Palmers CEO: "Die Marke ist den Menschen egal geworden“
Hohe Bekanntheit, zu wenige Käuferinnen: Palmers steckt seit Jahren in der Krise und hat zuletzt hohe Verluste bilanziert. Jetzt ist Janis Jung CEO. Der gelernte Unternehmensberater fährt einen schonungslosen Sanierungskurs. Er verändert die Marke, die in Österreich jeder kennt, radikal. Und auch die Werbelinie. Im Gespräch zeigt sich Jung von seinem Kurs überzeugt: „Palmers muss wieder für etwas stehen“.
KURIER: Palmers hat eine lange Geschichte. Muss man sich Sorgen machen?
Janis Jung: Das ist mit einem klaren Nein zu beantworten. Es gibt Themen aus der Vergangenheit, die wir bereinigt haben und mit denen wir umgehen müssen. Wir sind auf einem guten Weg, im operativen Geschäft fast profitabel.
12,6 Millionen Euro Verlust im vergangenen Jahr beunruhigen Sie nicht?
Das ist nicht ein rein operativer Verlust. Es ist das bilanzielle Ergebnis, das auch aus notwendigen Einmaleffekten und Wertberichtigungen besteht. Etwa: der Rückzug aus den CEE-Ländern.
Rückzug heißt konkret?
Fokussierung auf Österreich, Deutschland, Kroatien.
Wie lange kann Palmers so ein Minus verkraften?
Nicht mehr lange. Deshalb optimieren wir die Unternehmensstruktur und lösen uns etwa von den CEE-Ländern. Und dann müssen wir unsere Hausaufgaben in den Märkten machen, wo wir stark sind. Wir haben die Stellschrauben gedreht und sehen im ersten halben Jahr erste Erfolge. Wir glauben daran und wir brennen dafür. Aber: unsere Time-to-market war sehr lang, teilweise bis zu 18 Monate von der Idee bis zum Produkt im Geschäft, weil der Prozess und die Lieferketten – auch durch Asien – lange sind. Die Produktzyklen müssen schneller werden, aber das geht nicht von heute auf morgen.
Wie sehr müssen Sie das Filialnetz verkleinern?
Da geht es nicht um müssen, sondern um sinnvoll konsolidieren. Um den sozialen Aspekt gleich anzusprechen: Wir planen keine Kündigungen, wir stehen mehr vor der Herausforderung, dass langjährige Mitarbeiter in Pension gehen und wir vor dem Problem stehen, gute Leute zu finden. Im ersten Bezirk haben wir in 800 Meter Umkreis acht Filialen – das ist nicht mehr zeitgemäß. Es braucht nicht an jeder Ecke eine Filiale, so funktioniert Handel nicht mehr. Wichtiger ist, dass wir unser Online-Geschäft ausbauen.
Wo steht Online im Umsatzanteil derzeit?
Wir liegen da bei unter fünf Prozent vom Umsatz. Das muss auf mindestens 15 Prozent wachsen. Im E-Commerce haben wir den Zug nahezu verpasst. Ich denke, am Ende werden die erfolgreich sein, die eine gute Omni-Channel-Strategie fahren. Ich glaube, dass in Zukunft nur noch wenige Leute mit einem Sackerl aus dem Geschäft gehen werden. Es wird Erlebniswelten im Geschäft geben, der Kunde sagt, was er will und dann ist es unsere Aufgabe, dem Kunden das Gekaufte innerhalb weniger Stunden nach Hause zu liefern. Mit entsprechender Logistik.
Wann kommt Palmers wieder in die Gewinnzone?
Wir planen, nächstes Jahr wieder ins Plus zu kommen. Wir planen, sogar jetzt das zweite halbe Jahr (geht bis Ende Jänner, Anm.) positiv abzuschließen. Im ersten Halbjahr war das Minus auch deshalb so groß, weil wir extreme Lieferverzögerungen durch die Situation im Suez-Kanal hatten. Womit wir wieder beim Thema wären, dass die Produktion näher erfolgen soll. Rumänien ist ein interessanter Standort, auch die Ukraine. Da muss man mit der politischen Lage derzeit aber sehr vorsichtig sein, wir können da kein Klumpenrisiko aufbauen. Wir haben uns die Produktion in Kiew angeschaut, das ist wirklich beeindruckend, was die dort machen können, zu teilweise geringeren Preisen und viel besserer Qualität als in Asien.
Was ist aus Ihrer Sicht der Grund dafür, dass es bei Palmers seit Jahren nicht läuft?
Wer sagt, dass es aktuell nicht läuft? In den vergangenen Jahren gab es Probleme und Fehlentscheidungen bei Produktion, Kollektion und Positionierung der Marke. Das ist gefährlich, denn die Marke ist den Menschen egal geworden.
Obwohl die Marke sehr bekannt ist.
Als ich hierher kam, hat man mir gesagt, die Marke hat eine Bekanntheit von 100 Prozent. Stimmt. Aber ich hätte lieber 30 Prozent – und die kaufen auch tatsächlich bei uns ein. Das war also viel Schönreden der Situation. Es ist unsere Aufgabe, die Marke in der Zielgruppe wieder relevant zu machen.
Die Nachrichten über Palmers waren in den vergangenen Jahren zumeist negativ.
Was mir wehtut: unsere Leute draußen müssen das ausbaden. Palmers soll wieder eine coole Marke werden, das Kulturgut, zu dem jeder eine Geschichte hat. Und die für etwas steht.
Wofür denn?
Wir krönen Frauen, wir krönen unsere Kundinnen. Und wir wollen Haltung zeigen und die Frauen dabei unterstützen, für das einzustehen, was sie sind und wie sie sind. Es steht niemandem auf der Welt zu, irgendjemand anderen zu bewerten. Es ist mir wichtig, dass unsere Kundinnen sich so wohlfühlen, wie sie sind.
Sie wollen aber weiterhin im Premiumsegment angesiedelt sein.
Absolut. Sonst gehen wir unter. Wir sind zu klein, um mit Marktteilnehmern wie etwa Intimissimi konkurrieren zu können. Unser Weg kann nur im Premiumsegment stattfinden, wobei ich betonen will, dass wir nicht Luxury sind. Auch diese Zielgruppe wäre zu klein, um davon zu leben. Wir wollen die Frau ab 30, die im Leben steht und sich selbst was Gutes tun will und sich was leisten will.
Weil oft gehört: Männer würden lieber ein anderes Bild von Frauen sehen wollen, also lieber die Werbekampagne von früher.
Genau – und wie viele Männer kaufen bei uns ein? Über 90 Prozent unserer Kundschaft sind Frauen. Wir machen keine Werbung für Männer, die kaufen nicht primär bei uns ein. Wir wollen, dass sich Frauen mit uns identifizieren können. Dass sie für sich was kaufen, nicht für die Männer. Bei unserem Fotoshooting waren Mitarbeiterinnen mit Tränen in den Augen und haben gesagt: Wow, ich hätte nie gedacht, dass ein Bikini auf einem normalen Körper so gut aussehen kann. Was wir mit unserer Werbung wollen, ist Frauen zu stärken. Wir zeigen Narben, wir zeigen Leberflecke und Pigmentstörungen. Wir retuschieren nicht. Wir wollen keine Traumwelt verkaufen, keine Illusion, die man niemals erreichen kann. Es fehlt in unserer Gesellschaft, den jungen Mädchen zu zeigen, dass sie okay sind, wie sie sind.
Auch neu ist, dass Sie mit Crowdfunding versuchen, Geld zu lukrieren, um Filialen zu modernisieren. Da haben Sie bisher rund 380.000 Euro eingenommen, Ziel sind 500.000 Euro.
Das ist etwas, das wir ausprobieren. Wir werden die Filialen modernisieren und da stellte sich die Frage, wie wir das finanzieren. Wir können zur Bank gehen und einen Kredit nehmen – und dort Zinsen zahlen. Oder versuchen, einen neuen Weg zu gehen, zu den Kunden, und zahlen ihnen die Zinsen. Es war uns klar, dass man denken könnte, das ist unser letzter Ausweg. Stimmt aber nicht: Wir meinen, wenn wir schon Zinsen zahlen müssen, dann geben wir die lieber unseren Kunden.
Sie sind 1991 geboren, in Deutschland. Können Sie sich an die großen Palmers-Zeiten überhaupt erinnern?
Keine Sorge, ich kenne die Geschichte.
Sie sind sichtlich modeaffin, haben aber keine Branchenerfahrung. Modehandel und Wäsche – können Sie das?
Wir sind ein fantastisches Team mit Experten, die jahrelang in diesem Bereich arbeiten. Ich muss als CEO kein Spezialist auf diesem Gebiet sein. Ich bin die unwichtigste Person hier. Ich bin der Problemlöser und muss einen Rahmen für die Leute schaffen, dass sie gut arbeiten können. Ich räume Steine aus dem Weg und halte meinen Kopf hin, ich schaffe Ruhe. Das sind meine Aufgaben.
Die „unwichtigste“ Person ist 32 Jahre alt. Mit Verlaub: ziemlich jung für den CEO in einem Traditionsbetrieb.
Gute Anmerkung. Ich beschäftige mich mit den Themen Organisation und Umstrukturierung seit mehr als zehn Jahren intensiv. Das hat mich immer interessiert. Ich hatte das Glück, Mentoren zu haben, die mir viel beigebracht haben. Ich bin Generalist und liebe, was ich tue. Und ich habe ein tolles Team hier.
Sind Sie der Turnaround-Manager, der bald wieder weg sein wird.
Es ist definitiv auf länger angesetzt, diese Festlegung habe ich auch von meinem Führungsteam eingefordert. In meiner Beraterzeit haben wir saniert und restrukturiert – und sind immer dann gegangen, wenn es gut wurde. Jetzt will ich bleiben, wenn es gut wird.
110 Jahre Wäschegeschichte
Palmers gibt es seit 1914, auf die Expansion folgt heute die Restrukturierung
Plakate damals und heute: 1953 sprach man noch von Büstenformern, die 1990er- und 2000er-Jahre war Supermodel-Zeit. Heute setzt Palmers auf „Sexy, not sorry“, CEO Janis Jung: „Wir wollen keine Traumwelt und keine Illusionen verkaufen“
Janis Jung, 32, studierte Volkswirtschaft und Philosophie in Frankfurt und London. Er war Unternehmensberater, Mitgründer des Start-ups (MOOCI). Im August 2023 wechselte er zu Palmers, seit Februar 2024 ist er CEO des Wäschekonzerns.
Die Palmers-Bilanz war in den vergangenen Jahren tiefrot: der Umsatz lag 2022/23 bei 66,6 Mio. EUR, der Bilanzverlust zuletzt bei einem Minus von 12,6 Mio. EUR (Ebit). Die Rückkehr in die Gewinnzone wird für 2025/26 angestrebt. Aktuell hat Palmers 120 eigene und 60 Franchise-Filialen; Personalstand: 544 Mitarbeiter. Die Palmers Textil AG gehört heute zu 50 % der „CFA Contact-Finanz- und Handelsgesellschaft“, Luca Wieser (22,22 %) und Tino Wieser (27,78 %).
Lange Geschichte
1914 gründete Ludwig Palmers das „grüne“ Wäschegeschäft, damals mit Schürzen und Stoffresten, nach dem Ersten Weltkrieg spezialisierte man sich auf Strumpf- und Wäschewaren. Bereits im Jahr 1927 gab es acht Filialen in Österreich.
Nach dem Zweiten Weltkrieg startete die Expansion. Unter der Leitung von Walter Palmers (Sohn des Gründers) wurde ein flächendeckendes Filialnetz in Österreich aufgebaut. In den 1990er-Jahren war das Unternehmen auf dem Zenit seines Erfolgs, Palmers war allgegenwärtig, auch in Kinderzimmern. 1996 gab es eine Barbiepuppe als „Palmersverkäuferin“.
Die Geschichte von Palmers ist auch eine Geschichte der Werbung. In den 1950er-Jahren gab es den „Plakatskandal“ (Damenbeine in Strümpfen!), über Jahrzehnte sorgten Starfotografen für Aufsehen, die Models der 90er-Jahre für Palmers waren Superstars wie Naomi Campbell und Cindy Crawford.
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