Meister der Krise: Die Turbulenz als Turbo

Meister der Krise: Die Turbulenz als Turbo
Unternehmen durchlaufen Krisen. Gelingt aus dem Tief ein Aufschwung, stehen diese Firmen oft besser da als zuvor.

Ryanair muss mit einer Millionen-Strafe zurecht kommen, Audi wird mindestens jede zehnte Führungsposition streichen und Modekonzern Gerry Weber arbeitet an seinem Insolvenzfall. Große Turbulenzen und kleinere Tiefs sind  wirtschaftlicher Alltag in der Unternehmenslandschaft. Laut der globalen Deloitte-Studie „Stronger, fitter, better: Crisis Management for the Resilient Enterprise“ sehen sich 60 Prozent der Führungskräfte immer häufiger mit kritischen wirtschaftlichen Situationen konfrontiert. „Ich würde behaupten, es ist eher ein glücklicher Zufall, wenn man nie eine Krise erlebt“, spitzt es Innovationsmanager Reinhard Willfort zu.

Turbulenzen

In Gefahr ist dabei nicht nur die finanzielle Lage, sondern oft auch der Ruf oder das Markenimage eines Unternehmens. Ursache sind häufig der schnelle Wandel der Geschäftswelt, die fortlaufende Digitalisierung,  falsche Führungskräfte oder die geopolitische Lage. „Jedes Produkt erreicht außerdem einmal das Ende seiner Lebenszeit. Wenn man das nicht rechtzeitig erkennt, kann man in eine Krise hineinschlittern“, ergänzt Willfort. Unternehmen sollten sich daher immer mit der Zukunft beschäftigten  und am Radar haben, welcher Umsatz und welche Ressourcen vorhanden sind. Entsteht jedoch ein materieller oder immaterieller Schaden, heißt es schnell handeln. Das braucht eine gute Vorbereitung und Erprobung eines erarbeiteten Krisenmanagements.

Krisenplaner retten

Hier kommt Bruno Hersche ins Spiel.  Als einer der renommiertesten Krisenplaner ist  er Ansprechperson Nummer eins für die größten Unternehmen Europas und erarbeitet bereits im Vorfeld einen Plan, um Krisen frühestmöglich abzufangen und durch sie zu leiten. Krisenmanagement ist ihm zufolge das A und O für Betriebe, um die negativen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten. „Krisen treten immer wieder ein. Man darf nur nicht den Fehler machen, nicht aus ihnen zu lernen. Man kann immer etwas optimieren“, ist er überzeugt. Daher seien Krisenstabsübungen in regelmäßigen Abständen wesentlich für Unternehmen. Hier lernen sie, mit unterschiedlichen Turbulenzen umzugehen.

Da  sensibilisiert und wirkt sich auf die gesamte Belegschaft aus. Hersche weiß aus der Praxis: „Nicht alle sind betroffen, aber alle haben etwas zu tun. Ein Krisenstab muss Facharbeit leisten, ein Assistenzteam unterstützt mit Schreiben, Telefonieren oder ähnlichen Tätigkeiten. Die Mitarbeiter, die eingespannt werden, sind zu 100 Prozent dabei. Das ist sehr wertvoll“, so der Fachmann. Grundvoraussetzung  sei, dass die Mitarbeiter entsprechend über das gesamte System informiert werden.

Loyalität nimmt zu

Erstaunlich ist, dass Krisen  trotz der hohen Belastung, die sie mit sich bringen, die Arbeitszufriedenheit bei Führungskräften gleichzeitig steigern. Mit dem Ausbruch der Finanzkrise vor rund zehn Jahren wurde die Stimmung in den Führungsetagen tatsächlich besser, wie eine Studie der AK rund ein Jahr später belegte. Diese überraschende Entwicklung könnte damit zusammenhängen, dass Führungskräfte gerade in schwierigen Zeiten ein stärkeres Verantwortungsgefühl für Mitarbeiter entwickeln. Und sie werden notgedrungen kreativer. „Ich kann mir das durchaus vorstellen. Das ist der Druck, der entsteht. Das Gleiche gilt  aber auch für Mitarbeiter , denn sie gehören zum Unternehmen und tun, was wichtig ist, wenn es schlecht läuft“, sagt Hersche.

Auch Reinhard Willfort kennt das Phänomen aus der Praxis. Zwar kämen Unternehmer  im ersten Schritt um „unattraktive Maßnahmen“ wie beispielsweise die Kürzung von Personal kaum umhin, in der zweiten Phase, wenn das Unternehmen von der Struktur- und Ressourcenseite wieder handlungsfähig ist,  würde die Situation aber enorm verbinden. „Es entsteht eine gemeinsame Identität“, sagt er. Durch einen professionellen Blick von außen  auf die Struktur lässt sich die Lage meist wieder geradebiegen. „Krisenmanagement rettet keine Leute und löscht keine Feuer – es sorgt aber dafür, dass kein weiterer Schaden entsteht und das Unternehmen weitergeführt werden kann“, sagt Hersche.

 

Drei prominente Beispiele zeigen, wie sie Krisen und Turbulenzen überstanden haben.

KTM-Chef Stefan Pierer: „Krisen sind gut, um wachgerüttelt zu werden“

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Immer weniger Motorräder werden in Industrieländern zugelassen. Der heimische Hersteller KTM sorgt dennoch für Verkaufsrekorde:  238.000 Motorräder wurden im abgelaufenen Geschäftsjahr 2018 verkauft. Das war jedoch nicht immer so. 2009 musste KTM-Chef Stefan Pierer über 300 Stellen in Österreich streichen und fast 1500 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Eine Krise. Für Pierer jedoch ein Motivator, um besser zu werden. Nicht umsonst zählt der Slogan „Die Krise als Chance“ zu seinen liebsten. „Das waren die Auswirkungen der großen Finanzkrise, die 2008 kam. Sie hat die Fahrzeugindustrie voll getroffen – 30 bis 50 Prozent der Hersteller waren betroffen – bei uns im Motorradsektor waren es  40 bis 50 Prozent. Das war dramatisch“, erzählt Stefan Pierer dem KURIER.

Zur Innovation gezwungen

In Krisensituationen sei man, anders als wenn alles seinen gewohnten Lauf nimmt, zur Innovation gezwungen. „Eine Krise kann aber dann eine Chance sein, wenn man sie richtig angeht und das Unternehmen mit einer Restrukturierung in die richtige Richtung lenkt. In einer Krisensituation ist sich jeder bewusst, dass es nur eine Chance gibt – da zieht jeder mit“, weiß Pierer.  In einer Krisensituation müsse  jeder an der Kostenschraube drehen, dürfe aber  nicht an der falschen Stelle sparen. Zukunftschancen dürfe man sich nicht verbauen. „So haben wir trotz aller Schwierigkeiten unsere Ausgaben für die Produktentwicklung nicht gestoppt und Vertriebsausgaben gezielt eingesetzt.  Wir sind somit mit neuen Produkten und Ideen gestärkt aus der Krise herausgegangen“, erzählt er. „Krisen sind manchmal ganz gut, um wachgerüttelt zu werden.“

 

Wienerberger AG-Chef Heimo Scheuch: „Es war eine große Herausforderung“

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Rund zehn Jahre ist es her, als die Finanzkrise quasi über Nacht  neue Bauaufträge einbrechen ließ. Das traf auch den Ziegelkonzern Wienerberger. 2009 sackte der Konzernumsatz um ein Viertel ab, viele Werke mussten geschlossen werden. „Das erforderte eine rasche Anpassung an ein neues Umfeld und geänderte Anforderungen. Es war eine große Herausforderung, nicht nur im Personalabbau und Schließen von Standorten, sondern im Umstellen des ganzen Konzerns“, sagt Heimo Scheuch, Vorstandsvorsitzender der Wienerberger AG, dem KURIER. Das Unternehmen habe sich von einem produktionsorientierten hin zu einem kundenzentrierten  entwickelt,  „eine umfassende Neuausrichtung“, so Scheuch.

Rekordumsatz und Sparpaket

Die am Mittwoch präsentierten Zahlen zeigen: Er hat die richtigen Hebel betätigt. Der Konzern erwirtschaftete  2018 einen weltweiten Umsatz von 3,31 Milliarden  Euro, den bisher höchsten in der 200-jährigen Firmengeschichte. In Zukunft will Wienerberger weiter wachsen aber  auch weiter Kosten eindämmen. Derzeit läuft das Sparprogramm „Fast Forward 2020“. Bis  2020 sollen 120 Millionen  Euro eingespielt werden, optimiert wird von der Produktion bis zur Verwaltung. Das Geld wird in Firmenübernahmen gesteckt. Rückblickend betrachtet: Was hat man aus der Krise gezogen? „Krisen sind immer auch eine Chance. Wichtig ist: Veränderungsbereitschaft, klare Kommunikation und Konsequenz. Das kontinuierliche Wachstum der Wienerberger Gruppe bestätigt die konsequente Umsetzung unserer Unternehmensstrategie.“

 

Ankerbrot-Chef Walter Karger: „Der beste Motivator ist Erfolg"

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Wiedereröffnung am Rochusmarkt: E. Hohenberger,  W. Karger, Künstler Golif, Lydia G., E. Grossnigg (v. li.)

Mit 110 Filialen, 1150 Mitarbeitern und einer 128-jährigen Geschichte ist  Ankerbrot der  größte heimische Bäckereifilialist. Aufgrund vieler Eigentümerwechsel kam das Unternehmen  in eine wirtschaftlich schwierige Lage.

Stabilisierung

2013 konnte die Kette mit einer neuen Eigentümerschaft durch die Austro Holding wieder stabilisiert werden. Durch einen modernisierten Filialenauftritt, neue Produkte sowie Mitarbeiterweiterbildungen wurde der Rückstand gegenüber dem Mitbewerb wieder aufgeholt. „In solchen Situationen darf man nicht stehen bleiben. Auch in einem gut funktionierenden Unternehmen muss man sich kontinuierlich weiterentwickeln“, rät  Geschäftsführer Walter Karger. Sind sich Mitarbeiter zudem  der  Situation bewusst, sei die Bereitschaft trotz des großen Drucks größer, Änderungen mitzutragen und zu unterstützen. „Der beste Motivator sind Erfolge. Wenn man auch die kleinen kommuniziert, trägt das zur Motivation des gesamten Teams bei“, weiß der Fachmann. Denn: „Lob tut allen gut.“

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