Rettet die Unternehmensseele!

Seit Februar ist Satya Nadella an der Spitze von Microsoft. Er schwört die Mitarbeiter auf eine neue Ära ein
Microsoft-CEO Satya Nadella will die Seele der Firma wiederfinden. Und baut 18.000 Mitarbeiter ab.

Auf jedem Schreibtisch und in jedem Zuhause sollte ein Computer stehen – das war die Vision, die Bill Gates und Paul Allen 1975, vor beinahe 40 Jahren, hatten. Sie gründeten Microsoft.

Vergangene Woche schrieb Satya Nadella, seit Februar Microsoft-CEO, in einer öffentlichen Mail an alle Mitarbeiter: "Unsere Branche respektiert nicht Tradition – sondern Innovation. Wir müssen verstehen und umarmen, was nur Microsoft der Welt geben kann und wie wir die Welt noch einmal ändern können." Man will die Seele Microsofts wiederfinden. "Wir helfen Menschen, Dinge zu erledigen", gibt Nadella vor – Mobile-First- und Cloud-First, in dieser Welt will Microsoft gelten.

Das Drama dabei ist, dass die Neuaufstellung bis zu 18.000 Menschen den Job kosten wird. Seit der Übernahme von Nokia zählte Microsoft 127.000 Mitarbeiter – ein Bürokratieriese. Vor allem beim Handyhersteller wird gestrichen – jeder zweite Nokia-Mitarbeiter soll gehen, vom Fabrikarbeiter über Entwickler bis zum Manager. "Die Entscheidungen zum Umbruch sind schwierig, aber nötig", schrieb Nadella .

Ständige Veränderung ist für Unternehmen eine Notwendigkeit – eine bittere Realität, vor allem in dieser Branche. Apple und IBM haben Mitte dieser Woche etwa eine Allianz angekündigt, um stärker ins Geschäft mit Unternehmen zu kommen – ein Urterrain von Microsoft. "Wenn sich die Umwelt ändert, muss sich auch das Unternehmen ändern", erklärt Gundi Wentner, Partnerin von Deloitte Österreich.

Doch wo bleibt die Seele von Unternehmen bei der ständigen Veränderung? Über sie wird wenig gesprochen. Zu psychologisch, zu esoterisch, irgendwie unpassend wirkt dieser Ausdruck auf Wirtschaftsbetriebe bezogen. Auch wenn jeder spüren kann, dass ein Unternehmen mehr ist, als die Summe der Produkte und die Kennzahlen, die seine Wirtschaftlichkeit beschreiben.

Kopf oder Zahl

Charles Handy, der angesehene Wirtschaftsphilosoph, versuchte sich an einer Definition: "Die Unternehmen, die am längsten überleben, sind jene, die herausarbeiten, was alleine sie der Welt bieten können – eben nicht nur Geld und Wachstum, sondern Exzellenz, Respekt für andere oder die Fähigkeit, andere glücklich zu machen. Manche nennen das Seele."

Gundi Wentner nennt es Unternehmenskultur. "Sie wächst, beschreibt die Geschichte, verändert sich jedoch auch immer wieder." Bei jeder Strategieänderung müsse man sich fragen, ob die Veränderung mit der Art der Führung und der Kultur umsetzbar und erreichbar sei. Die Hauptrolle in der Umsetzung spiele das Management: "Dass die Mitarbeiter die Vision mittragen, ist ein klares Führungsthema. Das müssen Manager im kleinen Finger haben. Das ist Leadership", sagt Wentner.

Selbst, wenn es ein Kernthema von Management ist, haben das viele Manager eben nicht im kleinen Finger. Sie können Werte und Visionen, die Seele, nicht vermitteln. Sie reden darüber, schreiben sie nieder, malen sie auf ein White Board und sind erstaunt, wenn die Belegschaft die Botschaft nicht spürt. "Die Werte sind oft nur Lippenbekenntnisse. Sie sind meist nicht das Papier wert, auf das sie geschrieben werden", sagt Jürgen Mühlbacher, Leiter des Instituts für Change Management an der WU Wien.

Gerade in der Krise haben Unternehmen besonders stark auf die Finanzen geachtet. Zahlen wurden zur alles bestimmenden Determinante. Professor Jordi Canals von der IESE Business School fordert in einem Beitrag: Man müsse weg davon, den Finanzen die größte Bedeutung beizumessen. "Finance is important, of course, but it is not the only relevant dimension of management." Er schreibt, dass ein gutes Unternehmen folgende Aspekte erfüllen muss: Es muss verstanden werden, dass ein Unternehmen aus Menschen mit verschiedenen Aspirationen und Motiven besteht. Sie bündeln ihre Kräfte, um dem Kunden zu helfen. Ökonomische Werte müssen nicht nur kurzfristig, sondern auf lange Sicht geschaffen werden. Mitarbeiter haben die Möglichkeit zum persönlichen und beruflichen Wachstum. Zudem muss die Bestrebung gegeben sein, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu haben.

In aller Kürze: Steht der Mensch, die Gesellschaft, im Fokus, wird das Unternehmen prosperieren. Wer sich nur auf Zahlen konzentriert, verliert unterm Strich an Wert.

Werte, Seele, Vision

Studien zeigen, dass zwei Drittel aller Change-Prozesse schiefgehen. Einer der Hauptgründe ist, dass die Kernwerte nicht oder schwach kommuniziert werden, zu viele Metaphern, mit denen niemand etwas anfangen kann, die keine Orientierung geben. Vor allem in Change-Prozessen ist die Definition von Werten und deren deutliche Kommunikation jedoch von großer Bedeutung: Sie sollten zu Beginn jedes Veränderungsprozesses festgelegt werden, da es sonst zu Unsicherheiten, möglicherweise zum Chaos komme. "Weil alle in verschiedene Richtungen laufen, weil keiner weiß, wohin es geht", erklärt Wirtschaftswissenschafter Mühlbacher. Er sagt weiter: "Damit alle Stakeholder wissen, wo das Unternehmen hin möchte und jeder abschätzen kann, ob er investieren will oder die eigene Zukunft im Unternehmen sieht, muss die Vision klar sein."

Wohin Microsoft geht? Am Dienstag wird der aktuelle Quartalsbericht vorgelegt, werden Statements zu strukturellen Maßnahmen erwartet. Der größte Stellenabbau in der Firmengeschichte ist fix – bis zu 1,6 Milliarden Dollar wird er kosten.

Microsoft ist im Umbruch. Ob der Konzern seine Seele wiederfinden kann, wird sich zeigen. In die Geschichte geht CEO Satya Nadella jedenfalls ein. So oder so.

Aufstieg

Charles Merrill steigerte mit zwölf Jahren den Umsatz der väterlichen Apotheke, indem er Schnaps in Softdrinks mixte. Als sein Vater dahinterkam, gab es eine Rüge. „Der Vater hatte Prinzipien“, schreibt brandeins in einem Porträt über Merrill. Prinzipien sollen auch Merrill dabei geholfen haben, eine der größten US-Banken aufzubauen. „Kundenorientierung, Respekt vor dem Individuum, Teamwork, Verantwortung, Integrität“ soll in den Beton geritzt worden sein, wo 1914 Charles Merrill und Edmund Lynch das erste Büro öffneten. Das Konzept: Merrill gab einfachen Bürgern den Zugang zur Wall Street, sie sollten aber zu jeder Zeit die Kontrolle über ihre Investments behalten. Als Charles Merrill 1965 stirbt, hat die Bank 400.000 Kunden.

Untergang

„Das Ende kam erst zur Jahrtausendwende“, schreibt brandeins. Stanley O’Neal, damaliger CEO, kündigte 24.000 Mitarbeiter und investierte in Immobilientitel. Es folgte der größte Verlust der Firmengeschichte. 2008 übernahm die Bank of America den einstigen Rivalen für 50 Milliarden Dollar.

Der Aufstieg
Gegründet wurde Starbucks als „Starbucks Coffee, Tea and Spice“ 1971 von drei Studienfreunden im alten Hafen von Seattle. 1982 kam Howard Schultz (im Bild) ins Unternehmen, führte Espressobars ein, 1987 kaufte er die Firma für 3,8 Mio. Dollar und begann den Ausbau des Imperiums. 2002 verließ Howard Schultz Starbucks, um anderen die Führung zu überlassen.

Die Rettung
Im Jahr 2007 geriet Starbucks in eine Krise – durch das schnelle Wachstum verlor der Konzern sein Flair. In einem Memo von Schultz an die oberste Führungsebene im Februar 2007 beklagte er, dass die „Romantik verschwunden sei“, dass es unbedingt nötig ist, wieder „zum Kern zurückzukehren“ und „das Erbe, die Tradition und die Leidenschaft für die wahre Starbucks-Erfahrung wieder hervorzurufen“. Anfang 2008 kehrte er als CEO zurück, um sein Unternehmen zu retten: Schultz musste Standorte schließen und Mitarbeiter kündigen. Er reduzierte das Angebot und führte Starbucks zum Kern zurück, investierte in die Weiterbildung der Mitarbeiter, behielt Sozialprogramme bei, stärkte den ökologischen Ansatz und initiierte Innovationen.

Beginn

1932 gründete Tischlermeister Ole Kirk Christiansen Lego im dänischen Billund. 1949 wurden die kultigen Legosteine eingeführt – der Erfolg beruht auf einer einfachen Idee: einige Dutzend Formen, sieben Farben, leicht kombinierbar und günstig in der Produktion. Man wuchs.

Zäsur
Lego war gewachsen, hatte mehr als 14.000 Elemente, bot fünfzig Farben – machte jedoch keine Gewinne. 2003 stand die mit 800 Millionen Dollar verschuldete Firma kurz vor dem Aus.

Turnaround
Unglaublicherweise schaffte Lego den Turnaround: Im ersten Schritt wurde gerechnet, im zweiten besann man sich darauf, was Lego ausmacht. Als Macher des Erfolgs gilt CEO Jørgen Vig Knudstorp: 2004 wurde er im Alter von 35 Jahren vom Enkel des Gründers berufen. „Er löste sich von Nebengeschäften, verkaufte die Mehrheit der Lego-Parks und lagerte das Kindermodegeschäft aus. Das Unternehmen schloss eine Fabrik in der Schweiz und strich Stellen“, schrieb die FAZ. Seit Anfang 2014 ist Lego der zweitgrößte Spielzeughersteller der Welt.

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