Neue Plattform für Nachtarbeiter

In Spitälern sind Nachtdienste Usus. Doch sie können krank machen.
Kaum Schlaf, Bauchschmerzen, Depression: Was tun gegen die bösen Folgen der Nachtarbeit?

Wenn alle anderen schlafen, machen sie ihren Job. In der Produktion, im Krankenhaus, im Altenheim. Rund 619.000 Personen erbringen Nachtarbeit, etwa 600.000 Menschen sind laut Statistik Austria im Schicht- oder Wechseldienst tätig.

Unregelmäßige Arbeitszeiten und insbesondere die Nachtarbeit schlagen sich auf Gemüt und Körper des Menschen. Der Mensch ist nämlich tagesaktiv. Die Umstellung auf regelmäßige Nachtschichten belastet den Organismus. Ein unregelmäßiger Schlafrhythmus kann zu Magenproblemen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, zu Nervosität bis hin zu Depressionen führen. Das Risiko auf eine Herzkrankheit oder Diabetes steigt, wie Studien zeigen. Nicht nur das: Laut einer Studie des französischen Forschungsinstituts CNRS nehmen bei Schicht- und Nachtarbeitern auch die kognitiven Fähigkeiten und die Gedächtnisleistung ab. Und nicht zuletzt: Das Leben mit Freunden und Familie wird belastet.

Fakten, die von Arbeitgebern und der Öffentlichkeit lange unbeachtet geblieben sind, sagt Andreas Koller. Er war 30 Jahre bei der voestalpine beschäftigt und baute die Gesundheitsförderung im Konzern mit auf. Als Pfleger war er in der unternehmenseigenen medizinischen Abteilung 20 Jahre lang mit Nachtdiensten konfrontiert. Als Trainer hat er sich vor Jahren auf die Zielgruppe der Schichtmitarbeiter konzentriert. Ende August geht seine Plattform Schichtfit.com online – sie will Schicht- und Nachtarbeitern dabei helfen, gesund zu bleiben.

Früh oder spät?

Mit Hilfe eines Chronotests erfahren die User, welcher Typ sie sind – Morgen- oder Nachtmensch. "Hier fehlt viel Grundwissen in der Bevölkerung", sagt Koller. Ein weiterer Test prüft die Motivation.

Gibt man seinen Schichtplan online ein, erhält man Tipps. "Der Nachtmensch sollte vor einer Frühschicht früher das Bett finden", sagt Koller. Er sollte am Nachmittag die Sonne meiden, damit abends die Melatoninausschüttung (das Schlafhormon, Anm.) früher passiert." Das Abendessen sollte der Nachttyp früher einnehmen, regelmäßige Bewegung sei ebenfalls wichtig. Der Morgenmensch wiederum sollte vor der Nachtschicht Ruhezeiten finden und "vorschlafen". Die richtige Ernährung sei im Nachtdienst besonders wichtig. Junkfood müsse laut Koller tabu sein, "der Verdauungstrakt hat nachts nicht die volle Leistung".

Koller will Rezepte zur richtigen Ernährung anbieten, auch Webinare zum Thema soll es geben. Im wissenschaftlichen Beirat von Schichtfit.com ist Brigitte Holzinger, Leiterin des Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung. Angesprochen werden Unternehmen mit Schicht- oder Nachtarbeitern, aber auch Privatpersonen. Die Nutzung ist kostenpflichtig. "Für Unternehmen wird es je nach Größe gestaffelte Preise geben, für Privatpersonen wird es auch sehr leistbar sein", sagt Koller. Schichtfit.com geht mit Anfang September online. Gesucht werden Unternehmen, die die Plattform testen wollen.

Gesetzliches

Bestimmungen zur Schichtarbeit gibt es im Arbeitszeit-, Arbeitsruhe- und Arbeitsverfassungsgesetz. Schichtarbeit liegt vor, wenn mehrere Mitarbeiter oder Arbeitsgruppen sich auf einem Arbeitsplatz abwechseln.
Als Nachtarbeitnehmer gilt, wer regelmäßig oder in mindestens 48 Nächten im Kalenderjahr während der Nacht (von 22 bis 5 Uhr) mindestens drei Stunden im Dienst ist.

Branchen

Laut Statistik Austria sind 619.000 Menschen in der Nachtarbeit aktiv. 600.000 arbeiten im Schicht- oder Wechseldienst. Sie arbeiten in Industrie und Produktion, im Handel, im Tourismus und Gastgewerbe, im Verkehr, in Krankenhäusern oder in Transportunternehmen. Der Anteil der Schichtarbeiter an den Gesamtbeschäftigten blieb in den letzten Jahren konstant oder steigt sogar an, berichtet das öffentliche Gesundheitsportal (www.gesundheit.gv.at).

Kommentare