Und später werd’ ich Chefin

Der KFZ-Meister ist zufrieden mit seiner Auszubildenden in der Autowerkstatt
Österreichische Betriebe entdecken ihre Lehrlinge als künftige Manager.

Das Mädchen mit der hochgesteckten Frisur und dem Blazer schaut mit keckem Lächeln in die Kamera. "Ich bin Lisa. Ich würde es gern vom Bürolehrling zur Managerin schaffen", sagt sie selbstbewusst.

Lisas Beitrag ist Teil eines Imagevideos, das Lehrlinge eines mittelständischen Unternehmens im Seminar "Youth Leadership" gedreht haben. Patrizia Hoffmann bietet mit ihrem Salzburger Institut "Workshopper" österreichweit und nun verstärkt in Wien Lehrlingsseminare für Unternehmen an, die den Nachwuchs in Sachen Leadership schulen. Dort lernen Lehrlinge im Seminarraum und bei Rollenspielen, wie man mit Konflikten umgeht, im Team kommuniziert und Eigeninitiativen setzt. Und vor laufender Kamera, im Tonstudio und beim Fotoshooting, sich zu präsentieren. Dabei sollen die Jugendlichen ihre Hemmschwellen überwinden, ihre Stärken kennenlernen und selbstbewusster werden – alles Fähigkeiten, die man als spätere Führungskraft benötigt. Hoffmann bemerkt einen steigenden Bedarf nach solchen Trainings, vor allem bei kleinen und mittelständischen Betrieben.

Die besseren Chefs

"Leadership sollte man früh entwickeln. Lehrlinge können das vielleicht sogar mehr als Universitätsabsolventen", begründet sie das. Sie lernten die Produktionsabläufe kennen und wüssten, wie die Mitarbeiter im Unternehmen arbeiten. Im Leadership-Seminar gehe es nicht darum, künftige Chefs zu züchten, "manche erkennen, dass sie eben kein Alpha-Tier sind."

Im Seminar initiieren die Lehrlinge ein Projekt, das sie später im Team umsetzen – wie beispielsweise ein Spendenprojekt für "Ärzte ohne Grenzen" oder einen Autoaggressionsraum für die Mitarbeiter. In den Teams werde sichtbar, wie Leadership funktioniere, so Hoffmann: "Die Jugendlichen teilen ein: Wer ist der Manager, wer ist der Visionär, wer der Assistent?"

Längst setzen die größten Lehrlingsausbildner Österreichs auf Leadership und soziale Fähigkeiten in der Lehre. SPAR, Österreichs größter Lehrlingsausbildner, bildet insgesamt mehr als 2700 Lehrlinge aus. Dazu gehöre, erworbene Kompetenzen in die Praxis umzusetzen, "dazu gehört auch Verantwortung zu übernehmen", sagt Jörg Schielin, Leiter der SPAR-Akademie. In Projekten werden Führungskompetenz und Persönlichkeit der Jugendlichen trainiert, "denn die Lehrlinge sind die Führungskräfte von morgen, die dann ihrerseits Lehrlinge ausbilden."

Die Jugendlichen präsentieren beispielsweise FairTrade-Produkte am Stand, führen zeitlich befristet Warenabteilungen bis hin zum gesamten Supermarkt, treten auf Messen und am Tag der Lehre als "SPAR-Botschafter" auf. Auch Theaterworkshops werden geboten. "Ihre Talente und Stärken sollen so erlebbar werden, die Jugendlichen sollen stolz darauf sein, was sie können", sagt Schielin.

Auch die ÖBB, zweitgrößter Lehrlingsausbildner Österreichs, setzen seit vielen Jahren auf Persönlichkeitsbildung und Führungskompetenz in der Lehre – schließlich übernimmt das Unternehmen einen Großteil von ihnen nach dem Lehrabschluss. "Die jungen Kollegen lernen so schon früh die Kultur und Werte unseres Unternehmens kennen" , sagt Günter Hell, Direktor der ÖBB-Berufsschule und Leiter des Lehrlingswesens. Die Jugendlichen werden im öffentlichen Sprechen trainiert, in Präsentationstechniken, im Umgang mit Druck, in der Anpassung an Veränderungen. Schwerpunkte sind Soziale Interaktion, die eigene Haltung und Werte. Dazu gibt es Prüfungen. "Unsere Lehrlinge werden auch in Sonderprojekten eingesetzt, um soziale Skills praxisnah zu üben", sagt Hell. So arbeiteten sie die NS-Vergangenheit der Bahn in einer ORF-Doku auf, absolvierten im Vorfeld für das Projekt Bewerbungen, führten Interviews mit Zeitzeugen durch und gaben selbst den Medien Interviews.

Ungelöst bleibt ein grundlegendes Problem: Die heimischen Firmen tun sich schwer, geeignete Lehrlinge zu finden (siehe rechts).

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