"Omas als Investoren für Betriebe"
KURIER: Österreich hat einen neue Rekord-Arbeitslosenquote von 9,4 Prozent. Ist Selbstständigkeit ein Weg aus der Arbeitslosigkeit?
Walter Bornett: Es ist eine Option, aber nicht jeder ist für die Selbstständigkeit geeignet. Man muss viel Risiko, Arbeitsbelastung in Kauf nehmen. Aber speziell für den Handwerker ist Selbstständigkeit attraktiv. Die Stimmung ist allerdings gelinde gesagt gedämpft, es gibt ein Gerangel um Aufträge. Andererseits haben wir jährlich einen Rekord an Unternehmensgründungen, die Attraktivität steigt, die Barrieren sind kleiner geworden.
In welcher Sparte würden Sie heute gründen?
Meine Eltern hatten einen Kürschnerbetrieb. Heute steht mir die Sparte Information und Consulting am nächsten. Die Gründungsquote – Neugründungen im Vergleich zu bestehenden Unternehmen – ist dort am höchsten.
Die Sparte Gewerbe und Handwerk leidet dagegen besonders unter der schlechten Konjunktur.
Sie befindet sich in schlechter Gesellschaft mit Stagnation, ohne Bewegung nach oben.
Daran wird sich nicht viel ändern?
Naja, es bestehen große Hoffnungen in der Steuerreform 2016. Die fünf Milliarden sind zwar nur ein Tröpfchen bei einem Bruttoinlandsprodukt von 30, aber sie müssten die Wirtschaft wenigstens ein bisschen beleben.
Crowdfunding – die Finanzierung über viele kleine Investoren – war bisher für innovative Start-ups ein Thema. Sehen Sie da Potenzial für den klassischen Handwerker?
Unbedingt. Diese Betriebe sind lokal verankert, man trifft den Unternehmer in der Kirche, im Wirtshaus. Warum sollte man ihm nicht Geld geben, damit er etwas Gescheites macht, das mehr Zinsen abwirft als die anonyme Veranlagung? Es werden nicht Millionen sein, aber für die Finanzierung von Projekten reicht es. Ich denke an einen Metallerbetrieb, der in eine neue Maschine investieren will. Ich glaube, die Nachfrage ist da. Oma und Opa helfen einem prosperierenden Betrieb gern, wenn ihr Enkel gerade einen Job sucht. Es geht ja auch um Arbeitsplätze in der Region.
Große Firmen setzen auf teure Kampagnen, um sich als gute Arbeitgeber zu positionieren. Was können die kleinen tun?
Viele sind bereits im Kindergarten präsent, bieten später Schnupperlehren an. Das sind regionale Maßnahmen. Aber es gibt Großbetriebe, die Mopeds an Lehrlinge verschenken, da kann ein kleiner nicht mithalten.
Die Nachfrage nach hochwertigem Handwerk steigt. Wie wirkt sich das auf die Betriebe aus?
Dadurch können Beschäftigte und Lehrlinge gehalten werden, das ist positiv. Einen Boom wie in den 1970ern gibt es aber nicht. Denn wir haben ein Kaufkraftproblem: Jeder hätte gern das Hochwertige, nicht alle können es sich leisten.
Immer mehr Unternehmen verzichten auf Lehrlinge, gleichzeitig suchen sie Fachkräfte. Wie passt das zusammen?
Die Lehrlingsausbildung ist eine Herausforderung, die umso größer wird, je kleiner der Betrieb ist. In einem Betrieb mit drei, vier Mitarbeitern muss der Chef mindestens 50 Prozent seiner Arbeitszeit für den Lehrling opfern. Die Lehrberufe sind mit jenen vor zehn, zwanzig Jahren nicht vergleichbar, vieles ist computerisiert, komplex. Und dann werden viele Lehrabsolventen von großen Firmen mit mehr Gehalt und starken Gewerkschaften abgeworben. Doch auch der kleine Betrieb hat Vorteile: er ist familiär, die Jobsicherheit ist größer, auch wenn das Geschäft mal nicht gut läuft.
Deutschland entdeckt derzeit Asylwerber als Fachkräfte von morgen. Auch für Österreich eine Option?
Angesichts der demografischen Entwicklung wird uns nichts anderes übrig bleiben. Man muss die Suche aufs benachbarte Ausland ausweiten, Betriebe könnten in Ungarn nach Lehrlingen suchen.
Ich habe eher an ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland gedacht.
Das ist schwierig, die Qualifikationen sind sehr unterschiedlich. Ich kenne ein Beispiel aus der Baubranche, wo ausländische Fachkräfte nichts dabei gefunden haben, eine Treppe mit unterschiedlich hohen Stufen zu mauern.
Die Regierung arbeitet an einem Gesetz, das Beteiligungen an KMU über Finanzierungsgesellschaften erleichtern soll. Was bringt das?
Die Beteiligungsfinanzierung ist ein Minderheitenprogramm. Sie ist nur relevant für etwa 5000 Betriebe mit 50 bis 250 Mitarbeitern. Mehr Potenzial für Kleinbetriebe sehen wir jedenfalls im Crowdfunding. Seit die Summe für die Prospektpflicht erhöht wurde, ist das eine echte Alternative zur Bankfinanzierung geworden.
Welche Maßnahmen müsste die Regierung für kleine und mittlere Betriebe sonst noch setzen?
Höchste Priorität hat die Senkung der Lohnnebenkosten für Betriebe – und zwar ohne Gegenfinanzierung über Belastungen. Die öffentliche Hand sollte, statt nur zu sparen, lieber intelligent auf kommunaler Ebene in die Infrastruktur investieren. Am Wohnbau sind beispielsweise bis zu 20 Branchen beteiligt.
Zur Person
Walter Bornett ist Direktor der KMU Forschung Austria.
Das Institut forscht und analysiert die wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Lage der Klein- und Mittelbetriebe in Österreich.
KMU in Österreich
99,6 Prozent der heischen Unternehmen sind Klein- und Mittelbetriebe mit maximal 250 Mitarbeitern. Von 2,2
Millionen Beschäftigten insgesamt sind rund 1,4 Millionen in Klein- und Mittelbetrieben beschäftigt. Rund 450.000 Menschen arbeiten in der Sparte Gewerbe und Handwerk, 272.000 im Handel und mehr als 240.000 im
Tourismus.
Kommentare