Start-up Beauftragte Lisa-Marie Fassl appelliert an Gründerinnen: Tretet vor den Vorhang

Start-up Beauftragte Lisa-Marie Fassl appelliert an Gründerinnen: Tretet vor den Vorhang
Lisa-Marie Fassl ist Österreichs neue Start-up-Beauftragte. Mit dem KURIER sprach sie über den aktuellen Finanzierungsboom, den Standort Österreich und das Ungleichgewicht in der Szene.

Frau Fassl,  2021 entpuppt sich bereits jetzt als Rekordjahr bei den Start-up-Investments in Österreich. Dabei wurde das Wachstumskapital in der Vergangenheit immer wieder kritisiert. War das Jammern berechtigt oder fehlte es nur an guten Projekten?
Lisa Marie Fassl:  Es hat definitiv nicht an guten Projekten gefehlt. Im Gegenteil, der aktuelle Finanzierungsboom ist  keine rein österreichische Entwicklung, sondern lässt sich in ganz Europa beobachten. Das ist positiv. Gleichzeitig muss man  aber sagen, dass das Kapital, das  in den Markt gebracht wird, nicht aus Österreich, sondern dem Ausland kommt. Hierzulande schaffen wir es  noch immer nicht, Kapital zu mobilisieren, obwohl es vorhanden ist. Das hat wiederum die Konsequenz, dass viele GründerInnen in andere Länder abwandern.

Keine gute  Entwicklung. Was braucht es, damit GründerInnen nach Österreich kommen und auch bleiben?
Vielfältige Maßnahmen. Zum einen müssen wir sicherstellen, dass vorhandenes privates Kapital auch in den Markt kommt. Ein Investorenfreibetrag könnte hier etwa helfen. Gleichzeitig müssen wir die MitarbeiterInnenbeteiligung vereinfachen. Das ist  deshalb so wichtig, da diese Anteilsübertragung oft die einzige Möglichkeit ist, um junge Talente für Start-ups zu begeistern.  Diesbezüglich wird gerade auch an einer neuen Gesellschaftsform, die speziell auf Anforderungen von Start-ups zugeschnitten ist, gearbeitet. 

Worum geht es da  konkret?
Kernpunkt wird die vereinfachte Anteilsübertragung sein. Das betrifft nicht nur MitarbeiterInnenbeteiligungen, sondern auch Kapitalerhöhungen. Zum anderen soll damit das Gründen prinzipiell erleichtert und an internationale Standards hinsichtlich schneller und kosteneffizienter Prozesse angepasst werden. 

Es ist noch viel zu tun. Hat Österreich als Start-up-Standort derzeit Stärken?
Die Lebensqualität in Österreich ist sicher eine Stärke. Gerade die Pandemie hat uns  gezeigt, dass es im Prinzip egal ist, ob man in Wien, Berlin oder der Steiermark sitzt: Man kann dank der Digitalisierung von überall aus arbeiten. Deshalb glaube ich, dass in Zukunft die Lebensqualität der entscheidende Faktor sein wird, wenn es um die Fragen geht, wo man das Leben verbringt. Außerdem haben wir wahnsinnig viele Talente im Land. Und in Europa insgesamt sind wir auch Spitzenreiter wenn es um die Quote von „Female Entrepreneurs“ und die Supportleistungen geht. 

In Österreich liegt der Anteil der Gründerinnen bei 18 Prozent. Das klingt nicht nach einem Spitzenwert. 
Wir liegen in Österreich im europäischen Durchschnitt. Aber der Anteil ist natürlich viel zu gering. In meiner Rolle als CEO von Female Founders beschäftige ich mich intensiv mit diesem Thema und als Start-up-Beauftragte habe ich mir das Ziel gesetzt, Österreich und vor allem Wien zum Hub für Female Entrepreneurship in Europa zu machen. Denn Fakt ist: Es herrscht ein sehr großes Ungleichgewicht in der Szene.

Wie kann man  Frauen für technologie- und innovationsorientierte Unternehmen begeistern?
Zum einen bräuchte es viel mehr unternehmerische Bildung, schon in der Schule und unabhängig vom Geschlecht. Junge Leute müssen auf das Thema Unternehmertum aufmerksam gemacht werden. Nur so können wir auch ihr Interesse wecken. Gezielte Programme, die junge Mädchen und Frauen in Technologieunternehmen bringen, beispielsweise geförderte Praktika, wären ebenfalls eine effektive Maßnahme. Und es fehlt  auch an weiblichen Vorbildern. Mein Appell deshalb an all die tollen Gründerinnen da draußen: Tretet vor den Vorhang und begeistert mehr Frauen für die Start-up-Welt.  

Zur Person:

Lisa-Marie Fassl ist seit Mai 2021 Start-up- Beauftragte des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Die gebürtige Burgenländerin ist keine Unbekannte in der Szene. Vor neun Jahre baute sie während ihres Studiums in Graz den Verein Ideentriebwerk mit auf. Stationen bei unterschiedlichen Start-ups folgten. Vier Jahre lang war sie zudem Geschäftsführerin der Austrian Angel Investors Association (AAIA). Und sie ist Mitbegründerin und CEO von Female Founders, eine der am schnellsten wachsenden Netzwerke in Europa, die Gründerinnen in den Mittelpunkt stellen.       

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