Unternehmensberater: Aufstieg oder du bist weg

Burkhard Schwenker ist CEO von Roland Berger. Beim Interview war er entspannt und niemals ohne Zigarette
Sie haben lange Arbeitstage, viel Stress, wenig Zeit für Privates. Burkhard Schwenker, CEO der Strategieberatung Roland Berger, über die Spezies Unternehmensberater.

Gerade ist Burkhard Schwenker aus São Paolo gekommen. Der CEO von Roland Berger Strategy Consultants spricht auf dem Roland Berger Symposium in Wien. In zwei Tagen geht es nach Paris. Burkhard Schwenker reist viel, trotz seiner Flugangst – "Mit ihr kann ich umgehen." Als Berater muss man mit so einigem umgehen: mit enormem Arbeitsdruck, wenig Freizeit und kaum Raum für Emotionen.

KURIER: Ich beschreibe Ihnen ein Unternehmen: starre Hierarchien, wenig unternehmerisch geführt, wenig Teamgeist, hoher Arbeitsdruck, 80-Stunden-Wochen. Ist das gute Führung?Burkhard Schwenker:

Dieses Szenario passt nicht wirklich zu guter Führung, die nah am Menschen ist. Gleichwohl, diese Unternehmen gibt es. Die entscheidende Frage ist: Ist das Topmanagement bereit für Veränderung?

Ich habe soeben wiedergegeben, was Ihre Mitarbeiter über Roland Berger Deutschland auf der Bewertungsplattform Glassdoor unter "Nachteilen" gepostet haben.

Das schockiert mich jetzt nicht. Es würde mich eher verunsichern, wenn auf solch einer Webseite nur Lob zu finden wäre. In Gefahr ist eine Unternehmenskultur dann, wenn man so etwas nicht aussprechen darf.

Unter den Vorteilen steht: "hohe Lernkurve, hohes Gehalt, tolle Herausforderung, viel Gestaltungsfreiraum, kompetente Kollegen".

Hört sich doch gut an.

Die Mitarbeiterfluktuation in der Branche ist mit nur drei Jahren aber besonders hoch.

Weil Beratung gerade für Berufseinsteiger faszinierend ist. Sie haben die Chance, in kurzer Zeit viel zu erleben, können spannende Klienten, die Welt kennenlernen. Die Fluktuation liegt bei uns bei fünf Jahren und ist nichts Schlechtes: Es kommen neue Köpfe hinzu, die auf dem neuesten Stand der Ausbildung sind, unser Alumni-Netzwerk erweitert sich.

80 Stunden-Wochen, ständige Reisen: Die viel propagierte Work-Life-Balance findet man hier nicht.

Das ist Teil unserer Profession. Unsere Klienten erwarten zu Recht hohen Einsatz. Das Reisen empfindet man entweder als Belastung oder als Bereicherung. Ich habe es immer als bereichernd empfunden, habe hautnah miterlebt, als die Mauer und der Eiserne Vorhang fielen.

Gerade die Generation Y fragt nach Work-Life-Balance. Ist das bei Ihren Bewerbern anders?

Ich habe den Eindruck. dass sich das phasenweise ändert. Jetzt scheint eine Phase zu sein, wo die jungen Menschen wieder Herausforderungen wollen. Aber wir achten durchaus auf die Entlastung unserer Mitarbeiter, bieten Sabbaticals und Teilzeit und schicken sie nicht zwingend von einem Projekt direkt ins nächste.

Wie sieht die Arbeitswoche eines Junior Consultant aus?

Sonntags packt man den Koffer und ist drei, vier Tage unterwegs. Nicht immer nach Schanghai oder São Paolo, sondern auch nach Bielefeld oder die Schwäbische Alb. Freitags oder montags gibt es Bürotage, als Gegenpol zur Virtualität. So bleibt ein Gefühl von Heimat.

Wie halten Sie die Besten?

Indem wir ihnen Herausforderungen, Weiterentwicklung bieten und darauf achten, dass die Arbeit nicht ausufert.

Wie lässt sich der Job mit Familie vereinbaren, gerade für Mütter?

Wenn jemand sechs Monate nicht reisefähig ist, wird er beispielsweise in der Produktentwicklung eingesetzt. Doch auch als Mutter muss eine Beraterin mobil bleiben. Wir unterstützen Familien aber bei der Suche nach Kinderbetreuung. Unser Frauenanteil nimmt bei den Consultants kontinuierlich zu, aber auf Partnerlevel ist es noch etwas schwieriger.

Führung wird komplexer. Wie verändert sich die Rolle des Beraters?

Vor 20 Jahren erstellten Berater überwiegend Konzepte und Planungstools. Heute entwickeln wir Szenarien, setzen gemeinsam mit dem Klienten schnell Strategien um – der Veränderungsdruck ist enorm. Heute zählt der gute Rat wieder, basierend auf Erfahrung.

Welche Fähigkeiten braucht man?

A cool head, a warm heart and working hands. Ein Berater braucht einen analytischen Verstand, muss Menschen mögen, Vorbild sein. Und er muss bereit sein, 80 Stunden die Woche zu arbeiten, wenn das Problem groß ist. Ein guter Berater weiß, wie viele Kompromisse ein Konzept verträgt. Es braucht Überzeugungskraft, Mut, Erfahrung.

Man hört, intern kämpft jeder für sich. Sind Berater nicht teamfähig?

Beratung funktioniert nur im Projektteam. Beraterarroganz ist fehl am Platz, man muss anerkennen, wenn andere gute Ideen haben. Teamfähigkeit und Demut gehören dazu. Das lernt man im Lauf der Karriere.

Berater werden auch für Mitarbeiterabbau geholt. Müssen sie knallhart und emotionslos sein?

Als Berater muss man knallhart in der Analyse sein – und dennoch empathisch. Restrukturierung entsteht aber nicht, weil der Berater im Haus ist, sondern, weil vorher etwas schiefgegangen ist. Ziel einer Restrukturierung ist immer, den Unternehmenskern zu retten und vielleicht nicht 100 Prozent, aber 75 Prozent der Arbeitsplätze. Die meisten Projekte sind aber Wachstumsprojekte – es geht um Zukunftsszenarien.

Wie haben Sie es nach nur drei Jahren zum Partner geschafft?

Ich hatte promoviert und bereits Erfahrung in der Industrie gesammelt. Heute braucht ein Berater acht bis zehn Jahre.

Was hat Sie damals ernüchtert?

Dass zwischen zwei Projekten wenig Zeit blieb, sich über Erfolge zu freuen. Das regeln wir heute besser.

Der BWL-Absolvent (*1958) kam nach einigen Jahren in der Industrie und seiner Promotion 1989 zu Roland Berger Strategy Consultants. 2003 wurde er CEO des 1967 gegründeten Unternehmens. 2010 übernahm er den Vorsitz des Aufsichtsrats, seit Mai 2013 führt er erneut als CEO weltweit 2700 Mitarbeiter in 36 Ländern. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Hamburg.

„Dieser Tag kommt einem echten Arbeitstag im Leben eines Beraters sehr nahe“, sagt Robert Dominovic. Was der Senior Consultant bei der Strategieberatung Roland Berger in Wien meint, ist: Vor ein völlig unbekanntes Problem gestellt werden. Unter Zeitdruck plausible Annahmen über die Zukunft treffen. Überzeugende Lösungen erarbeiten. Diese an einen kritischen Kunden verkaufen. Konkret heißt das: Stress für die zwölf Studierenden und Teilnehmer der hauseigenen Vienna Case Challenge 2014 . „Convince or confuse – den Kunden überzeugen oder verwirren“ nennt später einer der Studierenden die angeblich perfekte Strategie für das Präsentieren seiner Idee. Für ihn und seine Mitstreiter die alle bald ins Berufsleben einsteigen, ist Consulting der Traumjob. Wie er geht, haben sie theoretisch im Studium gelernt. Was sie wirklich erwartet, proben sie hier.

Die heurige Vienna Case Challenge ist aber anders. Es gibt nicht, wie sonst, ein betriebswirtschaftliches Problem zu lösen. Die Mission: Maßnahmen definieren, mit welchen sich Wien als eine der lebenswertesten Städte der Welt auch in zehn Jahren auf den obersten Plätzen der Rankings hält.
Ratlos ist bei der Aufgabe niemand. Zweieinhalb Stunden grübeln die Studierenden in drei Gruppen am Konzept. Wie echte Berater: In Gruppen, am Flipchart Ideen skizzierend, über den Unterlagen brütend, mit Deadline. Die Büroräume sind stickig, die Uhr tickt. Die eine, einzig wahre Strategie gibt es natürlich nicht. Alle drei Teams haben innovative Ideen, neue Ansätze. Und bringen diese in perfektem Englisch in rund 20-minütigen Präsentation rüber, unangenehme Zwischenfragen der Kunden – der Roland Berger Consultants – inklusive. Die beste Lösung kommt schließlich von den Strategy, Innovation and Management Control Studierenden der WU, Michael Austerer, Juliane Telega, Enno Krey, und Olena Zagorodna: Wien soll eine Anlaufstelle für Start-ups aus ganz Europa werden.

Reich und erfolgreich?

Wo es im echten Berater-Leben jetzt eine Provision gäbe, bekommen die Studierenden eine Flasche Sekt. Jedoch freue man sich über Bewerbungen der Teilnehmer. „Dass es nicht gleich eine Stelle zu gewinnen gibt, ist aber eh klar“, so Austerer. Wünschen würden sich das dennoch viele. Was aber lockt junge, ehrgeizige Menschen in eine Arbeit, die sonst nicht viel vom Leben überlässt? Das viele Geld? „Nicht nur“, sagt Telega. „Man hat ohnehin keine Zeit, es auszugeben.“ Viele Kontakte knüpfen und ein Gerüst entwickeln, um Probleme anders lösen zu können, ist, was den Job attraktiv macht. „Man weiß ja, worauf man sich einlässt“, sagt Krey. „Von Montag bis Donnerstag beim Kunden, vielleicht hat man das Wochenende frei. 60 Arbeitsstunden die Woche sind realistisch“, ergänzt Austerer. „Die ersten drei Jahre sind auf jeden Fall hart“, so Zagorodna. Das schlägt sich im Lebenslauf nieder. Die Beratung sei ein gutes Sprungbrett, aber kein langfristiges Karriereziel. Was einschüchtert, ist die Vereinbarkeit von Familie und Job und die Aussicht, dass die Arbeit niemals weniger wird. „Bei 60 Stunden ist doch keiner mehr produktiv. Die Leute brennen aus, trauen sich nicht Neinsagen und schmeißen den Job schließlich hin. Das bringt doch keinem was“, so Austerer.
Ihrer Berater-Sache ist sich das Team bei der Case Challenge jedenfalls sicher. Was die größte Herausforderung an dem Tag war? Sie lachen. „Gut auf den Bildern auszusehen.“

- Magdalena Vachova

Sie heißen McKinsey, A.T.Kearney, Boston Consulting Group und Deloitte. Die globalen Beratungsfirmen bieten viel Geld für harte Arbeit. Laut einer Gehaltsstudie der deutschen Vergütungsberatung PersonalMarkt liegen die Jahresgehälter für Berufseinsteiger (Associate) zwischen 49.000 und 59.000 Euro brutto. Junior-Berater verdienen zwischen 66.000 Euro und 76.000 Euro brutto, Senior-Consultants kommen auf 88.000 bis 94.000 Euro brutto. Wer es zum Partner schafft, kann sein Konto jährlich mit 140.000 bis 240.000 Euro füllen. Spitzenverdiener können auch mehr als 400.000 Euro im Jahr schaffen.

Rauf oder raus

Der Aufstieg erfolgt umsatzbezogen. Die Branchenregel lautet „up or out“: Entweder du steigst auf, oder du bist raus. Doch für viele Berufseinsteiger ist die Strategieberatung ohnehin „nur“ das Karriere-Sprungbrett in andere gut dotierte Jobs in der Wirtschaft. Die großen Beratungsfirmen in ÖsterreichMcKinsey, A.T. Kearney, Deloitte und Boston Consulting Group (BCG) – offerieren bereits für Studierende Praktika von acht bis zwölf Wochen . Für den Beraterjob gesucht werden in der Regel Studienabsolventen aller Fachrichtungen. BCG bietet schon Bachelor-Absolventen den Einstieg als Junior Associate, will man es zum Consultant schaffen, ist ein MBA einer Top-Universität vorzuweisen. Alle genannten Beratungsfirmen bieten einen individuellen Trainingsplan, finanzieren die Weiterbildung, bieten Freistellung fürs Studium, Mentoring für Berufseinsteiger und Sabbaticals für Mitarbeiter.

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