Wolfgang Hufnagl: Ich will nicht allzu weit in die Vergangenheit greifen, aber Kaiser Franz Josef hat am Anfang des 20. Jahrhunderts befundet, dass es zu wenige Möglichkeiten gibt, technische Geräte im öffentlichen Raum zu servicieren und zu warten. Also hat er die erste Uhrmacherwerkstätte Wiens ins Leben gerufen. Fast hundert Jahre lang wurden dort angehende Uhrmacher ausbildet. Betriebe mussten sich somit nicht um Lehrlinge kümmern. Auch heute werden sie eher selten in Betrieben ausgebildet, sondern von „Jugend am Werk“.
Woran liegt das?
Bei Uhrmacherbetrieben handelt es sich meist um Einzelpersonenunternehmen. Die haben nicht die Zeit. Was verständlich ist, aber wenn wir es nicht schaffen, jedes Jahr sechs Lehrlinge auszubilden, werden wir ein massives Problem haben. Da es auch für „Jugend am Werk“, mit weniger als sechs Lehrlingen, schwierig wird, die Ausbildungen fortzusetzen.
Sechs klingt wenig.
Es ist wenig, aber es ist ein sehr spezialisierter Beruf. Es gibt ja auch gewerbliche Lehrlinge, die im eigenen Betrieb ausgebildet werden. Wir haben die Zahlen im Blick. Bei einem Mangel würden wir aufstocke und nach mehr als sechs Lehrlingen suchen.
Werden denn so viele Uhrmacher gebraucht?
Die Uhr ist das Schmuckstück des Mannes. Und es zeigt sich ein neuer Trend: Quarzuhren rücken in den Hintergrund und mechanische Uhren sind wieder im Kommen. Die sind aber sehr serviceintensiv und müssen regelmäßig gereinigt sowie gewartet werden. Dafür brauchen wir gut ausgebildete Uhrmacherinnen und Uhrmacher.
Uhren werden also komplexer.
Genau, aber dieses Image des Berufs ist noch nicht im öffentlichen Interesse angekommen. Dabei hätte das schon vor zwei Jahrzehnten passieren sollen. Man tauscht nicht mehr nur Batterien und die Bänder aus, sondern arbeitet am offeneren Herzen des Zeitmessers – und das unter größeren Auflagen. Man muss nämlich Zertifizierungen machen, um überhaupt die Uhren einzelner Firmen reparieren zu dürfen und Ersatzteile zu bekommen.
Was erwartet die angehenden Uhrmacher noch?
Die Lehrlingsentschädigung im ersten Lehrjahr liegt bei 963 Euro plus Klimaticket. Man kann also gutes Geld verdienen. Verlangt wird ein Gefühl für Luxus und ein Sinn fürs Schöne. Es handelt sich bei den hochkomplexen Uhrwerken ja auch um Designobjekte. Man muss also die Menschen verstehen, die sich sowas leisten können. Sonst braucht man gute Hände, ein gutes Auge und gutes Sitzfleisch, weil man den ganzen Tag geduldig vor diesen Uhren hockt und Fehler sucht, um sie dann zu beheben. Eine gewisse Detailverliebtheit oder gar -besessenheit ist da nicht schlecht.
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