Riccardo Muti: "Verlass’ dich nicht auf dein Talent"
Er dirigiert an diesem Wochenende die Wiener Philharmoniker. Doch nicht nur das: Der italienische Star-Dirigent Riccardo Muti kam Donnerstagabend zum ersten Globart Business Summit, um über Talente und Führung zu sprechen. 120 Gäste fanden sich im 385 Jahre alten Speisesaal des Wiener Franziskanerklosters ein.
Ein Film vorab zeigt, wie Riccardo Muti – Chefdirigent des Chicago Symphony Orchestra – mit dem Orchester umgeht. Er redet mit ruhiger, aber bestimmter Stimme übers Crescendo, das stärker werden muss und singt vor: "Pam, paam, pam." Die Posaunen machen pam, paam, pam. Auf dem Podium erklärt er erstens: "Jetzt haben Sie gesehen, welche dummen Grimassen ein Dirigent machen kann." Zweitens, dass der Film von einer Probe im italienischen Parlament handelt. "Ein Weihnachtskonzert mit Ministern." Dann hält er eine Brandrede über die Gefährdung der italienischen Kultur durch Einsparungen.
Talentefinder
Antonella Mei-Pochtler, Managing Director der Boston Consulting Group und Moderatorin, bringt ihn elegant zurück auf das Thema des Abends, auf die Entdeckung verborgener Talente. Muti ist seit 30 Jahren in der Talentesuche aktiv, hat Stars wie Agnes Baltsa entdeckt. Im Juli wird er Talente aus der ganzen Welt während des Ravenna Festivals im Dirigieren unterrichten. "Als jemand Verdi fragte, was für ihn Talent sei, sagte er: lavoro, lavoro, lavoro", erzählt Muti. Also Arbeit: "Du kannst dich nicht auf dein Talent verlassen, 70 Prozent ist Arbeit."
Mit seinem eigenen musischen Talent schien es ursprünglich nicht weit her. Vom Vater, einem Arzt in Neapel, bekam der siebenjährige Riccardo eine Violine. "Sechs Monate später sagte mein Violinlehrer zu meinen Eltern, sie verschwenden ihr Geld für null Talent." Doch ein Satz von Mutis Mutter sollte sein Leben verändern. "Sie sagte, lassen wir ihn doch noch ein Monat versuchen." Eine Motivationsschub – vier Monate später trat er vor Publikum auf. Später studierte er Klavier, ein Professor hörte ihn spielen. "Er sagte zu mir: ,Du spielst nicht wie ein Pianist, sondern wie ein Dirigent. Du solltest Dirigent werden.‘ Ich fragte: ,Wie denn?‘ Er sagte: ,Stell dich einfach vor ein Orchester und mach was. Irgendwas wird schon passieren.‘"
Verstehen statt bewegen
Also studierte Muti Dirigieren am Mailänder Verdi-Konservatorium. Die Talenteförderung sieht er gespalten: "Die europäischen und amerikanischen Dirigenten machen besonders schöne Bewegungen. Die Asiaten machen Kung-Fu." Doch es gehe nicht um Bewegungen, "es geht darum, die Musik zu verstehen. Du musst Klavier studieren oder Komposition, du musst dem Orchester Ideen liefern." Hier komme die Fähigkeit zu führen ins Spiel. "Du musst von deiner Idee überzeugt sein, um die anderen davon zu überzeugen. Nur dann folgen sie dir." Als Führungskraft müsse man ehrlich sein: "Das Orchester bemerkt sofort, ob der Dirigent authentisch ist."
Wie er mit Stars umgehe, fragt Mei-Pochtler. "Oft heißt es in Kritiken: Der Dirigent folgte den Sängern gut. Ich folge keinen Star-Sängern. Der Dirigent ist für die Produktion verantwortlich", sagt Muti. Davon, dass Regisseur und Intendant das Orchester auswählen, hält er nichts. "Ein guter Dirigent wählt sein Team selbst aus."
Managern rät Muti zum Schluss, nicht über Angst zu führen, sondern übers Herz. Letztlich könne Musik die Seelen der Manager besänftigen. "Schließlich ist es doch so: Mit Mozart geben die Kühe mehr Milch, mit Strawinski machen sie Ricotta."
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