"Müssen weg vom Shareholder Value"

"Müssen weg vom Shareholder Value"
Richard Straub, Präsident der Peter Drucker Society Europe, fordert von Konzernen soziale Verantwortung.

Er trägt den Geist eines des führenden Management-Vordenkers auch sechs Jahre nach dessen Tod weiter: Richard Straub, Präsident der Peter Drucker Society Europe, lädt am 3. und 4. November zum Internationalen Peter Drucker Kongress in Wien. Mit dem KURIER sprach er darüber, wie Unternehmen aus sozialer Verantwortung Gewinn schlagen können.

KURIER: Peter Drucker galt als Erfinder des modernen Managements. Was hat Sie an diesem Mann beeindruckt?
Richard Straub:
Drucker hat den Menschen im Mittelpunkt gesehen. Er hat erkannt, dass die Gesellschaft des 20. Jahrhunderts aus Organisationseinheiten bestand, und dass diese Organisationen Ziele haben, Leistung erbringen sollen - was nur mit Management geht. Allerdings haben Manager in den letzten Jahrzehnten zusehends den Blick für den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang verloren.

Was bedeutet das konkret?
In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Unternehmen auf den Shareholder Value, den Mehrwert für die Anteilseigner, konzentriert. Der war für Drucker schon in den 80er-Jahren nicht ausreichend. Ein Unternehmen kann nicht nur in sich selbst Zweck finden, sondern muss ihn auch in der Gesellschaft erfüllen - im Sinne eines "Shared Value", eines Mehrwerts für alle. Davon sind wir in der Praxis weit entfernt.

Warum sollte sich die Wirtschaft ums Gemeinwohl kümmern? Sie ist doch auf Gewinn ausgerichtet.
Genau das ist der Punkt. Shared Value schafft ökonomischen Wert für das Unternehmen, hilft aber gleichzeitig, akute gesellschaftliche Probleme zu lösen. Auch der Management-Guru C. K. Prahalad hat diese Überlegung geteilt: Er meinte, dass man für die ärmsten Bevölkerungsschichten mit bloßen guten Gaben nichts
erzielen könnte, sondern nur über wirtschaftlich nachhaltigen Erfolg.

Wie geht das in der Praxis?
Mit Innovation. Beispielsweise haben Mobiltelefone in Bangladesch die Situation der Bevölkerung in entlegenen Gebieten verbessert, weil sie plötzlich Zugang zu wichtigen Informationen erhielten.

Inwiefern kann das Konzept des "Shared Value" auch bei uns funktionieren?
Gerade in der Krise leben auch in westlichen Ländern immer mehr Leute unter der Armutsschwelle. Hier könnten Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung nachkommen - mit kommerziellen Ideen. Beispiel Jugendarbeitslosigkeit: Unternehmen könnten Jugendliche einbinden, und zwar abseits von prekären Internships, und dafür von ihnen Begeisterung und Ideen erhalten.

Haben Unternehmen ihre Verantwortung in der Krise reduziert?
Ja, wegen Kosten-Reduktionen und knapper Ressourcen. Gerade bei großen Unternehmen besteht die Gefahr, dass sie durch die vom Markt diktierten Vorgaben extrem kurzsichtig agieren. Sie sind vom Ergebnis im nächsten Quartal getrieben. Aber es kann nicht nur darum gehen, als Unternehmen zu überleben, wenn gleichzeitig die Gesellschaft zugrunde geht.

Andererseits heften sich immer mehr Unternehmen Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeit auf die Fahnen ...
CSR ist aus der Kritik am Shareholder Capitalism entstanden - da gibt es gute Programme, allerdings ist auch viel davon Marketing und Schönfärberei. Die Unternehmen, die in der Krise die Welt an den Rand des Abgrunds gebracht haben, hatten alle gute CSR-Programme. Soziale Verantwortung sollte aber nicht in eine Abteilung ausgelagert werden, sondern in das Kerngeschäft einfließen.

Gemeinwohl und Kapitalismus - wie passt das zusammen?
Wir haben derzeit keine Alternative zu unserem Wirtschaftssystem. Das größte Versagen bisher lag im Finanzsektor: Er hat sich zum Selbstzweck entwickelt.

Der Titel des Forums lautet "Manager auf der Suche nach Legitimität." Haben sie keine?
Das Vertrauen der Bevölkerung in Manager ist sehr gering, wie Studien zeigen. Das wurde in der Krise noch verstärkt. Die österreichische Industrie hat sich vorbildlich verhalten. Man darf das Management nicht aufgrund einiger schwarzer Schafe brandmarken.

Wie verbessert man das Image der Manager?
Wir müssen Manager als Berufsstand mit ethischer Verantwortung definieren.

Sollte man auch bei der Ausbildung ansetzen?
Ja. Management-Studierenden sollte Philosophie und Geschichte unterrichtet werden. Sonst wird man später zum bloßen Durchführungsorgan mit engem Horizont, dann passieren Dinge wie jetzt in der Finanzkrise.

Das Führen mit Zielvereinbarungen hat Drucker erfunden. Ist es heute überholt?
Als ich in den 70ern in großen Unternehmen zu arbeiten begonnen habe, war das ein kooperativer Prozess. Heute geht man dort wieder weg von der partizipativen Organisation - Ziele werden von oben vorgegeben.

Laut aktueller Kienbaum-Studie sind die Manager-Gehälter in Österreich auf Spitzenniveau. Was hätte Peter Drucker dazu gesagt?
Er hat sich gegen die Verselbstständigung der Topmanager-Gehälter gewehrt. Das 20-Fache des durchschnittlichen Mitarbeitergehalts war für ihn noch akzeptabel, das Hundertfache - wie es seit den 80er-Jahren verbreitet ist - dagegen nicht mehr.

Richard Straub: Früher IBM, jetzt Berater

Werdegang Richard Straub hatte in 32 Jahren bei IBM internationale Führungspositionen inne, u. a. war er Direktor einer weltweiten Innovationsgruppe. Seit 2005 ist Straub selbstständig tätig - als Senior Advisor bei IBM, als Direktor bei der European Foundation for Management Development (EFMD) und Generalsekretär der European Learning Industry Group.

Forum 2008 gründete er die Peter Drucker Society Austria, seit 2010 ist er Präsident der Society Europe. Das "Global Peter Drucker Forum" findet am 3. und 4. November in Wien statt.

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