Die Herausforderung ist, Mitarbeiter zu fördern und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit im Auge zu behalten – geht sich das aus?
Es geht nicht nur, es muss. Die Aufgabe von Führung ist, sich um Menschen und Ergebnisse zu kümmern. Das eine kann ohne das andere nicht stattfinden. Deshalb schaue ich mit einer Ambivalenz in die Start-up-Szene. Lange Zeit ging es nur darum, dass es alle möglichst lässig haben. Man hat sich überboten mit Benefits, von der Massage bis zur Yogastunde. Auf einmal kam eine wirtschaftlich angespannte Situation und die Start-up-Welt entdeckte, dass unterm Strich etwas übrigbleiben muss.
Sie kritisieren, dass viele in Führungspositionen gelangen, ohne bereit dafür zu sein. Was braucht es denn dafür?
Ich kann sagen, was es nicht braucht, und das ist die besten Fachkräfte zur Führungskraft zu machen. Fachliche Qualitäten sind das eine, Führungsqualitäten das andere. Das Gute ist, dass man Führung lernen kann. Aber die Tatsache, dass acht von zehn unvorbereitet in diese Rolle gelangen, zeigt ja nur, dass es nicht mit der gleichen Sorgfalt behandelt wird wie die fachliche Notwendigkeit. Obwohl das Schicksal eines Unternehmens in ihren Händen liegt.
Lesen Sie mehr: Was gute Chefs ausmacht und welche Regeln sie niemals missachten würden
Was würde passieren, wenn wir die fachlich inkompetentesten aber menschlich fähigsten ins Top-Management holen?
Ich habe fünf Unternehmen und habe im Wirkungsprozess eines herausgefunden: Dass ich in den Unternehmen, in denen ich fachlich am wenigsten bewandert bin, der beste Chef bin. Ich stelle in diesen Firmen deutlich mehr Fragen, agiere mit mehr Zutrauen und Verantwortungsübertragung.
Es fällt leichter, Wertschätzung entgegenzubringen.
Absolut. Es ist keine gute Führungsqualität, sich selbst als den klügsten im Raum zu sehen. Natürlich verleitet die hohe Fachkompetenz dazu, das so zu sehen. Die Aufgabe von Führung ist aber, Rahmen und Richtung zu geben und Menschen zu Erfolgserlebnissen zu verhelfen.
Was macht das mit der klassischen Karriere, in der man sich nach oben arbeitet. Ist sie durch dieses Konzept obsolet?
Das würde ich aus zwei Gründen nicht so empfinden. Weil es spannend ist, Zusammenhänge innerhalb eines Unternehmens zu erkennen. Und diejenigen die besseren Chefs sind, die selbst einmal für einen gearbeitet haben. Das ist der entscheidende Teil im Werdungsprozess einer Führungskraft: Selbst zu wissen, wie es ist, geführt zu werden.
Welchen Tipp würden Sie allen Führungskräften geben?
Führungskräfte sollten aufhören, Perfektion zu heucheln. Vorzugeben, dass sie frei von Fehlern wären und permanent alles im Griff hätten. Mit dieser Haltung machen sich Führungskräfte massiv angreifbar und beschädigen das Vertrauen in Unternehmen.
Wie weit sind unsere Führungskräfte im Berücksichtigen Ihrer angeführten Punkte?
Es beschäftigen sich immer noch zu wenige bewusst mit der eigenen Entwicklung als Führungskraft. Mitarbeiter haben sich aber ordentliche Führungskräfte verdient.
Schafft man das nur mit Coaching?
Eines der wichtigsten Führungstools ist der Spiegel. Der Spiegel im Sinne der Selbstreflexion, zu der man als Führungskraft überaus im Stande sein sollte. Der Spiegel in Form der eigenen Mitarbeiter. Es gibt den Spruch „Attitude Reflects Leadership“ – dieser besagt, dass sich am Verhalten des Teams ableiten lässt, wie gut die Führung ist. Und der dritte Spiegel kann natürlich auch ein Coach sein, keine Frage.
Ihr Buch ist der Auftakt einer ganzen Buchreihe. Welche Themen brennen noch unter Ihren Fingernägeln?
Das fängt bei kommunikativen Themen wie Personal Branding an, was gerade bei CEOs in höchstem Maße relevant ist, und führt bis zur Frage, wie wir es schaffen, mehr Begeisterung für unsere Sache in anderen auszulösen. Es gibt eine Fülle von Themen, die mich beschäftigen. Die Buchreihe ist über die nächsten Jahre geplant und es soll jedes Jahr etwas erscheinen.
Kommentare