Mr. Size Zero wird Millionär
Er machte aus mageren Modelmädchen mit eingefallenen Wangen und süchtelndem Junkie-Blick Heroinen der Modewelt, verpasste dem lässigen Grunge den nötigen Glamour und dem Luxus-Label Yves Saint Laurent (YSL) eine ordentliche Portion Coolness. Hedi Slimane verhalf dem Pariser Modehaus seit 2012 als Chefdesigner zu Rekordumsätzen. Nun hat er sich mit seinem ehemaligen Arbeitgeber überworfen: Nachdem er bei YSL im April dieses Jahres gekündigt hatte, zog er vor das Pariser Handelsgericht. Denn während der YSL-Mutterkonzern Kering die Konkurrenzklausel in seinem Vertrag entfernen lassen wollte, pochte Slimane darauf – in Erwartung einer fetten Abfindung. Die er nun mit 13 Millionen Euro vom Gericht zugestanden bekam. Damit dürfte die „bedingungslose Liebe“ zu Yves Saint Laurent und dessen Geschäfts- und Ehepartner Pierre Bergé, wie er in einem Interview 2015 sagte, wohl erkaltet sein. Damals noch schwärmte er über Pierre Bergé: „Ich würde alles für ihn tun. Er ist wie eine Vaterfigur für mich. Ich verdanke ihm und Yves wirklich alles.“
Einsames Kind
Slimane wuchs im kulturell vielfältigen 19. Arrondissement in Paris auf, als Sohn einer Italienerin und eines Tunesiers. Die Straßenkultur sollte später seine Mode beeinflussen. „Ich war ein einsames Kind, das prägt mich bis heute“, sagte er im Interview. Als Kind wollte Slimane Reporter werden, doch die Mutter, Näherin von Beruf, inspirierte ihn zur Schneiderlehre: „Mit 16 habe ich meine eigene Kleidung designt.“
Nach einem Politik- und Kunstgeschichte-Studium, einem längeren Aufenthalt in Berlin und ersten Erfahrungen bei Louis Vuitton in Paris holte ihn Yves Saint Laurent im Jahr 1996, wo er die Herrenkollektionen verantwortete. Slimane zwängte die Männermodels in taillierte Sakkos und enge Hosen und brachte Karl Lagerfeld dazu, 40 Kilo runterzuhungern. Hedi Slimane gilt so als Erfinder der „Size Zero“-Mode, was der Kleidergröße 32 entspricht. Kritiker unkten damals, er würde Mode für anorektische Hungerhaken machen. Er selbst begründet den Hang zu Superslim mit seinen Erfahrungen in der Pubertät: „Egal, wie viel ich aß und Sport ich machte, ich war dünn, alle Jacken waren mir zu groß. Doch meine Musikhelden sahen aus wie ich: David Bowie, Keith Richards, Mich Jagger.“ Diesen androgynen Look verwirklichte er später in seinen Kollektionen.
Bei Dior verhalf er von 2000 bis 2007 den Herrenkollektionen mit „Dior Homme“ zu neuem Glanz. Danach kehrte er der Fashion den Rücken und arbeitete fünf Jahre als Fotograf in Los Angeles. Die Fotografie zog ihn von Jugend an magisch an. „Zwischen mir und der Welt war immer die Kamera und die Linse, ich musste mich nicht exponieren, fühlte mich sicher.“
2012 kehrte er wieder in den glamourösen Schoß von YSL zurück und wurde als Chefdesigner Herr über alle Kollektionen und das Markenimage. Er blieb mit seinem Kreativteam in Los Angeles, verdoppelte den Umsatz bis 2015 auf eine Milliarde Dollar. Slimane war in der Indierock-Szene umtriebig, die er auch mit seiner Mode stark prägte und umgekehrt. Hier, in L.A., avancierte er mit seiner Maxime „Mode=Musik+Jugend+Sex“ zum Rockstar der Fashionszene, und auch die Stars zählten rasch zu seinen Kunden: Er fotografierte Albencover für Lady Gaga, machte das Fotobuch „Stage“ über die Indierock-Szene, Lady Gaga und Justin Bieber trugen seine Kreationen, Marianne Faithfull, Daft Punk und Marilyn Manson ließen sich in Saint Laurent ablichten.
Sie hassen oder sie lieben ihn
Slimane spaltete mit seiner Mode die Geister und erregte die Gemüter. Gegner schimpften auch darüber, wie er nur den Namen „Yves“ in seinen Ready-to-wear-Kollektionen rausstreichen konnte. Die nannte er nämlich „Hedi Slimane for Saint Laurent“. Er tat es im Sinne des Gründers, verteidigte er sich, denn der Name Yves sollte der Couture-Linie vorbehalten sein. Er sah den Wirbel um seine Person stets positiv: „Gibt es keine Reaktion, heißt das, niemanden intressiert’s. Wenn es niemanden interessiert, haben wir ein Problem.“ Und weiter: „Wenn du viele gegen dich hast, hast du nichts zu verlieren und gewinnst deine Freiheit.“
Seine Freiheit hat er sich nun zurückerobert. Wohin sein Weg führen wird, ist nicht bekannt. Er sagt: „Ich glaube nicht, dass man jemals irgendetwas erreicht. Man beendet das Rennen nie.“
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