Neuer Alpenverein-Generalsekretär: „Für mich ist es eine Berufung“
KURIER: Der Winter ist bald vorbei, trotz ausbleibendem Tourismus waren Parkplätze und Berge voll. Wie blicken Sie auf die Saison?
Clemens Matt: Es gab einen ziemlichen Run auf die Berge. Jetzt im Winter sind es vor allem Skitourengeher. Das hat zu Konflikten und Engpässen in den Tälern geführt, wo an den Parkplätzen ein Limit erreicht worden ist. Für uns als Alpenverein ist das eine große Herausforderung, denn der Boom auf die Berge wird bleiben. Wir versuchen, die Vorteile für die An- und Abreise mit öffentlichen Verkehrmitteln aufzuzeigen. Zum Beispiel fallen Parkplatzsuche und Parkgebühren weg.
Hat Corona dem Alpenverein eigentlich mehr neue Mitglieder und damit ein größeres Budget beschert?
In den vergangenen Jahren gab es Zuwächse zwischen 15.000 bis 28.000 Mitgliedern, in diesem Jahr waren es 2.700. Wir sind aber nicht enttäuscht, angesichts der Umstände. Was das Budget betrifft: Uns stehen rund 43 Millionen Euro zur Verfügung. Knapp 50 Prozent speisen sich aus Mitgliedsbeiträgen, der Rest unter anderem aus Hüttennächtigungen, Kursen, Sponsoring, Spenden und öffentlichen Förderungen. Da viele Kurse ausgefallen sind, haben wir aber auch Einbußen.
Seit sechs Monaten sind Sie Generalsekretär des Österreichischen Alpenvereins, einer Non-Profit-Organisation. Davor waren Sie Manager bei Novartis. Warum dieser Wechsel in eine andere Welt?
Ich bin dankbar, was ich in den vergangenen Jahren bei Novartis erlebt und erreicht habe. Es ist zwar ein Konzern, der auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist, aber ich habe die Arbeit auch immer als sehr sinnvoll gesehen. Der Alpenverein ist natürlich eine ganz andere Welt, es geht um einen übergeordneten Zweck und die Frage, wie wir unsere Zukunft gemeinsam gestalten, gerade was die alpine Umgebung betrifft. Das ist eine spannende Aufgabe. Die Zusammenarbeit in Gremien ist sicher Neuland für mich – Entscheidungen brauchen ihre Zeit, dafür sind sie wohlüberlegt.
Ist Ihnen der Wechsel nach 25 Jahren Konzernkarriere nicht schwer gefallen?
Es ist leichter, von einer Profit-Organisation in eine Non-Profit-Organisation zu wechseln, als umgekehrt. Man kann sehr wohl voneinander profitieren. Denn am Ende des Tages muss auch eine Non-Profit-Organisation auf Erträge schauen, den Gewinn optimieren, investieren. Man muss sich Abteilungen, die sich dem Naturschutz widmen, ja auch leisten können.
Sie selbst sind begeisterter Bergsportler. War das eine Voraussetzung für den Job?
Natürlich, sonst kann ich mit den ganzen Bergsport-Kapazundern, die ich hier im Team habe, gar nicht mitreden (lacht).
Wie werden Sie Ihre Management-Fähigkeiten im neuen Job einsetzen?
Ich habe viel Erfahrungen darin, wie man einen Businesscase erarbeitet, Finanzierungen aufstellt und Entscheidungen trifft. Ich komme aus einer Umgebung, wo schnelle Entscheidungen nötig sind, das ist sicher etwas, wo man auch im Alpenverein ansetzen kann. In den Gremien gibt es oft lange Vorlaufzeiten und ich glaube, da könnte man etwas mehr mit der Zeit gehen. Die Zeiten sind schnelllebiger geworden.
Was möchten Sie verändern?
Ich möchte unsere App Alpenvereinaktiv weiterentwickeln, mehr auf Videos und Podcasts setzen, in denen Experten etwa Sicherheitsthemen erklären werden. Ich möchte dem Verein zu einem gesunden Wachstum verhelfen, mehr Mitglieder gewinnen. Auch im Verein selbst sind Innovationsfragen wichtig. Aber das ist ein Prozess, den ich sukzessive ansetze, es muss Raum und Zeit für Gespräche geben.
Stichwort Gremien-Kultur.
Ja (lacht). Wenn man zu schnell ist, stößt man auf Widerstand.
Sie sind auch ehrenamtlicher Tourenführer. Werden Sie dafür noch Zeit haben?
Ich werde weiterhin ehrenamtlich tätig sein, Touren sind auch schon geplant. Das ist gut für den Austausch und man kriegt ein Gespür dafür, was in den 197 Sektionen des Vereins gemacht wird und wie es Mitgliedern geht.
Clemens Matt (47) ist seit Oktober 2020 Generalsekretär des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV). Er löste damit Robert Renzler ab, der über 20 Jahre die Geschicke des Vereins lenkte. Matt stammt aus Mutters in Tirol, studierte Bauingenieurswesen und Betriebswirtschaft und war 25 Jahre für die Novartis AG tätig.
Er beschreibt sich selbst als durchsetzungsfähig, als Führungspersönlichkeit mit hoher sozialer Kompetenz und einem Gespür für Menschen. Der Vater zweier Töchter ist zudem begeisterter Bergsportler, u. a. Skitourengeher und Kletterer.
Matt ist auch Skifahrer, spricht sich aber gegen den Ausbau von Skigebieten im Hochgebirge aus: „Es braucht ein Gleichgewicht“.
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