Produktpiraterie: EU-Bürger sind für den Kauf gefälschter Waren

Produktpiraterie: EU-Bürger sind für den Kauf gefälschter Waren
Ein Drittel der Europäer hält den Ankauf gefälschter Waren für akzeptabel - wenn der Preis des Originalprodukts zu hoch ist

Auf TikTok ging ein Video viral. In einem Second-Hand-Store fand eine Kundin eine Handtasche, die vermutlich der US-Sängerin Jennifer Hudson gehört hatte. In Großbuchstaben steht auf der Tasche "you fake like this Birkin" (übersetzt „du bist falsch wie diese Birkin“). Hudson gibt ihr Geld bekanntlich nicht für teure Markenprodukte aus und greift stattdessen zu den "Fake-Designer"-Produkten. Markenprodukte seien viel zu teuer.

Und mit dieser Meinung ist sie nicht allein:

Ein Drittel der Europäerinnen und Europäer hält den Ankauf gefälschter Waren für akzeptabel, wenn der Preis des Originalprodukts zu hoch ist. Bei jungen Menschen ist es sogar die Hälfte. Und das, obwohl 80 Prozent der Aussage zustimmen, dass gefälschte Waren kriminelle Organisationen unterstützen und Unternehmen und Arbeitsplätze ruinieren, ergab eine Umfrage, die vom Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) veröffentlicht wurde.

Dafür wurden zwischen dem 30. Jänner und dem 15. Februar 2023 in allen EU-Mitgliedstaaten 25.824 Online-Interviews mit Einwohnern ab 15 Jahren durchgeführt, in Österreich wurden 1.013 Menschen befragt. 28 Prozent der österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten gaben an, sich nicht sicher zu sein, ob ein Produkt echt ist oder nicht, während zehn Prozent angaben, bewusst gefälschte Waren gekauft zu haben.

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Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten

Während etwa ein Viertel der Verbraucherinnen und Verbraucher in Dänemark und den Niederlanden (26 Prozent) nicht sicher war, ob das gekaufte Produkt echt war oder nicht, stieg dieser Anteil in Rumänien auf 72 Prozent.

Zwölf Prozent der Österreicherinnen und Österreicher gaben zu, online illegal auf Inhalte zugegriffen zu haben, insbesondere auf Sportveranstaltungen, im EU-Schnitt waren es 14 Prozent, bei jungen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren sogar 33 Prozent.

Piraterie statt Streaming-Anbieter

Der Anteil der Personen, die auf raubkopierte Inhalte zugreifen, variierte je nach Land und reichte von neun Prozent in Finnland und Dänemark bis zu 22 Prozent in Malta. Eine bessere Erschwinglichkeit und eine größere Auswahl an Inhalten aus legalen Quellen waren die am häufigsten genannten Gründe, um unerlaubt hergestellten Inhalten den Rücken zu kehren.

Laut der Studie über die Wahrnehmung des geistigen Eigentums durch Bürgerinnen und Bürger sind sich Europäerinnen und Europäer zunehmend der Risiken und Folgen des Kaufs gefälschter Waren und des Zugriffs auf Inhalte aus illegalen Quellen bewusst. Europaweit waren zwei von drei Befragten der Meinung, dass Fälschungen eine Gefahr für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt darstellen.

Vier von zehn Europäerinnen und Europäern haben im vergangenen Jahr für den Zugang zu Inhalten aus einer legalen Quelle bezahlt, in Österreich waren es 38 Prozent. Im Hinblick auf Produktpiraterie stimmten 82 Prozent der Europäerinnen und Europäer darin überein, dass die Beschaffung digitaler Inhalte aus illegalen Quellen die Gefahr schädlicher Praktiken (Scams oder unangemessene Inhalte für Minderjährige) birgt.

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Sind "Fakes" akzeptabel?

Trotz dieser positiven Ergebnisse zeigt die Studie auch, dass jeder Dritte in Europa (31 Prozent) es nach wie vor für akzeptabel hält, gefälschte Waren zu kaufen, wenn der Preis für das Original zu hoch ist. Dieser Anteil steigt auf die Hälfte bei jüngeren Verbrauchern im Alter von 15 bis 24 Jahren.

Befragt zum konkreten Verhalten gaben 13 Prozent der Befragten an, in den vergangenen zwölf Monaten wissentlich gefälschte Waren gekauft zu haben. Diese Zahl liegt bei den 15- bis 24-Jährigen sogar bei 26 Prozent und ist damit doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt, während sie in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen auf sechs Prozent und bei den über 65-Jährigen auf unter fünf Prozent sinkt.

Auf Länderebene variiert der Anteil der Verbraucherinnen und Verbraucher, die wissentlich gefälschte Waren gekauft haben, zwischen 24 Prozent in Bulgarien und acht Prozent in Finnland.

Der Schaden

Der Schaden der Produktpiraterie zeigt sich auf vielen Ebenen. Zum einen schädigen sie Europas Wirtschaft jährlich um mehr als 60 Milliarden Euro. In Österreich waren es 2019 etwa eine Milliarde Euro. Laut dem Bundesministerium für Finanzen hat sich im Jahr 2021 die Anzahl der beschlagnahmten Sendungen gegenüber dem Vorjahr um rund 150 Prozent erhöht.

Besonders betroffen waren Fälschungen, die über das Internet verkauft und per Post geliefert wurden. Der österreichische Zoll hat in den Vorjahren 8.210 Sendungen mit 317.814 gefälschten Produkten im Gesamtwert von 12,3 Millionen Euro abgefangen.

Doch damit nicht genug: Laut Studien der OECD und EUIPO gefährden Produktfälschungen und ihr Schmuggel zunehmend auch Arbeitsplätze im schutzrechtsintensiven Wirtschaftszweig.

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