Stadtflucht: Zum Studium ins Dorf

Der Campus Pinkafeld der FH Burgenland: mit rund 25 Millionen Euro soll er ab September 2020 erweitert werden
Auch abseits der Ballungszentren finden sich in Österreich Fachhochschulen. Was ein FH-Studium am Land ausmacht.

Ein knapp 6.000 Einwohner-Ort, hübsch eingebettet in der südburgenländischen, hügeligen Landschaft, aber kein Bahnanschluss und rund 90 Kilometer von der nächsten Großstadt entfernt: das ist Pinkafeld. In diesem sehr ländlichen Umfeld wurde vor rund 25 Jahren der Campus Pinkafeld gebaut, der zur FH Burgenland gehört.

Wer sich in Pinkafeld für ein Studium inskribiert, wird eher in ein Wohnheim, statt in eine WG ziehen, wird nach Vorlesungen oft im Gasthaus Zapfel landen und sich über die Whatsapp-Gruppe „Stuck in Pinkafeld“ verabreden. Wer am Land studiert, entscheidet sich gegen Studentenleben-Klischees aus der Großstadt.

Weniger Talentabwanderung

Studenten ein aufregendes Freizeitleben neben dem Studium zu bieten, war nicht der Grund, warum 1994 der Campus in Pinkafeld eröffnet wurde. „Wir wollten ein tertiäres Ausbildungsangebot schaffen, auch, um Fachkräfte in der Region auszubilden und zu halten“, erzählt Gernot Hanreich, Rektor, Department- und Studiengangsleiter für Energie- und Umweltmanagement am Campus Pinkafeld. „Das erreichen wir mit unserem speziellen Studienprogramm – wir sind zum Beispiel die einzige FH in Österreich mit einem Bachelorstudium in Gebäudetechnik.“

Dass sich Fachhochschulen abseits der Ballungszentren ansiedeln, hat für den ländlichen Raum Vorteile. FH lehren praxisnah und forschen angewandt, oft in Kooperation mit der regionalen Wirtschaft. Betriebe entsenden externe Lehrende, es entstehen gemeinsame Forschungsprojekte, Praktikumsplätze werden angeboten und der sogenannte „Braindrain“, die Talentabwanderung, hält sich in Grenzen. „Bis zu einem Drittel unserer Absolventen sucht sich in der Region eine Arbeit“, so Rektor Hanreich.

Kooperation mit regionaler Wirtschaft

Auch in Bad Gleichenberg, einem 5.000-Seelen-Dorf in der Steiermark, können sich Studierende niederlassen. „Die FH Joanneum befindet sich mitten im Thermen- und Vulkanland Steiermark, Gesundheitstourismus ist hier ein großes Thema“, sagt Daniel Binder über den Standort. Er ist Lehrender im Studiengang Gesundheitsmanagement im Tourismus, einem der drei Institute vor Ort.

„Hotel- oder Thermenbetriebe wenden sich mit Forschungsaufträgen an uns, die Ergebnisse kommen der Region zugute und fließen auch direkt in die Lehre.“ Neben FH und Kurpark gibt es in Bad Gleichenbach noch die Tanzbar Oasis. „Wir haben nicht viele Lokale, dafür gehen alle 200 Studenten in diese eine Diskothek – gemeinsam.“

„Ich mag die Stille“

Stadtflucht: Zum Studium ins Dorf

Tina Lausegger: „Ich  komme aus Klagenfurt, wenig Trubel bin ich gewohnt.“

Tina Lausegger, Studentin der FH Pinkafeld

Ich studiere jetzt im fünften Semester Energie- und Umweltmanagent und schreibe derzeit an meiner Bachelor-Arbeit. Das macht mich ein bisschen wehmütig, denn das Studium ist damit bald beendet. Ehrlich gesagt, war die Entscheidung, am Land zu studieren, die beste für mich. Ich habe ein paar Semester BWL an der Uni studiert und weiß, wie unpersönlich es da zugeht.

Hier am Campus hat man sich schnell ein Netzwerk aufgebaut, die Projektgruppen sind viel kleiner. In meinem Jahrgang sind wir 15 Studenten. Nirgends im Haus finden sich Hinweise über Sprechstunden, denn man kennt die Dozenten persönlich und kann sie jederzeit sprechen. Großstadtfeeling gibt es in Pinkafeld nicht, einmal im Monat gibt es einen Stammtisch, einmal im Semester eine Studentenparty. Es ist alles sehr überschaubar, aber genau das habe ich gesucht.

Man kann sich hier gut aufs Studium konzentrieren, der ganze Stress fällt weg und ich mag diese Stille. Im Ort gibt es alles, was ich brauche: ein Schwimmbad, ein Fitnessstudio und man ist schnell im Grünen.   Am Wochenende ist es hier in Pinkafeld recht ruhig. Viele Studenten fahren dann nach Hause, ich bin dann selbst oft in Kärnten. Aber uns allen hier war bewusst, dass hier wenig los ist und worauf wir uns einlassen.   

„Wir sind kreativer“

Stadtflucht: Zum Studium ins Dorf

Verena Rathkolb überzeugte die Ausbildung an der FH und nicht das Freizeitangebot

Verena Rathkolb studiert in Bad Gleichenberg

Ich studiere jetzt im sechsten Semester im Bachelorstudium Gesundheitsmanagement im Tourismus in Bad Gleichenberg. Ich wohne 45 Minuten entfernt und pendle jeden Tag zur FH, habe also nie hier im Wohnheim gewohnt. Das Campusleben ist mit rund 400 Studierenden recht klein und überschaubar, aber das ist meiner Meinung nach auch der Vorteil.

Wir gehen oft gemeinsam essen, man kennt alle Gesichter, zu vielen Mitstudierenden pflegt man persönlichen Kontakt. Diese fast schon familiäre Atmosphäre hat man in der Stadt nicht. Dass es hier im Ort kein großes Freizeitangebot gibt,  hat für viel Engagement  unter den Studenten gesorgt. Es haben sich unglaublich viele Projektgruppen gebildet, die gemeinsame Kinoabende, Ausflüge oder Sportkurse organisieren. Wir haben Tanzkurse, Massage-Kurse, Fußball oder Pilates – es variiert von Semester zu Semester.

Ich glaube, ein Studium am Land fördert die Kreativität unter Studenten immens. Im Winter profitieren wir von der Thermenlandschaft – nach der Vorlesung geht man oft noch in die Sauna. Wer nach Bad Gleichenbach kommt, ist auf die Gemeinschaft angewiesen. Da nicht alle im Ort wohnen, sondern auch pendeln, haben sich auch Fahrgemeinschaften gebildet.    

 

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