Miese Tischmanieren können den Job kosten

Die Hummer-Probe für Bewerber.
Manieren beim Essen verraten, was der Lebenslauf verschweigt. Mancher Firmenchef nützt ein Business-Lunch sogar als Entscheidungskriterium für oder gegen Bewerber.

Dass das Sprichwort "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr", obsolet ist, ist spätestens seit der Einführung von IT in Unternehmen bekannt. Vielmehr muss es heute heißen: "Hans muss lernen, was Hänschen gar nicht lernen konnte, weil das Wissen in seiner Kindheit noch gar nicht auf der Welt war".

Doch diese Spruchumkehr gilt nicht nur für die mit bahnbrechenden technologischen Innovationen verbundenen Skills: Auch Altbewährtes, wie etwa das Kulturgut Tischsitten muss nachgelernt werden, wenn es nicht schon im familiären Rahmen oder später in einem elitären Internat vermittelt wurde. Dass der etikettekonforme Umgang mit Messer und Gabel keine Selbstverständlichkeit mehr ist, hat viele Gründe: Seit den 1950er-Jahren ist die Nur-Hausfrau und Mutter ein Auslaufmodell und damit verbunden auch die regelmäßige gemeinsame Nahrungsaufnahme am Familientisch. Tiefkühltruhe, Convenience-Food und Fast Food haben das konsekutive statt simultane Essen der einzelnen Haushaltsmitglieder begünstigt. Essen ist weniger förmlich, passiert oft nebenbei.

Karrierekiller

Spätestens beim Business-Lunch oder bei der Feier eines Geschäftsabschlusses im Haubenlokal kann das Manko Tischsitten aber zum Karrierekiller werden. Personalberater Christian Havranek, Deloitte Human Capital erinnert sich an einen seiner ersten Aufträge: Der Vorstandsvorsitzende eines der größten heimischen Versicherungsunternehmen wandte sich mit einer diskreten, aber dringlichen Bitte an ihn: "Tun Sie was, unsere Starverkäufer haben grauenhafte Manieren!", appellierte der Topmanager an den Personalentwickler. Havranek hat die Truppe von teuren statussymboltragenden Bestverdienern bar jeder Umgangsformen, die auf die damals betuchte adelige Klientel der Assekuranz losgelassen wurde, noch gut in Erinnerung. "Wir haben dann eine alte Gräfin aufgefunden, die bereit war, Nachhilfe in Sachen Tischsitten zu geben."

"Das ist eh klar, die müssen das lernen", meinte die Gräfin und fragte, ob Theorie oder Praxis gewünscht sei. Die Entscheidung fiel zugunsten eines Mix im Rahmen eines Abendessens in einem abgetrennten Raum eines Nobellokals. "Für mich war das toll, dass die Versicherungsmakler einen Abend lang wie die Zöglinge an den Lippen dieser älteren Dame gehangen sind und sich dann noch bei ihr und bei mir bedankt haben."

Lunch als Assessment

Die Geschichte aus den beginnenden 1990er-Jahren hat an Aktualität nichts verloren. Gabriele Lehner, Gründerin und geschäftsführende Eigentümerin von Lehner Executive Search & Partners: "Alle Mitarbeiter, die direkt mit Kunden zu tun haben, repräsentieren ihr Unternehmen nach außen." Zu Lehners Kunden zählen Banken, Versicherungen und IT-Unternehmen. Weil Fehlbesetzungen teuer sind und bei einem gemeinsamen Essen, viel zu Tage kommt, was der Lebenslauf verschweigt, setzt sie gerne einen Business Lunch gleichsam als Assessment Center ein, ehe sie die Kandidaten präsentiert.

Aber auch bei Essen mit Kunden tun sich manchmal ungeahnte Facetten auf: "Etwa, wenn sich wer selbstverständlich den besten Platz nimmt oder das Personal grundlos unwirsch anherrscht", erzählt Lehner. Das ließe sich natürlich unter die Rubrik "Der Kunde ist König" archivieren. Anbetracht der Tatsache, dass die Verweildauer von Top-Managern in einem Unternehmen immer kürzer wird, mutiert so mancher Auftraggeber eines Headhunters nicht selten später einmal auch zum Bewerber.

"Wer mit gezücktem Messer auf die Pasta losgeht hat schon manche Karriere verloren", ist auch die italophile Wiener Investmentbankerin Marlies Kinzel, Vorstandsmitglied der Sares Invest AG, überzeugt. Sie selbst wurde vor 25 Jahren, übrigens ohne es zu wissen, schon bei einer Essenseinladung auf ihre interkulturellen Fähigkeiten getestet. "Der Chef von Merrill Lynch London lud mich zu Sushi ein, um zu sehen, wie ich mit Stäbchen umgehe", erzählt sie.

In Einzelfällen sind Tischmanieren auch ein geeignetes Employer Branding-Tool, wie aus Kinzels Erinnerungen hervorgeht: "Umgekehrt war ich einmal so davon fasziniert, mit welcher Eleganz der Chef von Sal. Oppenheim Ruccolasalat mit Parmesan nur mit der Gabel aß und dabei noch die Konversation aufrecht hielt, dass ich mir dachte "wow, diese Bank ist als Arbeitgeber vielversprechend". Firmen unterschätzen, was die Tischsitten ihrer Führungskräfte an Image transportieren."

Renaissance der Tischsitten

Das E-Magazin news.com berichtete, dass von New York aus eine wahre Renaissance der Besinnung auf gepflegte Tischsitten ausginge, die auch nach Australien übergeschwappt sei. Problembewusste Eltern investierten bis zu 250 US-Dollar in eine Experten-Nachhilfestunde in Sachen Etikette für ihren Nachwuchs. In den USA eine sicher oftmals lohnende Investition, ist dort doch die Tischetikette eher unterentwickelt.

An der heimischen WIFI Managementakademie ist Thomas Schäfer-Elmayers Business Etikette-Seminar seit Jahren ein Dauerbrenner. Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat 2011 sogar eine eigene "Charm School" eingerichtet, auf deren Unterrichtsplan Lektionen von der Macht des ersten Eindrucks, über korrekte Kleidung, bis hin zu Tischdeckkursen stehen. Schließlich fühlen sich Unternehmen besser mit Managern, die man ganz bedenkenlos zum Executive Lunch schicken kann – und die sich und das Unternehmen dort nicht blamieren.

Online-Kurs Wer weder Zeit noch Lust hat, seine Unsicherheit in Sachen Tischmanieren in einem Seminar mit anderen zu outen, kann sein Softskill-Defizit übrigens auch unter dem Link www.monkeysee.com/play/2253 reduzieren. Immerhin hat das Tutorial der Etiquette-Advokatin Nancy R. Mitchell schon bald an die 800.000 Aufrufe auf youtube.

-von Johanna Zugmann

Die Liste der Fauxpas bei Tisch ist unerschöpflich. Was tunlichst zu vermeiden ist:

1. Als Eingeladener in einem Restaurant das Teuerste von der Speisekarte bestellen. Man zeigt sich bescheiden, bestellt maximal mittelpreisig.
2. Zu lautes Sprechen oder so leises Wispern, dass das Vis-à-vis Lippen lesen können müsste, um der Konversation zu folgen.
3. Der Griff zum falschen Besteck. Die Reihenfolge lautet immer: von außen nach innen. Wird ein Gang ausgelassen, lässt man auch das Besteck aus.
4. Das Bestreichen einer ungebrochenen Brotscheibe mit Butter.
5. Der Griff in dem rechts neben einem servierten Salatteller – der gehört nämlich dem Nachbarn. Der eigene steht schließlich immer links. Ebenso wie der Brotteller, steht auch immer links.
6. Fuchteln mit der Gabel
7. Das Messer abschlecken
8. Störende Handytelefonate bei Tisch oder auch ständiges Starren auf das Mobiltelefon. Beim gemeinsamen Essen zollt man dem Gegenüber Respekt, indem man aufmerksam ist.

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