Medizinstudis im Kongressfieber
Wie ein Fels in der Brandung steht Ida Aringer im Menschengewirr in der gläsernen unterirdischen Aula des Hörsaalzentrums. Etwas abseits halten junge Männer Schilder in die Höhe, Leute in Anzug und Kostüm versammeln sich um sie. Eine junge Frau stürmt auf Aringer zu: „Wo sind denn die restlichen Brötchen?“ Minuten später ein Mittzwanziger mit Dreitagesbart: „Der Ton im Seminarraum ist ausgefallen.“ Aringer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, ruft gelassen und knapp Anweisungen zu.
„In Österreich werden junge Forscher ja nicht so gepusht.“Ida AringerOrganisatorin ISC200 Medizin-Studierende aus 22 Nationen sind zum ersten Internationalen Studierendenkongress an die Meduni Graz gekommen. In drei Tagen präsentieren 140 von ihnen ihre Forschungsprojekte, 60 begnügen sich mit Zuhören. Die Idee hat Initiatorin Aringer aus dem niederländischen Groningen importiert. Dort hatte sie im Vorjahr auf dem internationalen Kongresses ISCOMS ihre Diplomarbeit präsentiert.
Als sie nach Graz zurückkam, blieb das Kongressfieber: „ In Österreich werden junge Forscher ja nicht so gepusht.Dass es so etwas hier nicht gibt, hat mich nicht in Ruhe gelassen.“ Aringer erzählte Christian Vajda davon, mit dem sie an der Meduni ein Projekt leitete. Er fand die Idee auf Anhieb gut: „Bisher gab es für Studierende in Österreich kaum Möglichkeiten, sich im Bereich Forschung zu vernetzen“, sagt er. Mit Freundin Julia Pauer begannen sie, Studienkollegen für die Organisation anzuwerben. Am Ende hatte sie ein Team von 18 Leuten, alle arbeiteten ehrenamtlich. Aringer kommunizierte ein halbes Jahr mit ihrem Team über Skype – sie war auf Praktikum in Hamburg stationiert, schrieb ihre Diplomarbeit. An der Meduni Graz rannten die engagierten Studenten buchstäblich offene Türen ein, die Uni stellte das Hörsaalzentrum und 20 Helfer zur Verfügung, die Professoren sich selbst für gratis Vorträge.
Üben für später
Doch gefordert sind vor allem die Studierenden, ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren. 160 Abstracts wurden eingereicht, 140 von der Grazer ISC-Jury ausgewählt. Die besten Arbeiten dürfen im Plenum präsentiert werden, andere in der Kleingruppe oder vor dem Poster. Der ISC sei die Vorbühne für die großen Forschungskongresse, sagt Aringer. „ Hier sind Fehler erlaubt, man kann sich ausprobieren.“
Zu Mittag wird bei Radieschenbrot und Milchshake geplaudert. Blickfang sind die zwei Thailänderinnen im Militärkostüm, die sich bei Orangensaft mit einer deutschen Kollegin unterhalten. Sariya Wongsaengsak und Wasinee Chailsarapong, beide 24, Studentinnen an der militärischen Medizinuniversität nahe Bangkok, präsentieren heute ihr Projekt vor dem Poster – in acht Minuten. Neu ist das für Wongsaengsak nicht – sie organisierte den asiatischen Studentenkongress in Bangkok. „Ich weiß, wie viel Arbeit das ist“, sagt sie. Ein paar Meter daneben sehen Steffen Fuchs und Angela Puig ziemlich erleichtert aus. Sie haben die Präsentation ihrer Arbeiten im Plenum hinter sich. Fuchs forscht über die Auswirkungen eines Krebsgens auf Hirntumore. „Ich war überrascht, dass mein Abstract ausgewählt wurde“, erzählt der Doktorand der Universität Würzburg. Am Abschlusstag, dem 6. Juli, wird er eines von zwei Stipendien für das Forum Alpbach gewinnen. Für Angela Puig war es „eine tolle Gelegenheit, meine Master-Arbeit zu präsentieren.“ Sie beschäftigte sich mit einem Melatoninhormon gegen das Altern.
Ida Aringer ist zufrieden. Dass ihr der Kongress für den Lebenslauf viel bringen wird, glaubt sie nicht: „Aber ich habe es ja aus Idealismus getan.“ Den Kongress 2014 übernimmt ein neues Team – die Organisatoren haben ihr Studium beendet.
Am Ende steht nicht nur Ida Aringer auf der Bühne. Das Publikum erhebt sich zu Standing Ovations. Ida Aringers Idealismus hat alle angesteckt.
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