Sind Kopierer die besseren Gründer?
Es gibt wenige Studien darüber, wie Geschäftsideen entstehen. Alexander Nicolai wollte es wissen und hat gegraben. Dabei hat er aber etwas ganz anderes festgestellt: Diejenigen, die als große Innovatoren wahrgenommen werden, sind keine. Der Wissenschafter über Copycats und andere Gründer.
KURIER: Sie haben bei Ihrer Studie festgestellt, dass viele Gründer fremde Ideen imitieren. Hat Sie das überrascht?
Alexander Nicolai: Ja. Es war eine Überraschung, welche große Rolle Imitation bei den prominenten Vertretern einer Branche spielt.
Zum Beispiel?
Fast jedes Unternehmen imitiert. Ende der 90er-Jahre gab es eine Studie, die schnell wachsende Unternehmen untersuchte. Dreiviertel dieser Unternehmungen stützten sich auf imitierte Ideen. Prominente Beispiele sind Amazon, Facebook, Google. Das sind nicht die Innovatoren, nicht die Ersten, die das Geschäftsmodell umgesetzt haben. Wenn man nachfragt, wie sie auf die Idee gekommen sind, erhält man Antworten wie "Ich war in New York Essen". Der Gründer von Starbucks war in Italien und hat Kaffee getrunken.
Das gilt also nicht nur für Unternehmen im New-Media-Bereich.
Das gilt für Handelsketten genauso. Der Gründer einer bekannten Restaurantkette, hat mir persönlich gesagt, dass er sich in den USA inspirieren ließ. Bei den Stadtstränden haben wir das Konzept auch gefunden. Eigentlich denken alle, der Paris-Plage ist die Mutter aller Stadtstrände. Auch die waren nicht die Ersten, sondern ein kleiner Ort bei Paris.
Eigentlich ist Imitation in unserer Gesellschaft verpönt.
Imitation ist unterschätzt. Aus einem einfachen Grund: Der Erfolg großer Unternehmen überstrahlt sozusagen alles andere, sodass man denkt, der Erfolgreichste sei auch der Erste gewesen. Daher wird das Phänomen nicht wahrgenommen. Ein Grund ist auch, dass Innovation und Imitation immer drastisch gegenübergestellt werden. Innovation ist oft die Rekombination aus Bekanntem. Insofern bedingen sie sich fast. Wenn ich eine Geschäftsidee aus dem Ausland importiere, muss ich insofern innovativ gewesen sein, sie an die Gegebenheiten im Inland zu adaptieren.
Manchmal sind Nachahmer erfolgreicher als ihre Vorgänger? Woran liegt das?
Da gibt es genug Beispiele. Der Imitator oder Nachfolger macht zum einen nicht die Fehler der Innovatoren. Er vermeidet die Kinderkrankheiten. Und er kann schneller Kapital an Land ziehen, weil sie dem Investor bereits vorzeigen können, dass das Modell gut geht. Wenn man Imitation "lernen" nennt, klingt es auch nicht mehr so bedrohlich. Dann finden es plötzlich alle okay. Ob es einen Pionier-Vorteil oder -Nachteil gibt, konnten Studien aber bisher nicht herausfiltern.
Manchmal hängt Erfolg schlicht und einfach vom richtigen Timing ab, oder?
Ja, natürlich. Justbook etwa, die sind jetzt sehr erfolgreich. Ich selbst habe Anfang 2000 bei einem Start-up gearbeitet, die eine ähnliche Idee hatten.
Sind Copycats im Gegensatz zu Erfindern vielleicht mehr aufs Geld aus? Oft wird ein Projekt aufgegriffen und nach wenigen Monaten verkauft.
Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, da ist sicher etwas dran. Der Typus sagt "Ich mache alles, Hauptsache, ich kann schnell einen Exit generieren". Und es gibt die Gründer, die es aus Liebe zum Thema machen.
Zur Person
Bevor Alexander Nicolai, Jahrgang 1971, den Ruf auf die Stiftungsprofessur Entrepreneurship angenommen hat, war er am Deutsche Bank Institut für Familienunternehmen der Privaten Universität Witten/Herdecke als Gastforscher an der Sloan School of Management am MIT in Boston und als Juniorprofessor für Strategisches Management und digitale Ökonomie an der Bauhaus-Universität Weimar tätig.
Zudem baute er das Management Zentrum Witten (MZW) mit auf und ist Gründer und Vorsitzender des Inkubators VentureLab e.V. sowie Mitglied im Vorstand der Business Angel Weser-Ems-Bremen w.V.
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