Unis im Drittmittelrausch

Unis im Drittmittelrausch
Die heimischen Unis haben mehr Geld eingesammelt als je zuvor. Ist jetzt alles gut?

Niklas Luhmann, einer der bekanntesten Gesellschaftstheoretiker des 20. Jahrhunderts, antwortete auf die Frage nach seinem Forschungsprojekt im Jahre 1969 gelassen: "Theorie der Gesellschaft; Laufzeit: 30 Jahre; Kosten: keine."

Nach heutigen Maßstäben wäre Luhmanns Projekt wahrscheinlich nur schwer realisierbar. Der Zeitraum wäre zu lang, nicht finanzierbar. Forschungsgelder? Wohl kaum. Heute müssen Unis zunehmend ökonomische Ansprüche erfüllen, die externe Finanzierung durch Drittmittel wird immer wichtiger. Im Durchschnitt haben die meisten Unis ihre eingeworbenen Drittmittel zwischen 2005 und 2012 in etwa verdoppelt.

Das Prinzip der Drittmittel ist einfach: Ein Wissenschafter hat eine gute Idee, will etwas erforschen, seine Uni hat dafür kein Geld, also richtet er sich an "Dritte", an Förderstellen oder ein Unternehmen. In die andere Richtung: Eine Organisation will etwas erforschen und erteilt einer Uni einen Auftrag oder man gründet eine Forschungskooperation. 2012 konnten die heimischen Unis gesamt 587 Millionen Euro an Drittmitteln einwerben. Ein elementarer Zuwachs, wie der Vergleich mit 2006 zeigt: Damals waren es bescheidene 363 Millionen Euro.

Die Spitzenreiter

Den verhältnismäßig höchsten Drittmittelanteil am Gesamtbudget hat die Montanuni Leoben mit rund 38 Prozent, das sind in absoluten Zahlen 24,9 Millionen Euro, bei einem Gesamtbudget von 66,6 Millionen. "Natürlich soll der Anteil weiter steigen, aber nicht um jeden Preis", sagt der Sprecher der Uni auf Anfrage. Die Universität Wien hat ihre Drittmittel-Einnahmen in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht, 2012 waren es 77 Millionen Euro, bei einem Gesamtbudget von 522 Millionen. Die Drittmittelquote der Uni Graz ist laut einer Studie des Forschungsrats (siehe rechts) mit elf Prozent unterdurchschnittlich. Doch auch die Uni Graz hat die Drittmittel maßgeblich gesteigert: von 3,8 Millionen im Jahr 2004 auf 21,5 Millionen Euro 2012.

Die Universitäten sind stolz: Stärke in der Drittmittelakquirierung wird als Merkmal für Qualität betrachtet. Innovationsforscher Karl-Heinz Leitner vom AIT: "Ein Großteil der Drittmittelprojekte muss sich im internationalen Wettbewerb beweisen und durch Begutachtungsprozesse. Insofern ist es ein Qualitätskriterium." Die Erfolgswahrscheinlichkeit, Gelder zu bekommen, schätzt Leitner auf 30 Prozent. An einem Antrag arbeiten Forscher bis zu einem halben Jahr. Bitter, wer dann keine Gelder bekommt.

Probleme

Höhere Drittmittel verursachen jedoch neue Probleme. Kürzlich warnte der Vorstand des Bundesverbands deutscher Stiftungen, Wilhelm Krull, in Wien vor einer Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse an den Universitäten durch die Tendenz zur immer stärker werdenden Finanzierung durch Drittmittel. Zudem benötigen Projekte Infrastruktur – und die wird von den Fördergebern nicht finanziert. "Das beginnt bei der Miete für den Raum und den Kosten für Strom und Heizung und geht hin bis zu den Kosten für die Anschaffung und den Betrieb der Geräteinfrastruktur", erklärte der Leiter des Finanzwesens der Uni Wien, Alexander Hammer, der APA. Die Basisfinanzierung muss laut Experten daher mit den Drittmitteln mitwachsen. Bisher ist dem nicht so: Das vom Bund zugewiesene Globalbudget stieg zwischen 2005 und 2012 nur um rund 25 Prozent.

Die Montanuni Leoben, die TU Graz und die Universität für Bodenkultur Wien sind jene Unis, deren Budget am stärksten aus Drittmitteln finanziert wird. Die Montanuni kam 2011 etwa auf einen Drittmittelanteil am Budget von rund 38 Prozent, die TU Graz und die Boku liegen bei rund 30 Prozent. Der Schnitt aller Unis beträgt rund 20 Prozent.

Auf die geringste Drittmittelfinanzierung kommen laut einer Studie des Forschungsrats die Kunst-Universitäten. Ebenfalls unterdurchschnittliche Drittmittelquoten weisen die Vetmeduni Wien, die WU Wien und die Uni Graz mit Werten um die elf Prozent auf. Auf die in absoluten Zahlen höchsten Werte bei den eingeworbenen Drittmitteln kommen die Medizin-Uni Wien mit rund 82 Mio. Euro im Jahr 2011, gefolgt von der Uni Wien und der TU Wien mit je 70 Millionen Euro.

Dem Volumen nach wichtigste Geldquellen sind der Wissenschaftsfonds (2011: 128,4 Millionen Euro) und die Auftragsforschung von Unternehmen (126,8 Mio. Euro). Die EU stellte 69 Mio. Euro, die Forschungsförderungsgesellschaft 50 Mio. Euro zur Verfügung.

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