Paula Glawion war soeben 20 geworden, als sie zwei Monate später ihre Meisterprüfung im Damenkleidermachen bestand. Der Weg dorthin war nicht einfach, denn nicht alle glaubten, dass man in einem so jungen Alter bereits Meisterin sein kann oder soll. Wie sie es trotzdem geschafft hat und warum das eigentlich gar nicht ihr Plan A war.
KURIER:Am Mittwoch wurden bei einer feierlichen Zeremonie in der Wiener Hofburg die Absolventen der Meister- und Befähigungsprüfungen der Jahre 2022 und 2023 geehrt. Sie sind die jüngste Meisterin aus diesen Jahrgängen, haben sich mit 20 Jahren den Titel geholt. Wie ist Ihnen das so schnell gelungen?
Paula Glawion: Nachdem ich fünf Jahre in der Modeschule Mödling war, war es gar nicht mein Ziel, den Meister zu machen. Es war eigentlich nur mein Plan B. Viele Professoren haben mir davon abgeraten, zweifelten, ob ich schon genug Erfahrung hätte. Aber das hat mich dann noch mehr gereizt, weil ich es nicht nur mir, sondern allen anderen beweisen wollte. Also habe ich mich für die Meisterklasse in der Herbststraße für Theaterkostüme beworben. Die Zeit verflog total schnell, dann stand schon die Meisterprüfung bevor. Und ich habe sie beim ersten Versuch gleich geschafft.
Und was wäre Plan A gewesen?
Ich wollte zuerst an der Angewandten Design studieren, aber das wurde zum Glück nichts. Weil sie tatsächlich niemanden annehmen, der unter 25 Jahren ist. Im Nachhinein hätte ich daran vermutlich keine Freude gehabt. Ich bin lieber gleich am Handwerk, statt Theoretisches zu lernen.
Warum riet man Ihnen im Vorfeld von der Meisterprüfung ab? Nur aus Sorge, es wäre noch nicht zu schaffen?
Die Modeschule Mödling hat in Wien leider nicht so einen guten Ruf, deswegen dachte man, ich würde an der Herbststraße nicht genommen werden. Aber das wurde ich dann doch. Am Anfang zweifelte ich deshalb an mir, später hat man dann aber gesehen, dass ich schnell und gut arbeiten kann.
Was haben Sie von Ihrer Meisterprüfung noch besonders in Erinnerung?
Mich hat verwundert, dass uns abgeraten wurde, in Wien die Meisterprüfung abzulegen, weil sie dort am schwierigsten sei. Deswegen sind ganz viele in Graz und im Burgenland angetreten. Von rund 15 haben es nur zwei in Wien probiert. Im Endeffekt war es aber gar nicht so furchterregend. Es war total gut.
Wie haben Sie sich vorbereitet?
Bei der Meisterprüfung als Damenkleidermacherin hat man eine Kundin vor Ort, der man eine maßgeschneiderte Jacke nähen muss. Die Jacke ist aus Wolle, gefüttert, mit Taschen und in Handarbeit, wie ein Blazer. Das sind so viele Arbeitsschritte, da muss jeder Handgriff sitzen, weil es auch auf Zeit geht. In der Meisterklasse wurden wir gut vorbereitet, mussten vier Damenjacken nähen. Ich habe acht oder neun genäht. Im Endeffekt war ich dann auch die Schnellste. Wenn man sich also wirklich ins Zeug legt, schafft man es auch.
Ich musste leider auch feststellen, dass ich nicht ganz ernst genommen wurde und man mich belächelt hat.
von Paula Glawion
Seit 2020 kann man den Meistertitel vorangestellt im Namen anführen – hat das für Sie persönlich etwas verändert?
Durch den Titel nicht unbedingt, aber durch das, was ich in der Meisterklasse gelernt habe. Die dauert zwar nur ein Jahr, ist aber sehr kompakt. Man hat eine 40-Stunden-Woche plus Überstunden, die man macht, um die Termine einzuhalten. Da lernt man so viele Feinheiten, die mich immer noch begleiten.
Hat es sich ausgezahlt für Sie?
Manchmal sind die Leute schockiert, können gar nicht glauben, dass ich so jung schon einen Meistertitel habe. Ich musste leider auch feststellen, dass ich teilweise nicht ganz ernst genommen wurde und man mich belächelt hat wegen meines Alters. Obwohl ich den Meistertitel habe. Nach dem Motto: Wenn sie ihn jetzt schon so jung hat, kann der Titel nicht so schwer sein.
Wie verlief Ihre Karriere nach der Prüfung?
Ich habe erst einmal ein paar Monate gebraucht, um mich zu sammeln. Es war ein intensives Jahr, nicht nur weil die Prüfung ein zeitlicher, sondern auch finanzieller Druck ist. Diese Jacken, die ich genäht habe, den Wollstoff, den ich kaufen musste und die Prüfung, die mehrere hundert Euro kostet. Es steht so viel auf dem Spiel, wenn da der Druck abfällt, braucht man erst etwas Zeit. Aber ich hatte das Glück, als Hospitantin direkt danach im Burgtheater schnuppern zu dürfen und habe zwei Produktionen begleitet. Dort hinter die Kulissen schauen zu dürfen, hat mich so gepackt. Ich hätte mir keinen besseren Start vorstellen können.
Dem Theater sind Sie bis heute treu geblieben. Aktuell arbeiten Sie am Stadttheater Landsberg in Deutschland an der Premiere zur Dreigroschenoper, die heute stattfindet.
Ich habe so schnell diese Liebe zum Theater gefunden. Nicht nur hinter der Bühne, sondern auch auf ihr als Schauspielerin. Wenn man gemeinsam auf diesen Brettern schafft, eine Geschichte zum Leben zu erwecken, ist das ein unbeschreibliches Gefühl. Ich sehe auch, was es für einen Unterschied macht, wenn die Leute eingekleidet werden, meine Kostüme tragen. Wie sie sich plötzlich anders bewegen. Das hat mich so angetrieben.
Ich verwende am liebsten das, was bereits existiert. Das Hochzeitskleid, das in der Dreigroschenoper vorkommt, ist teilweise aus Gardinen geschneidert, aus einem Spitzenstoff, den ich am Flohmarkt gefunden habe.
Erntet das viel Begeisterung in Ihrem Umfeld, wenn man Produkte wiederverwertet statt neu kauft?
Gerade in dem Team, in dem ich als Kostümbildnerin gerade bin, habe ich so viele Menschen, die mich unterstützen. Ich darf ausleben, was ich mir vorstelle. Kann mein eigenes Konzept auf die Bühne bringen und merke, wie gut mir das tut und wie gut es bei den anderen ankommt.
Die Meisterfeier 2024
Am Mittwoch, dem 26. Juni, fand in der Wiener Hofburg die 15. Meisterfeier der Wirtschaftskammer Wien in der Sparte "Gewerbe und Handwerk" statt. Neben Paula Glawion wurden insgesamt 687 neue Meisterinnen und Meister für Wien zelebriert, die 2022 und 2023 Meister- und Befähigungsprüfungen absolviert haben. Maria Neumann, Obfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk, ist stolz auf die Bandbreite der Berufe, die anschließend ausgeübt werden.
Besonders stark vertreten waren dieses Jahr Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger, gefolgt von Baumeistern und Elektrotechnikern. Auch die Bereiche Kosmetik, KFZ-Technik sowie Friseur- und Perückenmacher waren beliebt.
"Dank der Höheren Beruflichen Bildung wird die Lehre enorm aufgewertet", sagt Maria Neumann. "Junge Menschen haben im Betrieb künftig dieselben Entwicklungschancen wie auf der Schulbank oder an der Uni. Es muss niemand mehr aus Prestigegründen eine AHS-Matura machen, der Weg zur Höherqualifizierung geht jetzt auch über die Lehre."
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