Sie wollen doch nur spielen

Sie wollen doch nur spielen
Mit Spielen und Events wollen Unternehmen junge Talente ködern. Spätestens bei der Auswahl hört sich der Spaß auf.

Eine auf Sport spezialisierte Medienagentur sucht einen IT-Spezialisten. Ein Teamplayer soll er sein, kompetent, engagiert. Die Bewerber Anuj, Katrina, Sarah und Jan stehen zur Auswahl. Man klickt auf Sarah – sie ist smart, IT-Managerin und leistbar. "Congratulations", lässt die Sprechblase auf dem PC-Bildschirm ausrichten. 5000 Hays Punkte.

Mit dem Serious Game, einem Onlinespiel mit Lerneffekt, will der internationale Recruiter Hays Nachwuchs für die Personalberatung gewinnen. Vorerst in Großbritannien. "Wir prüfen gerade, ob es für den deutschsprachigen Raum Sinn macht, Serious Games einzuführen", sagt Mark Frost, Geschäftsführer von Hays Österreich.

Die Spaßgesellschaft erreicht nun also auch das Personalwesen. Recruitainment nennt sich das in Neudeutsch. In erster Linie bei der Nachwuchssuche setzen Konzerne auf den Spaßfaktor – virtuell und im echten Leben. Serious Games seien ein Hype, der in Österreich nie richtig angekommen ist, sagt Willy Kriz, Professor für HR an der FH Salzburg und Vorstand der "Swiss Austrian German Simulation and Gaming Association", einem Fachverband für Planspiele. Für die Unternehmen dienten solche Online-Spiele der Imagebildung als attraktiver Arbeitgeber. "Und es geht darum, ein erstes Screening von möglichen Bewerbern zu bekommen."

Um junge Talente mit Spaßfaktor zu ködern, fischen Unternehmen auch im realen Leben: Die Unternehmensberatung A.T. Kearney lockte eine Zeit lang Studierende aus Deutschland, der Schweiz und Österreich mit einem Canyoning-Wochenende. "Mittlerweile ist bei A.T. Kearney wieder der Ernst ins Recruiting eingezogen: "Wir setzen wieder stärker auf Inhalte", sagt HR-Direktorin Heide-Lore Knof. Mit Workshops und Case Studies wie der Diskussionsveranstaltung "Strategy Lounge" und dem "Fast Track", einem Wettbewerb, in dem Studierende Unternehmen beraten. Die Auswahl der Teilnehmer ist bei den Recruiting Events nicht weniger hart als im echten Bewerbungsverfahren: "Wir wählen nur Top-Studierende mit hoher Sozialkompetenz aus", so Knof. Auch für das Canyoning-Wochenende.

Den Mehraufwand an Zeit und Geld nehmen die Unternehmen im "War of Talents" in Kauf. "Früher haben wir gefragt: Wen stellen wir ein? Heute fragen die Bewerber: Warum soll ich bei Unilever arbeiten?", sagt Simone Dietz, neue Personalchefin bei Unilever Austria. Das bestätigt auch Leyla Samadi, bei Peek & Cloppenburg für das Recruiting in Österreich und Osteuropa zuständig. Im Gegensatz zum Assessment Center, wo die Leistung abgetestet würde, könnten sich bei Spaß-Events wie der "GPS Schnitzeljagd" ( siehe unten ) Bewerber und Unternehmen zwanglos kennenlernen. "Die Bewerber sind kritischer geworden und prüfen genau, ob ein Unternehmen zu ihnen passt", so Samadi. Für die Teilnehmer gilt hier kein Leistungsdiktat: "Aber sie müssen authentisch sein."

Nicht selten winkt am Ende ein Praktikum oder Vorstellungsgespräch. Später, beim Assessment Center, wird weitergespielt: "Viele Unternehmen nutzen hier Simulations- und Rollenspiele, um Kompetenzen zu testen", sagt Kriz. Auch wenn die Unternehmen verneinen, Spielergebnisse von Serious Games in einen späteren Bewerbungsprozess einfließen zu lassen – Kriz stellt das in Frage: "Ich kann mir gut vorstellen, dass Unternehmen daran denken, diese Daten für die Auswahl weiterzuverwenden." Also: Das Spiel lieber gleich ernst nehmen.

Recruitainment: Unterhaltung macht’s

Begriff In den vergangenen Monaten hat das Kunstwort aus "Recruiting" und "Infotainment" Einzug in die Personalbranche und Karriere-Medien gehalten. Darunter fallen Aktivitäten, potenzielle Bewerber für das Unternehmen zu begeistern.

Spielarten Mit Serious Games können Interessierte mehr über das Unternehmen erfahren, sich virtuell im Job erproben. E-Assessment-Tests zielen darauf ab, eigene Stärken und Schwächen mit den Anforderungen abzugleichen und Wissen über das Unternehmen abzutesten. Weiters kann man auch reale Events zu Recruitainment zählen: wie Erlebnis- oder Sport-Camps, die Workshops und Unternehmenspräsentationen beinhalten. Im Assessment Center werden Plan- und Rollenspiele ebenfalls eingesetzt.

Auf Tuchfühlung mit Spaßfaktor

Sie wollen doch nur spielen

Der Modehandelskonzern Peek & Cloppenburg startet zum ersten Mal mit einer GPS Schnitzeljagd am 10. Oktober in Wien: "Wir wollen die Studenten überraschen", sagt Personalleiterin Leyla Samadi. Zu Beginn werden die Studierenden über Karrieremöglichkeiten bei P&C informiert, dann heißt es, GPS auspacken und die Geocaching-Jagd im Team durch Wien beginnt.

Die Unternehmensberatung A.T. Kearney lud von 2005 bis 2008 ausgewählte Studierende aus Deutschland, Österreich und die Schweiz in die österreichischen und bayrischen Alpen zum Canyoning. Per Abseilen durch die Schlucht wurde der Teamgeist getestet, danach gab es auf der Hütte bei Kaasnocken Einblick in die Philosophie und Arbeitsweise der Unternehmensberatung. In Deutschland hat man sich für die Rekrutierung von Frauen auch etwas einfallen lassen: Dort standen bei Recruiting Besuche im Spa und Kosmetikstudio auf dem Programm.

Auch der Lebensmittelkonzern Danone setzte im Jahr 2009 auf eine abenteuerliche dreitägige Schnitzeljagd für Hochschulabsolventen in Deutschland – Abseilen über einem Canyon inklusive. Dabei winkte ein Job. Mittlerweile hat man auch hier das Programm eingestellt.

Dein Avatar sagt, ob du passt

Wir suchen die Nachwuchsführungskräfte von morgen – finden wir dich?" Die Facebook-App "Could it be U?" des Konzerns Unilever bietet Infos zu Bewerbung, Auswahlverfahren, Unternehmen und ein Self Assessment. Hier konnten interessierte Bewerber bisher austesten, ob sie zum Unternehmen passen. Ein versteckter Auswahltest sei das aber nicht, "die App dient nur zur Orientierung", sagt Personalchefin Simone Dietz. Man feile aber gerade an einem neuen Slogan und neuem Look für den Facebook-Auftritt.

Auch der Kosmetikkonzern L’Oréal führt regelmäßig Business Games im Internet durch. Das Spiel REVEAL ist ein online-basiertes Self-Assessment für die richtige Berufsentscheidung. Im virtuellen Unternehmen besucht man verschiedene Abteilungen und erhält Fragestellungen aus dem Berufsalltag. Die Auswertung zeigt die Stärken der Teilnehmer auf und liefert Verbesserungsvorschläge.

Das Recruiting-Unternehmen Hays bietet für den eigenen britischen Bewerbermarkt das Online-Spiel "Hays – the Challenge" an. Als virtueller Personalberater hat man die Aufgabe, eine definierte Stelle mit dem richtigen Kandidaten zu besetzen. Ein Feedback mit Punkteanzahl am Ende jeder Aufgabe zeigt, wie gut man als Personalberater bei Hays geeignet wäre.

Der Rahmen macht’s


Recruiting Events für Studierende und Hochschulabsolventen sind im Kommen. Eine Einladung zur Berlin Fashion Week soll Studierende dem Unternehmen Peek & Cloppenburg näherbringen. Beim Recruiting Event Fashion meets Future lernen ausgewählte Studierende Führungskräfte des Unternehmens hautnah kennen.

Der Kreativwettbewerb "Brandstorm Games" von L’Oréal zählt mit mehr als 50.000 Teilnehmern zu den weltweit größten. Die Teilnehmer analysieren den Markt, entwickeln Ideen für eine neue Produktserie und setzen diese mit Kommunikations- und Kreativagenturen in die Tat um.

Der Nonfood-Konzern Henkel lädt jährlich zur Henkel Innovation Challenge, einem internationalen Ideenwettbewerb. Studierende bewerben sich mit ihren Produktideen für das Jahr 2050. In erster Linie dient der Wettbewerb dem Employer Branding. Immer wieder ergeben sich Internships im Konzern.

Die Unternehmensberatung McKinsey veranstaltet am 12. Oktober den Kickoff-Workshop "Join the Changemakers": Hochschulabsolventen erarbeiten mit Social Entrepreneurs Strategien für deren Markteintritt in Österreich. Am 11. und 12. Oktober lädt McKinsey Akademikerinnen zum "Women’s Day" nach Berlin.

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