Mode gegen Frauenhandel
Sie führt uns lachend durch ihr Atelier im 18. Wiener Bezirk. "Eigentlich bin ich krank", strahlt Joana Adesuwa Reiterer. Man sieht es ihr nicht an. Erst um Mitternacht ist die quirlige junge Frau von einem spontanen Geschäfts-Trip aus Istanbul zurückgekehrt. Das Joadre Home, das gegen Voranmeldung zugleich Boutique ist, hat sie Anfang Oktober eröffnet.
Seit März führt sie das Modelabel Joadre, das sich gegen Frauenhandel einsetzt. Ansprechen will Reiterer mit Batik-Etuikleidern und bunten Blusen Businessfrauen zwischen 25 und 39. Sie hat sich seit fast zehn Jahren dem Kampf gegen den Frauenhandel verschrieben. Als ihr afrikanischer Ex-Mann sie 2003 von Nigeria nach Wien holte, wurde ihr klar, dass er keinem normalen Job nachging. Er zwang nigerianische Frauen zur Prostitution.
Im Jahr 2006 gründete Reiterer den Verein Exit, der Frauen aus der Zwangsprostitution holt und ihnen ein normales Leben über Beratung und Bildung ermöglicht. Damals machte sie Schmuck-Workshops für die Opfer von Frauenhandel in Wien. "Viele haben mir gesagt, wenn sie in Afrika einen Job gehabt hätten, wären sie nie nach Österreich gekommen", erzählt sie. "Oft locken Onkel oder Cousin in Europa mit einem Job als Au-pair oder Kellnerin. Die Mädchen sind naiv, fragen nicht, wo das ist." Um zu verhindern, dass die Frauen in die Falle tappen, kam Reiterer auf die Idee, Produktionsstätten in Nigeria zu gründen.
Fair produziert
Mit ihrem Modelabel hat die quirlige Unternehmerin diese Idee vor einem Jahr umgesetzt. Sie designt ihre afrikanisch inspirierte Kleidung gemeinsam mit Mitarbeiterin Agnes Aistleitner, produziert wird im nigerianischen Lagos. "Ich habe dort über NGOs, die gegen den Frauenhandel vorgehen, zwei Näherinnen gefunden", erzählt sie. Anfangs war die Produktion in einem kleinen Raum in Lagos einquartiert – "bei meinen Besuchen habe ich dort übernachtet, es gab Kakerlaken", lacht sie. Sie bildete die Frauen in Workshops weiter, schickte ihnen YouTube-Videos. Mittlerweile sind es 15 Näherinnen, die für Joadre Kleidung, Taschen und Schals nähen. Sie bekommen zweieinhalb Mal so viel Gehalt wie der ortsübliche Mindestlohn. "Ich will, dass die Frauen ein gutes Leben führen", sagt Reiterer. Mit ihnen führt sie auch viele Sensibilisierungs-Gespräche zum Thema Frauenhandel.
Ihr Ziel denkt sie aber noch größer: "Meine Vision ist es, Produktionen in ganz Afrika aufzubauen", sagt sie. Über ein Franchise-System sollen Näherinnen in anderen afrikanischen Ländern das Know-how bekommen, um ihre eigene Produktionsstätte zu managen.
Platz für andere Labels
"Wir wollen auch Aufträge von Independent Labels annehmen", sagt sie. Ein österreichisches T-Shirt-Label will in Lagos produzieren lassen. Auch Investoren glauben an die soziale Geschäftsidee: In der Puls4-Show "2 Minuten, 2 Millionen" sammelte Reiterer im Februar von Investoren 80.000 Euro. Über die Crowdfunding-Plattform Conda sammelte sie 68.500 Euro.
In London will sie ihr Konzept mit Direktvertrieb Mitte 2016 vorstellen. Joadre hätte in Nigeria mehr Reputation, wenn man vorher im westlichen Ausland gewesen sei, sagt sie. Danach will sie in Nigeria das Produktions-Netzwerk aufbauen. Verkauft wird die Kleidung im Direktvertrieb. Nicht nur über den Onlineshop Joadre.com, sondern auch über sogenannte Joadre-Ambassadors, Botschafterinnen. Sie sollen in den nächsten Wochen über Partys ihre Freundinnen zusammenbringen und Taschen und ausgesuchte Teile präsentieren – à la Tupperware. Dafür soll Joadre Home Raum bieten. "Die Frauen sollen sich auch über ihre Alltagsthemen austauschen", sagt Reiterer. Und sensibilisiert werden: "Es gibt auch viel Naivität in Europa. Schließlich basiert unsere hohe Lebensqualität auf der Ausbeutung anderer."
1. Nimm Beratung in Anspruch, aber nicht zu viel. Beratung ist für Gründer wichtig. Aber zu viel kann verwirren.
2. Hör nicht zu sehr auf Kritiker. Du musst andere nicht von deiner Idee und deinem Vorhaben überzeugen. Es wird viele Menschen geben, die dich demotivieren, die dein Big Picture nicht verstehen. Diese Menschen musst du lassen. Überzeuge dich selbst, das reicht. Du bist der Einzige, der deine Vision wirklich kennt. Wenn du nicht von deiner Idee überzeugt bist, tu es nicht.
3. Rede mit deinem Partner. Ich habe einen tollen Mann, der mich unterstützt – wir haben zwei Kinder. Führe früh genug ein ernsthaftes Gespräch mit deinem Partner, wie die Umsetzung deines Unternehmens schaffbar ist – finanziell und organisatorisch. Wir mussten überlegen, was müssen wir tun, was können wir nicht mehr tun, weil wir uns überlasten.
4. Suche dir den Blick von außen. Ich habe zwei Business Angels – Michael Altrichter und Stephan Dertnig – mit denen ich mich berate. Der Blick von außen ist sehr wichtig. Vor lauter Passion setzt oft das rationale Denken etwas aus.
5. Sei flexibel. Es ist für mich wichtig, das Big Picture festzuhalten. Ich schreibe meine Ideen auf und gebe sie unters Bett. Später hole ich sie hervor und denke weiter nach. Funktioniert ein Weg nicht, musst du rechtzeitig aufhören, auch wenn es weh tut. Frag dich: Führt mich der geplante Weg zu meinem Endziel, bleibe ich meinen Werten treu? Ist die Antwort nein, brauchst du es erst gar nicht versuchen.
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