Nebenjob: Wenn eine Arbeit nicht reicht

Businesswoman. Cute beautiful young woman at work. Office worker. Desktop. Workplace with note board, lamp, coffee, cacti and computer. Cute vector illustration. Bildnachweis:gud_zyk Stock-Illustration-ID:622073016 Hochgeladen am:17. November 2016
Wenn trotz Vollzeitjobs am Ende des Monats zu wenig Geld übrig ist, um gut über die Runden zu kommen, verhelfen sich viele mit Nebenjobs. Zwei Betroffene erzählen, wie es ist, zwei Jobs zu haben.

Die klassische 40 Stunden Arbeitswoche existiert für viele Menschen nicht mehr. Weil sie Überstunden machen. Oder, weil sie einem Zweitjob nachgehen müssen. Denn für einige reicht das Gehaltm trotz Vollzeitbeschäftigung, nicht aus – sie müssen gezwungenermaßen dazu verdienen. Ein Phänomen, wie man es aus den USA kennt. In Österreich sind vor allem Frauen davon betroffen, Ein-Eltern-Haushalte und Personen mit geringerer Schulausbildung oder Menschen mit Migrationshintergrund. Das Thema "Working Poor‘‘, Arbeiten und trotzdem arm sein, ist auch in Österreich ein Problem.

Ein Vollzeitjob reicht nicht

Ruth W.* (53) ist eine jener Frauen, der ein Vollzeitjob nicht reicht. Sie erzählt: "Ich bin geschieden, habe drei Kinder , die alle noch zu Hause wohnen. Wir leben in einem gemieteten Haus mit vier Schlafzimmern, das mich monatlich fast 800 Euro kostet. Ich habe ein Auto, das versichert und betankt werden muss. Ich muss Lebensmittel für uns vier zu besorgen und für alle restlichen Fixkosten aufzukommen. Der Vater meiner Kinder zahlt vereinbarungsgemäß rund 1000 Euro im Monat für alle drei Kinder. Einen Teil bekommt jedes Kind selbst, der Rest wird von mir verwaltet. Für jedes Kind erhalte ich Kindergeld. Aber am Ende des Monat hat es meist trotzdem nicht gereicht. Bis ich mich dazu entschieden habe, neben meinem Vollzeitjob als Textilfachverkäuferin, an den Wochenenden als Reinigungskraft in einem Apartmenthaus zu arbeiten. Der Job ist alles andere als erfüllend, aber er bringt zusätzliches Geld, das wir gut gebrauchen können. ‘‘

Maria S.* ergeht es ähnlich: Die 55-jährige hat lange als Bürokauffrau gearbeitet, bis vor 20 Jahren ihr Sohn zur Welt kam und sie sich damals dazu entschlossen hat, Vollzeit-Mama zu sein. "Ich war fast 16 Jahre nicht berufstätig. Durch den Job meines Mannes war dies finanziell gesehen kein Problem. Als er sich aber zwangsbedingt beruflich umorientieren musste und weniger verdiente, musste ich zusätzlich arbeiten gehen. Mit Anfang 50 wieder einen Job zu finden war nicht einfach. Von meinen früheren Job- und Gehaltsvorstellungen konnte ich mich erwartungsgemäß verabschieden. Seitdem arbeite ich für einen Lebensmittelgroßhandel im Lager und trage in der Nacht von Samstag auf Sonntag Zeitungen aus, damit wir unseren früheren Lebensstandard halten können. ‘‘

Beide Damen sind sich einig: Um ihren Kindern und sich selbst etwas bieten zu können, opfern sie ihre Zeit an den Wochenenden, um mehr Geld in die Haushaltskassa zu bringen. "Heutzutage kann man froh sein, überhaupt eine Arbeit zu haben.‘‘, meint Ruth W. "Und wenn das bedeutet, ich muss an den Wochenenden arbeiten gehen, um mit meinen Kindern im Sommer in den Urlaub fahren zu können, dann mach ich das.‘‘ Maria S. ist ähnlicher Meinung: "Die Dreifach-Belastung von zwei Jobs und das Muttersein ist anstrengend, das Zusatzeinkommen erleichtert aber das Leben unserer Familie.‘‘

Kaum genaue Zahlen

Genaue Zahlen zu Mehrfachbeschäftigungen sind schwierig zu ermitteln. Laut Statistik Austria gibt es mehr als 150.000 Menschen in Österreich, die mehr als einer Arbeitsbeschäftigung nachgehen. Die Armutskonferenz, ein Netzwerk von über 40 sozialen Organisationen, Bildungs- und Forschungseinrichtungen rund um Eugen Bierling-Wagner, Geschäftsführender Koordinator, schätzt, dass rund 18 Prozent der Österreicher trotz einer Vollbeschäftigung armuts- oder ausgrenzungsgefährdet sind. Die Armutsgefährdungsschwelle für einen Einpersonen-Haushalt liegt aktuell bei 1185 Euro monatlich. Der Wert erhöht sich um den Faktor 0,5 pro weiterem Erwachsenen und um den Faktor 0,3 pro Kind unter 14 Jahre.

(* Voller Name der Redaktion bekannt)

-Barbara Heiss

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