahilfer Straße. „Meine Eltern haben immer gesagt, dass man im Sommer keine Arbeitskräfte findet. Der Arbeitgeber ist das AMS und der Arbeitsplatz die Donauinsel“, erzählt er. Diese Schilderung deckt sich mit seinen Erfahrungen in der Modebranche, denn auch er bekommt im Juni und Juli kaum Bewerbungen. „Wobei ich noch Glück habe“, meint er. „In unserem Geschäft geht es um schnelles Ressortieren der Ware, denn um Kundenberatung. Branchen, wo Kundenberatung im Fokus steht, haben aktuell sehr mit Personalmangel zu kämpfen.“
Mitarbeiter hat Rossmanith aktuell noch zu Genüge – 41 an der Zahl, die meisten sind teilzeitbeschäftigt : „Seit Herbst haben wir ausreichend Bewerbungen, aber selbst nach dem Auswahlverfahren bleibt nur ein Drittel über die Probezeit hinaus.“ Auf solche Fälle bereitet er sich aber vor und hält die Zahl seiner Mitarbeiter derzeit höher, als er braucht, „damit wir eine Reserve haben.“ Von der Modebranche weiß er, dass „man sich knapper hält“. „An der Miete kann man leider nicht schrauben. Dann kommt es schon vor, dass man weniger Aushilfskräfte einstellt und die Belegschaft generell reduzieren muss.“
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