Warum es fast unmöglich ist, an den Erfolg von Bitpanda und Co. anzuknüpfen

Warum es fast unmöglich ist, an den Erfolg von Bitpanda und Co. anzuknüpfen
Obwohl es für Start-ups wieder bergauf geht, schaffen sie es heute kaum, ihre Produkte an den Endkunden zu bringen. Warum das so ist, erklärt Investor Oliver Holle.

Start-ups wie refurbed, Bitpanda oder GoStudent haben es geschafft – sie haben ein Produkt entwickelt, das die breite Masse kennt. Und direkt beim Endkunden ankommt. Nachfolgern, egal in welchem Segment, könnte das womöglich nicht gelingen, verrät Investor Oliver Holle. Die Bedingungen haben sich schlicht geändert.

Konsumenten sind immer schwieriger zu erreichen, „das B2C-Segment steht enorm unter Druck“, sagt der Profi, der seit der Gründung seines Risikokapitalfonds Speedinvest in über 360 Start-ups investiert hat. Was die Situation so erschwert, wie heimische Start-ups das Jahr 2024 beschließen und worauf sich Gründerinnen und Gründer im kommenden Jahr einstellen sollten, analysiert Oliver Holle im KURIER-Interview.

KURIER: Speedinvest zählt zu den wichtigsten Investmentfonds Europas, der in aufstrebende Start-ups investiert. Wie beschließen Sie das Jahr 2024? 

Oliver Holle: Man hat schon das Gefühl, das Schlimmste ist überstanden. Viele unserer großen Portfolio-Firmen – Bitpanda, GoStudent, refurbed – sind gut durchgekommen. Auch insgesamt haben österreichische Start-ups das alles sehr gut geschafft. Die Blutspur ist in anderen Ländern viel größer. In Deutschland gibt es viele Beispiele von Firmen, die wirklich eingegangen sind und zusperren mussten. 

Speedinvest investiert aber nicht nur in österreichische Start-ups. Gibt es Start-ups, die es nicht durch das Jahr geschafft haben, die besonders schmerzen?

Wir sind paneuropäisch unterwegs und hatten auch einzelne Fälle, die uns wehgetan haben. Es gibt schon Einschlaglöcher, aber da ist man jetzt zu 80 Prozent durch. Die, die noch stehen, werden auch weiter stehen. 

Auf welche heimischen Deals sind Sie heuer besonders stolz?

Wir haben in Österreich zwei Investments gemacht, die wirklich spannend sind und sich sehr gut entwickeln. Das eine ist Flinn, das eine Compliance-Software für Pharmaunternehmen entwickelt hat. Es ist etwas vermeintlich Langweiliges, aber wenn ein Markt gerade boomt, ist das die Gesundheit. Das andere Investment ist ContextSDK, hier fokussieren sich die Gründer auf KI-Anwendungen in der Handy-Software. Sie haben extrem viel internationale Aufmerksamkeit, selbst für uns als Platzhirsch war es eine umkämpfte Runde. Da waren mindestens zehn Fonds aus der ganzen Welt am Start. Wir konnten uns durchsetzen mit ein bisschen Heimvorteil.

Warum es fast unmöglich ist, an den Erfolg von Bitpanda und Co. anzuknüpfen

Oliver Holle im Speedinvest-Headquarter in der Wiener Praterstraße. 2011 gründete er den Risikokapitalfonds (Venture Capital, VC), der heute zu den größten Europas zählt und Jungunternehmen in ihrer Frühphase unterstützt

Beide Start-ups könnten durch die Decke gehen, im positiven Sinn. Der breiten Masse werden sie aufgrund ihres Produkts aber vermutlich nicht geläufig werden. Ist das schade?

Das ist uns grundsätzlich egal. Wahrscheinlich 90 Prozent unseres Portfolios sind Business to Business. Es gibt seit einigen Jahren eine Flaute im Consumer-Bereich, das hat sich eher zu einem schwierigen Segment entwickelt. Die Akquisitionskanäle über Social Media funktionieren nicht mehr so gut, es ist viel teurer, die Konkurrenz ist groß. Also der B2C-Bereich ist wirklich unter Druck. Es gibt ganz wenige, die das nachhaltig schaffen.  

Hätten Sie ein Beispiel?

Wir haben vergangenes Jahr in eine englische Firma investiert, die eine App entwickelt hat, auf der Fotos geteilt werden können. Wer hätte gedacht, dass das noch jemand braucht, aber sie waren in Amerika ein halbes Jahr unter den Top-Drei Apps insgesamt. Sie haben dort einen Erfolgsstart hingelegt, ähnlich wie Instagram oder WhatsApp. Da dachten wir, wir haben das heißeste Pferd, aber ein halbes Jahr später war es schon wieder vorbei.

Welche Investments plant Speedinvest in den nächsten Monaten?

Wir machen quasi jede Woche einen neuen Deal, also investieren jede Woche in ein neues Start-up. Wir haben sechs Teams, jedes dieser Teams sucht neue Themen. Es gibt welche, die uns besonders interessieren. Künstliche Intelligenz ist riesig, im Industrie- und Gesundheitsbereich ist extrem viel zu holen. Aber auch im Bereich Finanz und Energie. Da kommt eine große Welle auf uns zu.

Beflügelt die Krise auch die heimischen Unternehmen mehr in Innovation und Start-ups zu investieren? Und so vielleicht Lösungen für bestehende Probleme zu finden?

Europäische Großunternehmen sind im Moment alle auf der Bremse. Das Investment von Corporates in Start-ups geht massiv runter. Das ist immer so, das Thema Corporate Venture ist ein extrem zyklisches. Geht es den Firmen gut, macht jeder einen eigenen Venture-Fonds auf, geht es den Firmen schlecht, macht man ihn wieder zu. Das ist ok, so funktioniert die Welt. Aber umso wichtiger ist, dass es institutionelle Player wie uns gibt, die das Geschäft auch über die Krisen hinweg betreiben. 

Worauf muss sich die Start-up-Szene 2025 einstellen?

In der Realwirtschaft wird es brutal, glaube ich. Das ist schon ein Unsicherheitsfaktor für Start-ups. Wenn die Kunden wegbrechen, funktionieren auch digitale Geschäftsmodelle nicht. Gleichzeitig sehen wir in Europa einen kontinuierlichen Aufwärtstrend, es finden viel mehr Investments statt als etwa letztes Jahr. Die Start-up-Welt ist ein Frühphasenindikator: Ihr geht es immer etwas früher schlecht, dafür geht es ihr auch etwas früher wieder besser. Für 2025 erwarten wir, dass sich die Exit-Märkte öffnen, die ein oder anderen großen Börsengänge stattfinden, das beflügelt unser Geschäft.

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