Übernachten im Gassenlokal

Übernachten im Gassenlokal
... und dafür auch noch bezahlen: Die „Urbanauts“ bieten mit ihrem Konzept „Street Loft “Grätzelleben für Reisende.

Eine graue Wand. Unscheinbar. Bröckelig. Auffällig ist nur die silbermetallene Sicherheitstür mit Pincode-Tastatur.  Sieht ein bisschen nach Geheimdienst aus.  Aber: Dahinter verbirgt sich ein Hotelzimmer – hipp durchgestylt als Kontrapunkt zur nackten Außenwand des Gebäudes. Hier, in der Favoritenstraße 17,  übernachten Wien-Touristen mit Blick auf die Gasse – und doch durch spezielles Glas und Schallschutz vor Lärm und neugierigen Blicken geschützt.

Das Konzept stammt von den „Urbanauts“: Theresia Obermayr, Jonathan Lutter und Christian Knapp haben an der TU Wien Architektur studiert. Kennengelernt haben sie einander nicht etwa am Campus. „Sondern  auf einer Städtebauexkursion in Kolumbien“, lacht Obermayr. Auf dem Amazonas saßen sie gemeinsam  im Boot. Und  tun das metaphorisch gesehen bis heute.

 

Im Atelier zusammengetan

Zurück in Wien suchten sich die drei ein Atelier. Rasch konzentrierten sie sich auf die Stadtentwicklung. „Viele Städte haben das Problem, dass Lokale leer stehen, ganze Straßen aussterben“, sagt Lutter. Bald – vor fast vier Jahren –  entstand  die Idee zu „Urbanauts“: Man nehme ein leer stehendes Gassenlokal, renoviere es zu einem stylishen Hotelzimmer und vermiete es an experimentierfreudige Touristen. Und werte so die Umgebung auf.


Im Juli 2011 wurde das erste Street Loft auf 25 Quadratmetern eröffnet: Das Trio fand das schon lange leer stehende Lokal im vierten Bezirk, eine ehemalige Schneiderei. Und so steht heute noch  neben der Tür zu lesen: „Die Schneiderin“.  Der Gast bucht im Internet, erhält den Pincode und kann damit um 120 Euro pro Nacht pro Zimmer im Street Loft einchecken. Die Urbanauts empfehlen  ihren Gästen ihre „Fellows“ in der Nähe: Zum Frühstücken geht’s ins Café Goldegg, zum Lunch ins Opocensky, zum Dinner ins Aromat. Ein Hotel in der Horizontale.  Auf Wunsch schneidern die Gebrüder Stitch  dem Reisenden die Jeans auf den Leib, bei „Mon Corps“ gibt’s Wellness und für Fitness sorgt das Vienna City Boot Camp, alle vermerkt im „Urbanauts“-Stadtplan. Alles freiwillig, versteht sich. Im Package inbegriffen sind zwei Fahrräder, per Upgrade gibt’s die Vespa dazu.

 

Übernachten im Gassenlokal

Urbanauts
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Leben wie Studenten

Finanziert haben die drei  Umbau und Einrichtung aus ihren anderen Projekten: „Dafür haben wir ein Jahr länger wie Studenten weitergelebt“, erzählt Obermayr. „Die Überstunden haben wir nicht gezählt“, lacht Lutter.  Auch ihr Büro haben die drei in der „Schneiderin“ angesiedelt. „Arbeiten  im Grätzel  ist ganz anders, als wenn man   im dritten Stock sitzt“, meint Obermayr. „Wir kennen unsere  Nachbarn, viele kommen vorbei.“  
Das Trio plant  heuer noch drei  Street Lofts. „Wir sind  auf der Suche nach Gassenlokalen“, sagt Lutter. 2013 sollen es  zehn sein.

 

"Wir wollen die Stadt verändern"

Wieso das Ganze? Lutter: Wieso nicht? Weil der Leerstand  von Gassenlokalen in Wien enorm ist. Knapp: Weil’s Spaß macht. Obermayr: Ja, weil’s Spaß macht.

Die größte Stütze war? Knapp: Wir untereinander.  Obermayr: Der Jonny und der Christian. Lutter: Die Leidenschaft für das Projekt.

Das größte Hindernis? Obermayr: die Gassenlokal-Akquise. Knapp: Die alten Denkmuster aufzubrechen, was die Nutzung der Gassenlokale betrifft. Die Eigentümer und die Stadt Wien zu überzeugen.

Wo hättet ihr gern mehr Unterstützung gehabt? Lutter: Ganz am Anfang bei der Finanzierung des Projekts.  Knapp: Dass die Stadt Wien das Thema Gassenlokale generell mehr aufgreift. Lutter: Aber wir wurden vom aws gefördert. Auch der Wien Tourismus hat uns unterstützt – vor allem mit  Pressekontakten.

Ein Rat für junge Selbstständige?Obermayr: Einfach loslegen. Knapp: Stay cool as a fool. Sich Neugierde und Albernheit  bewahren. Lutter: Durchhaltevermögen, mit anderen kooperieren.

Wo soll’s hingehen?  Obermayr: Langsam wachsen, auf sicheren Beinen weitergehen. Lutter: Es soll ein großes Projekt werden. Wir wollen die Stadt verändern.   

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