Uni und FH: Zwei Welten
Unis produzieren Bummelstudenten, Fachhochschulen Fachidioten? Eine Uni-Studentin und eine FH-Studentin diskutieren darüber, warum ihre Hochschulform besser ist – und was noch besser geht. Amadea Hiess (21) studiert Biomedical Engineering an der FH Technikum Wien und ist dort stv. Vorsitzende der Studierendenvertretung. Publizistikstudentin Tamara Soffried (23) beginnt nach dem Bakk gerade mit dem Magisterstudium.
KURIER: Wieso sollte man an der Uni studieren, wieso an der FH?
Amadea Hiess: An der FH kann man studieren, wenn man genau weiß, in welche Richtung man gehen will. Für eine spezialisierte Ausbildung, die man zeitgerecht abschließen will, ist die FH das Richtige. Der Studieninhalt ist auf das Wichtigste abgespeckt.
Tamara Soffried: Viele in meinem Studiengang wollen irgendwas mit Medien machen. Ich hatte schon einen klaren Wunsch, der sich während des Studiums geändert hat – vom Journalismus hin zur Werbung. Mir gefällt das selbstständige Arbeiten, nicht alles vorgekaut zu bekommen – und nicht wie in der Schule sitzen zu müssen.
Hiess: Uni-Studierende denken oft, dass wir Hardcore-Anwesenheit haben. Das stimmt nicht, es sind nur ein paar Stunden täglich. Es gibt auch große Veranstaltungen, da zählt keiner nach, ob jeder da ist. Das ist von FH zu FH verschieden. Die Stundenpläne sind schon starr vorgegeben, ich muss mich nicht drum kümmern, wann ich Labor hab’. Bei Prüfungen und Projektarbeiten in höheren Semestern muss man aber auch viel selber einteilen.
Kritisches Denken ist an der Uni, an der FH folgt man brav. Stimmt’s?
Soffried: Das kritische, selbstständige Hinterfragen ist in meinem Studium sehr, sehr wichtig.
Hiess: Ich bemerke, dass Studierende Regeln oft nicht hinterfragen. Das ist aber nicht nur in FH so.
Soffried: Das kommt auch auf die Studierenden an.
Hiess: Die Frage ist, wie oft man in den Naturwissenschaften sagen kann, nein, das stimmt nicht. Die Lektoren sind sehr dahinter, dass sie auf dem neuesten Stand sind.
Soffried: Ja, eine Professorin von uns legt Wert darauf, dass sich Studierende auch bei großen Lehrveranstaltungen einbringen, andere lesen das Skriptum ab.
Hiess: Ob man vortragen kann, hängt nicht davon ab, ob man Forscher oder aus der Praxis ist. Es gibt Leute, die sind auf ihrem Gebiet Spezialisten, aber bringen es einfach nicht rüber. Aber das gibt es sicher überall.
Wie seht ihr die Studienbedingungen an FH und Uni?
Soffried: In Seminare reinzukommen, ist trotz der Zugangsregelungen schwierig. Ich will nicht vier Tage um einen Seminarplatz zittern müssen, wie letzte Woche bei der Anmeldung. Bei uns wird nach einem Punktesystem entschieden, wer ins Seminar reinkommt. Das ist wie Poker.
Hiess: Bei mir ist es wie in der Schule. Ich hab’ einen starren Stundenplan und kann mir mein Fach nicht aussuchen. Ich fände es schon cool, mehrere Fächer wählen zu können. Aber bei uns ist die Spezialisierung festgelegt.
Wie wichtig ist die Berufswahl?
Soffried: Mein Studium ist eine wissenschaftliche Vorbildung, keine Ausbildung. Ich wollte an der FH Journalismus studieren, kam aber nicht rein. Vom Studium an der Uni bin ich mittlerweile sehr begeistert, weil es breiter angelegt ist und ich in verschiedene Gebiete reinschnuppern kann.
Hiess: Ein Bachelor ist bei uns nicht so viel wert. Man ist auch im FH-System gefangen. Wenn ich danach an die TU will, muss ich gleich 30 ECTS nachholen.
Soffried: Der Bachelor ist nicht viel mehr wert als eine Matura.
Wie aufwendig sind eure Studien?
Soffried: Es ist schaffbar. Ich habe das Bakk in Mindestzeit abgeschlossen, muss aber sagen, ich arbeite nicht. Nicht jeder hat das Glück, dass er von zu Hause Unterstützung bekommt. Die Professoren sind sehr unterschiedlich, einige sind streng, andere nicht.
Hiess: Bei der FH ist es so: Fällt ein Studierender aus, ist ein Fördersatz weg. Darum werden Lehrveranstaltungen auch angepasst und Tutorien hochgezogen. Ich habe neben der ÖH auch zehn Stunden gearbeitet. Auch bei Vollzeitstudien an der FH arbeiten viele zehn bis 20 Stunden nebenbei. Flexible Jobs am Abend oder Wochenende sind möglich.
Wie schätzt ihr eure Chancen auf dem Arbeitsmarkt ein?
Soffried (seufzt): Ich schätze das schwierig ein. Aber uns wird klargemacht, dass Media Business kein Spaß ist. Da ist Kämpfen angesagt. Erst durch die Praxis habe ich viel dazugelernt.
Hiess: Ich kann es nicht einschätzen. Biomedical Engineering ist ein Zukunftsfach und interessiert mich. Aber als ich zu studieren begonnen habe, dachte ich, in drei Jahren bin ich ein Profi. Jetzt, am Ende des Bachelors, fühle ich mich noch nicht bereit für den Arbeitsmarkt.
Fakten & Zahlen
Fachhochschulen Der Fachhochschulsektor feierte im Dezember 2014 sein 20-jähriges Jubiläum. Mittlerweile bieten 21 Fachhochschulen 406 Studiengänge an – die Hälfte berufsbegleitend. 43.593 Studierende sind an FH inskribiert, 47 % davon sind Frauen. Die meisten FH heben 363,63 Euro Studiengebühren pro Semester ein.
Universitäten An 22 staatlichen Unis sind mit 273.280 ordentlichen Studierenden sechs Mal so viel wie an FH inskribiert, 53 % sind Frauen. Die Unis bieten 1062 Studiengänge. Seit der Autonomisierung 2004 stieg die Studierendenzahl um 42 %, die Studiendauer sank um drei Semester.
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