Mit Blick über den Tellerrand

Sandra Baierl im Interview mit dem Chef de Cuisine des Fabios Wien Joachim Gradwohl.
Spitzenkoch Joachim Gradwohl ist nach vielen Stationen im Fabios angekommen

Im September hat Joachim Gradwohl eine neue Küche bezogen. Nur eine Gehminute von seiner früheren Wirkstätte Meinl am Graben entfernt kocht er jetzt im Fabios am Tuchlauben. So ein Einzug ist mehr als Herd anschalten und loskochen: Zur Vorbereitung ist er mit Restaurantinhaber Fabio Giacobello durch die Länder gezogen, man hat sich Trends und Konzepte angesehen, ist zum Schluss gekommen: Das neue Fabios muss schneller und günstiger werden, dabei hohe Qualität bieten mit einem Fokus auf regionale Zutaten.

Ein neuer Herd musste es dann auch sein, „der alte war schon zehn Jahre alt“. 14 Mitarbeiter hat Gradwohl in der Küche, alles Nirosta, alles weniger spektakulär, als man glaubt. Nein, kochen sei keine hohe Wissenschaft. Zumindest ist Gradwohl keiner, der das so sieht. „Es muss mir schmecken“, sagt er, und nur, wenn es dem Chef gefällt, darf es auch zu den Gästen. Gradwohl steht deshalb am „Pass“, wie das in der Gastronomie heißt: Dort, wo die Bestellungen reinkommen und die Speisen rausgehen. „Da habe ich alles unter Kontrolle und jede Station im Blick, mache das Finish auf jedem Teller.“ Als Küchenchef ist es seine wichtigste Aufgabe, dass jede Speise perfekt beim Gast ankommt. Jetzt in der Anfangsphase des Fabios investiert er dafür locker 14 Stunden am Tag.

14-Stunden-Tage

Gradwohl ist ein sehr ruhiger Typ. Man glaubt ihm, wenn er sagt, er würde in der Küche nicht poltern, sondern noch ruhiger werden, wenn es ganz hektisch wird. Kochen ist seine Leidenschaft. Da stört es auch nicht, wenn man viele Stunden pro Tag in der Küche steht. „Wenn ich aber nach einem halben Jahr immer noch 14 Stunden täglich hier sein muss, dann habe ich als Chef etwas falsch gemacht.“ Er ist sich bewusst, dass sich das einspielen muss, er weiß das aus den früheren Küchen. Typisch Koch hat er viele Stationen in der Spitzengastronomie hinter sich, darunter zahlreiche Auslandsengagements und Küchen wie dem Steirereck. Nach einem geplatzten Job im Shangri-La hat es ihn ins Fabios verschlagen. Zwischendrin gab es ein paar Monate Auszeit. Arbeitslos hätte er sich in dieser Zeit nicht gefühlt, „dafür war die Zeit zu kurz“. Aber Spitzenköche hätten es derzeit schwer, gute Posten zu finden. „Das hat mit der Wirtschaftskrise zu tun. Restaurants setzen da eher auf günstigere Nachwuchsköche“, erklärt Gradwohl. Bei ihm habe es grad gut gepasst: Das Fabios positionierte sich neu, Gradwohl war zu haben.

Dass er Koch werden wollte, hätte er früh gewusst, schon mit zwölf Jahren diesen Wunsch geäußert. Nicht ganz blauäugig, der Opa war ein Wirt in Kirchschlag, Gradwohl hat gewusst, worauf er sich hier einlässt. Sein anfängliches Ziel: Koch sein und die Welt bereisen. Er hat bei großen Lehrmeister angeheuert, darunter Witzigmann und Schubeck, sogar am Traumschiff war er in der Küche (auf dem er es nicht länger als eine drei Monate ausgehalten hat). Wie er zu all den Küchengranden gekommen ist? Er habe dem Chef immer gesagt, zu welchem Chef er weiterziehen wollte, die haben das dann ermöglicht. Der Jungkoch hatte wohl auch das Zeug dafür. Auch wenn er seine hohe Kunst nicht benennen kann: es geht um den besonderen Geschmack, um das Erlebnis im Mund.

Sterne oder Hauben sind nicht sein primäres Ziel. „Das ist dann der Effekt, der sich einstellen kann, wenn man gut gekocht hat“, sagt er lächelnd. Es wirkt, als hätte er einen sehr genauen Plan dorthin.

Als Kind wollte ich ... ... Koch werden, ab 12, 13 Jahre hab’ ich das gewusst.
Erfolg ist für mich ... ... wenn ich zufrieden bin mit dem, was ich tue.
Die größte Herausforderung ... ... die Eröffnung hier, das Weihnachtsgeschäft gut zu meistern.
Ein Fehler war/ist ... ... da wüsste ich jetzt keinen.
Mein Führungsstil ... ... eher ruhig und doch sehr qualitätsbezogen.
Mein Luxus ... ... gut essen gehen, das kann die Skihütte genau so sein wie das Haubenlokal. Oder zu Hause mit Freunden kochen.

Seit September 2012 kocht Joachim Gradwohl (Jahrgang 1969) für das neu konzipierte Fabios am Tuchlauben. Schon seit Mai war er in die Vorbereitungen zur Neueröffnung involviert – reiste mit dem Inhaber für Restauranttests durch die Länder.


Gradwohls wichtigste Stationen: 2003 bis 2010 Küchenchef in Meinl’s Restaurant. Davor im Maestro (Konzerthaus), bei den Drei Husaren, im Steirereck, bei Döllerer in Golling sowie bei den Kochlegenden Witzigmann und Schubeck.

Preise:

2007 Koch des Jahres, ausgezeichnet von Gault Millau. 3 Haubenerkochte Joachim Gradwohl für das Meinl Restaurant, ausgezeichnet von Gault Millau. 3 Monatearbeitete er in der Küche auf dem Traumschiff – er stieg bald aus, weil er das Schiffsleben nicht mochte.

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