Fiebermessen und Masken-Check: Wie sich die Sicherheitsbranche mit der Pandemie wandelte

Fiebermessen und Masken-Check: Wie sich die Sicherheitsbranche mit der Pandemie wandelte
Die Sicherheitsdienstleister standen 2020 unter Druck. Durch die Pandemie haben sie Aufträge im Veranstaltungsbereich verloren. An anderen Stelle wurden sie hingegen dringend benötigt.

Sie bewachen Behörden, Transporte, Flughäfen, Banken und normalerweise sorgen Sie auch für Sicherheit bei Veranstaltungen. Letztere  sind  mit der Pandemie praktisch verschwunden. Ein Umstand, den die über 400 Betriebe im Sicherheits- und Bewachungsgewerbe auch zu spüren bekamen. „Die Branche konnte 2020 zwar ein Wachstum verzeichnen, mit 0,6 Prozent ist es aber deutlich geringer ausgefallen als in den vergangenen Jahren. Trotzdem, wir sind alles in allem mit einem blauem Auge davongekommen“, sagt Martin Wiesinger, Vorstand der Fachgruppe Sicherheitsdienstleister beim Verband der Sicherheitsunternehmen Österreich (VSÖ) und Geschäftsführer bei der Securitas Sicherheitsdienstleistungen GmbH.

Fiebermessen und Masken-Check: Wie sich die Sicherheitsbranche mit der Pandemie wandelte

Martin Wiesinger, Vorstand der Fachgruppe Sicherheitsdienstleister beim Verband der Sicherheitsunternehmen Österreich (VSÖ) und Geschäftsführer bei der Securitas Sicherheitsdienstleistungen GmbH. 

Schnelle Umstellung war gefragt

Grund dafür sei vor allem die enorme Mobilisierungsfähigkeit der Branche und ihrer Mitarbeiter gewesen. „Man muss  bedenken, mit der Pandemie ist von einen Tag auf den anderen praktisch das gesamte Veranstaltungs- und Flughafengeschäft weggebrochen, gleichzeitig wurden unsere Mitarbeiter in Krankenhäusern und Supermärkten zur Sicherstellung der Einhaltung der Covid-19-Maßnahmen gebraucht. Diese Umstellung musste sehr schnell gehen, oft innerhalb von 24 Stunden, was nicht einfach war. Aber wir haben es geschafft.“

Seinen Schätzungen zufolge waren rund 3.000 bis 5.000 von den insgesamt 17.000 Beschäftigten in der Branche das vergangene Jahr in diesen „neuen“ Bereichen tätig. „Das war unser Glück. Ohne diese Zusatzleistungen hätten wir die Krise als Branche vermutlich nicht überlebt.“

Zusatzleistungen waren überlebenswichtig

Zusatzleistungen – auf diese hat auch Wolfgang Steigersdorfer in der Krise gesetzt. Der erfahrene Einsatzleiter für Großveranstaltungen führt im niederösterreichischen Kirchberg am Wechsel ein auf Events fokussiertes Sicherheitsunternehmen mit 35 Mitarbeitern. Wobei 35 die Zahl vor Corona war. 25 Angestellte musste er im Laufe der vergangenen 15 Monate kündigen.  Ein schwerer Schlag, wie er sagt. Die übrig gebliebenen Mitarbeiter wurden vor allem bei Behörden und in Krankenhäusern bei der Zutrittskontrolle und der Überwachung der Einhaltung der Covid-19 Regeln eingesetzt. „Natürlich, durch die Pandemie haben sich neue Einsatzbereiche ergeben, kompensieren konnten sie den Wegfall der Veranstaltungen – zumindest in unseren Unternehmen – aber nicht“, sagt er.

Einsätze in Logistikunternehmen

Eine andere Erfahrung machte Erwin Bors, Geschäftsführer beim Wiener Sicherheitsdienstleister AFS. Für das Unternehmen sei das Jahr 2020 relativ gut verlaufen. „Wir hatten Glück, unser Unternehmen ist nicht auf Veranstaltungen spezialisiert, insofern hat uns der Wegfall dieses Segments auch nicht sehr hart getroffen“, sagt er. Im Gegenteil: Durch die Pandemie konnte man neue Aufträge in der Industrie und in Logistikunternehmen heranziehen, die einzelne verlorene Aufträge gut kompensieren konnten. Vor allem in Letzteren sei durch das gesteigerte Paketaufkommen viel los gewesen. Bors Mitarbeiter waren ebenfalls vordergründig für die Zutrittskontrolle und auch das obligatorische Fiebermessen verantwortlich. „Das war für unsere Mitarbeiter natürlich eine kleine Umstellung.“

Eigene Schulungen dafür hätte es nicht gegeben. „Aber nach kurzen Unterweisungen zu den Fiebermessgeräten hat auch alles wunderbar funktioniert.“ Künftig jedenfalls glaubt er, dass die neuen Einsatzgebiete, vor allem in der Logistik auch durch das Wachstum des Online-Handels,  an Bedeutung gewinnen werden. „Unsere Einsätze werden hier sicher nicht weniger werden.“ 

Herausforderung Personalmangel

Gleichzeitig bedeuten    mehr Einsätze aber auch gesteigerten Personalbedarf – und genau der bereitet den Sicherheitsdienstleistern Sorgen. „Gerade in den vergangenen Monaten war es sehr schwer für uns, geeignetes Personal zu finden“, sagt etwa Bors. Auch Steigersdorfer gibt zu: „Während der Krise sind viele unserer ehemaligen Mitarbeiter in andere Branchen abgewandert oder haben eine Ausbildung begonnen. Personal, dass ich jetzt mit langsam in Fahrt kommenden Veranstaltungen dringend brauchen würde.“ 20 bis 25 Bewerbungen bekomme er seit etwa Mitte Juni pro Woche. „Bis jetzt war aber noch niemand passender dabei.“

Personalknappheit als eine der größten Herausforderungen derzeit sehen auch Hans-Georg Chwoyka, Geschäftsführer ÖWD Security & Services, und Alexander Kiss, Direktor der Niederlassungen in der Region Ost. Zwar gebe es diesbezüglich bundesländerspezifische Unterschiede, „solange die Corona-Hilfspakete der Regierung wie beispielsweise die Kurzarbeit noch greifen, ist aber definitiv weniger Wechselbereitschaft bei den Arbeitnehmern zu erkennen“, sagt Kiss. Das Unternehmen könne damit aktuell  zwar relativ gut umgehen. Trotzdem suche man in einigen Bundesländern  aktiv nach Personal,  auch weil man die Skillbase hinsichtlich Einsätze bei Veranstaltungen weiter ausbauen möchte. Dafür brauche es natürlich neue Mitarbeiter. Um diese zu bekommen, sieht Chwoyka  auch die Arbeitgeber in der Verantwortung: „Arbeitgeber müssen ihren Mitarbeitern heutzutage auch etwas bieten. Wir sind als Familienunternehmen nicht zuletzt deshalb attraktiv, weil wird verschiedenste Arbeitszeitmodelle haben und weder gläserne Decken, noch sonstige Restriktionen bei der Anstellung oder der Entwicklung unserer Mitarbeiter kennen“, sagt er. Und das helfe bei der Personalsuche eben sehr. 

"Es braucht Qualitätssicherung"

Dass es Personalmangel gibt, kann auch Andreas Teischl, Generalsekretär beim VSÖ nicht von der Hand weisen.  „Es liegt in der Natur unserer Branche und der damit einhergehend Bezahlung, dass Leute den Sicherheitsdienst nur solange machen, bis sie etwas besser Bezahltes finden.“ Seiner Meinung nach könnte man diesem Problem nur mit Qualitätssicherung entgegentreten. „Ich bin überzeugt davon, dass mit den richtigen Ausbildungsstandards die Qualität in der Branche massiv gesteigert werden könnte und Kunden auch bereit sind, dafür mehr zu bezahlen. Was sich wiederum auf die Entlohnung und damit den Personalmangel auswirken würde.“  

Fehlende Ausbildung

Rufe nach gesetzlichen Standards  gibt es schon lange, auch konkrete Pläne einer standardisierten Grundausbildung wurden von Politik und Branchenvertreter  bereits ausgearbeitet. Das war Anfang 2020, seither ist es um das Thema wieder  still geworden. Der Plan sei, dass es zumindest bis Mitte nächsten Jahres so weit ist, heißt es vom VSÖ. Nicht alle Sicherheitsunternehmen stehen dem Plan aber so positiv gegenüber. Ein Grund sind die Kosten. „Wenn ich meine Mitarbeiter in eine gesetzlich vorgeschriebene Ausbildung schicken muss, bevor ich sie einsetzen kann, ist das  mit zahlreichen Kosten verbunden, sodass ich meine Preise erheblich hinaufschrauben müsste. Das würde Kunden kosten“, sagt ein Sicherheitsdienstleister aus der Steiermark. Derzeit  kann jedes Bewachungsunternehmen seine Mitarbeiter ausbilden, wie es will – oder auch gar nicht. Denn in der Gewerbeordnung ist nur geregelt, dass die Mitarbeiter mindestens 18 Jahre und unbescholten sein müssen.  

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