Meisterschaft im gepflegten Debattieren

Meisterschaft im gepflegten Debattieren
In Wien debattierten deutschsprachige Studenten um die Wette. Gewonnen hat, wer am besten zuhörte und argumentierte.

Die Wangen der acht Rednerinnen und Redner glühen. Sie sind hochkonzentriert und nervös zugleich. Sie stehen mitten im Finale des deutschsprachigen Debattierwettbewerbs, erstmals in Wien.

195 Studenten aus Österreich, Deutschland und der Schweiz nehmen daran teil. "Debattierclubs sind häufig an Hochschulen angegliedert", sagt Thomas Tödtling vom Akademischen Forum für Außenpolitik Wien (AFA), das die Meisterschaft heuer organisiert hat. "In den angelsächsischen Ländern hat das ja eine lange Tradition." Bereits 1815 wurde der erste Debattierclub in Cambridge gegründet. In den USA lernen Jugendliche schon in der Schule, rhetorische und argumentative Fähigkeiten zu trainieren.

Auch an vielen deutschen Unis gibt es mittlerweile Debattierclubs. "In Österreich wird das von den Hochschulen nicht so gefördert", bedauert Tödtling. "Dabei sollte es zur Grundausbildung eines Akademikers gehören, Pro und Kontra abzuwägen und für andere nachvollziehbar Position zu beziehen." Die Briten können das. "Deshalb werden dort Parlamentsdebatten auf einem höheren Niveau geführt."

Nationalrat

Meisterschaft im gepflegten Debattieren

"Österreichs Abgeordnete können dagegen nicht so gut argumentieren", sind die drei österreichischen Teilnehmer Robert Weiß, 27, Lukas Lerchner, 25, und Caroline Schmidt, 21, überzeugt. "Die meisten stellen sich hin, sagen: ‚Wir haben recht, weil wir die richtige Lösung haben" und wiederholen immer wieder die gleichen Phrasen. Auf Argumente ihrer Vorredner gehen sie gar nicht ein."

Gibt es keine Ausnahme? "Doch. Alexander Van der Bellen. Der erläutert seinen Standpunkt so lange, bis der andere ihn verstanden hat", sagt Robert Weiß. "Die meisten Politiker von ÖVP und SPÖ hören aber nicht zu."

Wären sie in ihrer Jugend in einen Debattierclub gegangen, könnten sie das, glaubt Weiß: "Du lernst zuzuhören und zu argumentieren." Er erklärt das Prozedere in solchen Clubs: "Du musst manchmal für eine Sache streiten, die du gar nicht gutheißt. Ob du nämlich in der ‚Regierung" oder auf der ‚Oppositionsbank" sitzt, wird gelost", sagt Lerchner. Sich Begründungen zu überlegen, die dem eigenen Standpunkt widersprechen, schärft das Urteilsvermögen. Und führt dazu, dass die Diskussion inhaltlich nicht stecken bleibt.

Gerade das gefällt Karoline Schmidt. "Deshalb gehe ich lieber in einen Debattierclub als zu einer Partei. Das Reden schult das Denken und die Persönlichkeit." Denn: "Wer lernt, vor einer Gruppe zu stehen und sich für etwas einzusetzen, wird selbstbewusster." Organisator Tödtling sieht darin auch einen demokratiepolitischen Auftrag: "Eine gute Debattenkultur ist die Grundlage einer demokratischen Gesellschaft. Wer das Streiten gelernt hat, steht viel eher einmal auf, wenn er Ungerechtigkeiten wahrnimmt."

Finaler Schlagabtausch

Meisterschaft im gepflegten Debattieren

Im Palais Auersperg sitzen derweil die vier Teams mit je zwei Rednern. Sie werden von einer Jury aus Studenten und einer Ehrenjury beobachtet, deren prominentestes Mitglied der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler ist. Beide gemeinsam entscheiden später, wer am überzeugendsten war. Beide Teams nützen gerade die erlaubten 15 Minuten, um sich auf die Schlussdebatte vorzubereiten, sammeln Argumente zum vorgegebenen Thema "Die EU soll große Migrationsbewegungen von ärmeren in reichere Regionen aktiv unterstützen."

Später erklärt Weiß: "Eine kurze Zeit, um mir fehlende Informationen zu holen und zu über­legen, wie ich den ‚eigenen" Standpunkt begründe und auf Einwände der anderen Seite reagiere." Debattieren sei keine leichte Aufgabe, sondern "Hochleistungssport", kommentiert Lerchner.

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Signal

Das wird Zuhörern und Rednern spätestens klar, als die Teams mit Witz und Schlagfertigkeit versuchen, ihre Gegenüber zu überzeugen. Die "Regierung" hat heute den schwierigen Part.

Der Juror klopft zum Start: Sieben Minuten darf jeder reden. Zu wenig Zeit, denkt sich der eine oder die andere. Die Worte rattern wie Salven aus einer Maschinenpistole. "Manche versuchen so viel Worte wie möglich in den sieben Minuten unterzubringen. Weniger wäre mehr", rät der erfahrene Politiker Fischler.

Manche Redner sind da schon etwas souveräner und sprechen – zumindest ein bisschen – langsamer. Das Münchner Team versucht es mit einigen rhetorischen Kniffs, indem es das Gegenüber überrascht: "Sie haben recht. Wir haben in der EU kein Problem", meint ein Schlussredner und stimmt der "Opposition" so in einigen Punkten zu, um gleich zum großen "Aber" anzusetzen. Ganz überzeugen kann am Ende niemand: "Im Finale sind alle viel zu aufgeregt", meint Weiß. Gewinner ist das Münchner Team, bester Einzelredner ist Georg Sommerfeld aus Potsdam.

 

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