Meeting im Comic-Format
Das Meeting ist öde, gedankenverloren kritzelt man mit dem Kuli im Block. Auf Englisch nennt man Leute mit Hang zum Kritzeln Doodlers. Aber es gibt auch Doodlers der professionellen Art. Solche, die damit tatsächlich Geld verdienen. Etwas wichtiger nennen sie sich "Graphic Facilitators". Sie kritzeln, was gerade geredet wird, auf Tagungen, Konferenzen und bei Meetings - und zwar in Echtzeit. Auf riesigen Plakaten wachsen Symbole, Zeichen, bunte Schraffierungen und Comicwesen - ein Abbild der gesprochenen Inhalte. Mit purer Unterhaltung hat das aber weniger zu tun. Denn "Graphic Recording" oder "Graphic Facilitation", einst entstanden in den 1970ern von Architekten und Grafikern in den USA, visualisiert komplexe Zusammenhänge auf einen Blick. In den USA wird diese Methode von großen Konzernen wie HP, Dell und Kraft Foods eingesetzt, auch in Skandinavien schwören viele Unternehmen darauf.
In Österreich ist diese Methode so gut wie unbekannt. Dabei lägen die Vorteile auf der Hand, sagt Milo Tesselaar, Geschäftsführer der Wiener Unternehmensberatung Freims: "Man erhält beim Betrachten des Ergebnisses den Blick fürs Ganze." Hilfreich in Zeiten, in denen Informationsfluten auf uns einprasseln und die Aufmerksamkeitsspanne immer geringer wird. Tesselaar hat die Methode in Dänemark kennengelernt. Kommende Woche holt er mit Rene Sorensen und Abdul Dube zwei Jungs der dänischen Agentur sideprojects nach Wien, die in einem zweitägigen Workshop zeigen, wie Graphic Recording funktioniert. Es sei wie mit dem Erlernen einer neuen Sprache, sagt Tesselaar: "Man erlernt die Basissprache, die aus Symbolen entsteht". Der Betrachter würde diese Sprache gleich verstehen: "Gut gemachte Aufzeichnungen erklären sich von selber und sind unterhaltsam - wie eben ein Comic." Erlernbar sei Graphic Recording für jeden. Laut Tesselaar auch eine große berufliche Chance für kreative Leute: "In Österreich ist das noch eine Marktlücke." Über den Workshop will er das ändern - und "Graphic Facilitators" für seine Firma rekrutieren.
Kreativ-Karriere
Dass man mit diesem Beruf erfolgreich sein kann, zeigt Anna Lena Schiller, die sich in Berlin vor zwei Jahren als "visuelle Übersetzerin" selbstständig gemacht hat. Ausbilden ließ sie sich in der dänischen Kreativschule Kaospilots, ihre Auftraggeber heißen Google, Siemens, Deutsche Bank. "Ich bekomme so viele Anfragen, dass ich an andere Illustratoren auslagern muss", sagt die 31-Jährige. Werbung macht sie für ihre Tätigkeit kaum, die Arbeit an sich sei die beste Akquisemethode: "Schließlich zeichnet man bei Konferenzen vor 200, 300 Leuten." Auch wenn die "Mischung aus Mind Map, Comic und Gerichtszeichnung" von manchen belächelt würde. "Wegen des Comicstils nehmen die Leute es manchmal
nicht ernst", sagt Schiller. "Dann muss man ihnen zeigen, dass es ein großartiger Zugang zu Information ist."
Workshop: Wir verlosen einen Platz
Gezeichnet Am 20. und 21. Oktober veranstaltet die Unternehmensberatung Freims einen englischsprachigen Workshop zu "Graphic Recording" im Hub Vienna, Lindengasse 56, 1070 Wien. Gefragt sind Leute, die die Methode beruflich umsetzen wollen, z. B. Mitarbeiter von Unternehmen, Illustratoren, Kunststudenten. Kosten: 450 Euro, (Studenten: 250). Freims ist an einer Zusammenarbeit mit den Absolventen interessiert.
Gewonnen Wir verlosen einen Gratis-Platz: Bewerbung mit Kurzbeschreibung der Motivation an Milo Tesselaar, milo@freims.cc, Betreff: KURIER. Teilnahmefrist ist Dienstag, 18. Oktober, Mitternacht.
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