Sechs Übungen zur Steigerung des Wohlbefindens

Sechs Übungen zur Steigerung des Wohlbefindens
Wer seine eigenen Charakterstärken kennt und seinen inneren Dialog positiv gestaltet, dem wird vieles im Berufsleben einfacher fallen. Sechs Übungen, die zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen können – aber nicht zur zwanghaften Selbstoptimierung werden sollten.

Das Auto springt nicht an? „Ich möchte mich sowieso mehr bewegen und fahre mit dem Rad.“ Sie sind nach einer langen Durststrecke ohne Urlaub erschöpft? „Ich werde wieder neue Kräfte sammeln.“ Sie fühlen sich im neuen Job überfordert? „Ich werde dafür Neues dazulernen.“ Wenn Menschen derart zuversichtlich mit Herausforderungen umgehen, hat das zum Teil mit genetischer Veranlagung zu tun. Aber man kann den inneren Optimismus auch erlernen, trainieren und mit gezielten Übungen stärken.   

Eine These, die aus der Positiven Psychologie, einer Strömung innerhalb der Psychologie, stammt. „Sie setzt sich mit den positiven Aspekten des Menschseins auseinander, wie Glück, Optimismus, Dankbarkeit und Solidarität“, so Stefan Millinger, Arbeitspsychologe des Arbeitsmedizinischen und Sicherheitstechnischen Zentrums in Linz (ASZ).  „Martin Seligmann, dem Begründer der Positiven Psychologie zufolge, kann man  Glück und Wohlbefinden mit Hilfe von Übungen erlernen.   Da auch Studien nachweisen, dass Menschen, die im Sinne ihrer Stärken handeln, nachweislich zufriedener und seltener krank sind, haben auch in der modernen Unternehmenswelt Ansätze der Positiven Psychologie in Form von Achtsamkeitstrainings Einzug gehalten. Mitarbeiter und Führungskräfte lernen dabei etwa, sich  vor Stress und Überforderung zu schützen.

Mit Unglück umgehen können

Der Kult rund um die Positive Psychologiehat aber auch seine Kehrseiten. Kritiker sprechen von einem Glücksdiktat, Selbstoptimierungszwang und einem großen Markt voller unseriöser Versprechungen. Die mentale Einstellung, in allem das Gute zusehen, sei ein unrealistischer Anspruch und werde komplexen, oft auch widersprüchlichen Lebensrealitäten nicht gerecht.

Auch Millinger betont: „Die  Fähigkeit, mit Unglück umzugehen,  darf nicht unterschätzt werden.  Die Akzeptanz negativer Emotionen ist wichtig. Wer immer alles sofort ins Positive dreht, überfordert sich.“ Die folgenden sechs Übungen dienen  daher dem mentalen Training, dem Fokus auf Stärken und zur Stressreduktion und sollen kein Duktus der guten Laune werden. Denn das habe der Buddhismus auch schon vor Ewigkeiten verstanden, so Millinger und zitiert: „Leben ist auch Leiden“.   

Sechs Übungen

Guten Ton anschlagen

Den wenigsten ist bewusst, dass man nahezu immer im Dialog mit sich selbst steht. Und nein, das ist nicht verrückt, wir verarbeiten so Eindrücke und Erlebtes. „Selbstgespräche haben damit eine enorme Macht“, erklärt Arbeitspsychologe Millinger. „Denn je nachdem, ob die Stimmung positiv oder negativ ist, bereiten sie Erfolge und Misserfolge vor.“ 
Der innere Dialog sollte daher so gestaltet werden, dass er ermutigt, tröstet, aufbaut, fürsorglich ist. „Beobachten Sie Ihren inneren Dialog, wie Sie mit sich selbst reden, ist er positiv oder negativ, welche Wünsche und Gefühle kommen auf?“ Die Reflexion sei wichtig, um den inneren Dialog aktiv zu gestalten, eine neue, positive Richtung zu verleihen. „Wenn die innere Haltung mit positiven Affirmationen aufgeladen ist, wird gestärkt und ermutigt mit herausfordernden Situationen umgehen.“ 

Atemübungen zur Entspannung

Stress lässt die Atmung beschleunigen, das Herz schneller schlagen, der Puls und der Blutdruck steigen an. Um sich zu beruhigen, setzt man besten bei der Atmung an. Dabei gibt es verschiedene Varianten,   das Prinzip ist aber, die Ausatmung doppelt so lang auszuführen, wie die Einatmung, um so  den Stress zu durchbrechen. „Die Vagus-Nerv-Atmung beispielsweise eignet sich gut zur Entspannung“, erklärt Millinger. „Der Vagus-Nerv zieht sich von Kopf bis Fuß und hat damit einen großen Wirkungsbereich“. Um ihn zu aktivieren, setzen Sie sich aufrecht hin, die Füße fest am Boden. Schließen Sie die Augen, richten Sie die Aufmerksamkeit auf den Atem, wie er durch die Nase in die Lungen fließt und durch den Mund ausströmt. Atmen Sie 3 Sekunden ein,  sechs Sekunden aus und halten Sie vier Sekunden die Luft an. Das ganze drei bis sechs Minuten lang.   

Mut, Kreativität und Neugier?

„Jeder von uns besitzt Fähigkeiten und Talente – die einem aber oftmals nicht bewusst sind. Nicht nur das Handeln nach seinen Stärken, sondern allein die Beschäftigung mit ihnen erhöht nachweislich das eigene Wohlbefinden“, erklärt Millinger. Identifizieren lassen sie  sich unter anderem über Persönlichkeitstests. Die Universität Zürich bietet beispielsweise unter www.persönlichkeitsstaerken.ch einen kostenlosen Fragebogen an, der auf Basis der Positiven Psychologie Themen erfasst, die im täglichen Leben oder im Beruf wichtig sind. Der Test dauert 30 Minuten und wird am Ende 24 Charakterstärken –  darunter Kreativität, Neugier, Mut, Ausdauer – ergeben und außerdem eine Interpretation der einzelnen Tugenden und Stärken mitliefern. „Darüber hinaus ist es hilfreich, aus diesem Inventar fünf bis sieben Stärken herauszufiltern – die  Signatur-Stärken.“ 

Aus Vergangenem lernen

Das Leben ist hochkomplex und widersprüchlich – wer sich nur auf das Positive fokussiert, blendet damit andere, weniger gute Aspekte im Leben aus. Auch aus Krisen, negativen Emotionen und Erfahrungen kann man gestärkt hervorgehen. „Die Fähigkeit mit dem eigenen Unglück umgehen zu können, ist eine wichtige Voraussetzung für ein erfülltes Leben“, so Millinger. „Wenn Sie über Ihre Vergangenheit nachdenken, werden Ihnen Situationen einfallen, in denen Sie bewiesen haben, welche Stärken  Sie besitzen.“ Um die Vergangenheit zu reflektieren, sind folgende Fragen hilfreich: Bei welchen Ereignissen konnten Sie Ihre Stärken unter Beweis stellen? Denken Sie an schwierige Umstände, die Sie bewältigt haben, oder anspruchsvolle Ziele, die Sie erreicht haben. Überlegen Sie, wer oder was Ihnen dabei besonders geholfen hat. 

Angenehme Rituale finden

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – wenn Sie  den Tag mit einem positiven Gefühl abschließen möchten, bietet sich ein regelmäßiges Ritual als Rahmen dafür an. Nehmen Sie sich beispielsweise jeden Abend vor dem Schlafengehen drei Minuten Zeit, in denen Sie sich überlegen, was tagsüber gut gelaufen ist oder schön war, um angenehme Gedanken und Gefühle zu aktivieren. Überlegen Sie sich mindestens drei  Dinge, die Ihnen gutgetan haben. Halten Sie sie gedanklich, oder schriftlich in einem sogenannten „Dankbarkeitstagebuch“ fest.  Was hat mich heute glücklich gemacht? Wofür bin ich dankbar? Worüber habe ich mich heute gefreut? Für einen idealen Tagesabschluss eignen sich folgende Fragen: Was habe ich heute gut gemacht? Was habe ich heute dazu gelernt? Worauf kann ich stolz sein? Wofür habe ich mich heute besonders eingesetzt?

Negatives umstrukturieren

„Ohne Fleiß, kein Preis“, „hinter dir die Sintflut“, „im Leben wird einem nichts geschenkt“.  Millinger nennt solche Redensarten „negative Glaubenssätze“. Eingeprägte Vorurteile oder Überzeugungen in den Bereichen Geld, Karriere oder Beziehungen können wie Blockaden wirken und Steine in den Weg legen. Glaubenssätze würden die Basis vieler Gedankengänge bilden – je positiver die Überzeugen, desto positiver das Denkmuster. Um sie aufzulösen empfiehlt Millinger, negative Einstellungen aufzuschreiben und dann ins positive Gegenteil umzustrukturieren. „Wichtig ist dabei, davon wirklich überzeugt zu sein. Nehmen Sie das Beispiel: Im Leben bekommt man nichts geschenkt. Überlegen Sie sich, was Sie bereits in Ihrem Leben bekommen haben, ohne dass Sie etwas dafür tun mussten. Dann polen Sie den Satz um in: Das Leben ist voller Geschenke.“

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