Mediziner mit vielen Talenten
Adel Abdel-Latif: Ich bin gewohnt, Grenzsituationen zu erleben und unzählige Stunden durchzuarbeiten. Mein psychologisches Wissen über Menschen und wie sie nonverbal kommunizieren, das ich von meinem Studium und meiner ärztlichen Tätigkeit mitgenommen habe, hilft mir dabei. Außerdem die brutale Selbstdisziplin, mir viel Wissen in kurzer Zeit aneignen zu können.
Sie beschreiben in Ihrem Buch den für Sie einschneidenden Moment, als Sie in der Klinik von Vorgesetzten bewusst kleingehalten und gemobbt wurden. Sie haben dann nicht nur den Job an den Nagel gehängt, sondern gleich die Branche gewechselt.
Ich habe während meines Studiums und während meiner Tätigkeit als Arzt begonnen, Kollegen karrieremäßig zu beraten. Schon als Zwölfjähriger habe ich erkannt, dass ich meine Karriere nicht davon abhängig machen will, wie sehr ich mich Vorgesetzten unterordne und mich regelkonform verhalte. Zusatzausbildungen in Form eines Master of Advanced Studies in Business Administration, des Studiums der globalen Verhandlungsführung und die Ausbildung zum Business-Coach vermittelten mir das Wissen für die unternehmerische Tätigkeit. Ich habe zwei Firmen gegründet, die Radiolutions und die Negotiation Academy.
Man könnte das auch so interpretieren, dass Sie sprunghaft und nicht sehr ausdauern sind.
Ich habe früh erkannt, dass ich nicht führbar bin. Ich brauche eine Challenge im Leben, ich bin ein Getriebener. Die Verhandlungsberatung ist das Richtige für mich, dort bin ich angekommen.
In einem Interview haben Sie gesagt, dass Sie als Chef der Negotiation-Akademie fordernd sind und Ihnen loyale Mitarbeiter wichtig sind. Hätten Sie sich selbst gerne als Mitarbeiter?
Ich möchte, dass meine Mitarbeiter das Maximum aus sich herausholen. Vorstellungsgespräche mit Bewerbern laufen bei mir so ab, dass ich eine Verhandlungssituation simuliere. Viele Bewerber verlieren dabei die Fassade. Ich hätte mich selbst gern als Mitarbeiter, weil ich loyal bin.
Heute beraten Sie Unternehmen bei wichtigen Verhandlungen. Können Sie ein Beispiel nennen?
Eine große deutsche Firma wolle einen österreichischen Betrieb kaufen. Der österreichische CEO war durch die unfairen Attacken der Gegenseite nervlich am Ende. Ich wurde beauftragt, die österreichische Firma als Schattenverhandler aus dem Hintergrund zu unterstützen. Ich habe das Verhandlungsteam ausgewechselt und ein Krisenteam gebildet. Dann habe ich die Teams so gebrieft, dass jeder wusste, was zu tun war. Da sich die Gegenseite unfair verhalten hat, habe ich bei meinen Recherchen einen Punkt herausgefunden, mit dem ich den Druck auf sie erhöhen konnte. Ab da liefen die Verhandlungen gut für meine Auftraggeber. Am liebsten würde ich einmal gegen Trump verhandeln, denn er ist so durchschaubar.
Sie haben eine spezielle Ausbildung für diese Tätigkeit absolviert. Doch was befähigt Sie für den Job?
Vieles, was ich während meiner Kickbox-Karriere gelernt habe, hilft mir. Disziplin und Ausdauer, ich bin ein klassischer Einzelkämpfer. Das Wissen um interkulturelle Unterschiede habe ich im Studium gelernt.
Im Buch beschreiben Sie die Zutaten für eine erfolgreiches Karriere: Man muss gierig, nie zufrieden sein und soll andere in seiner Schuld stehen lassen. Gelingt das nicht auch, ohne „Karrieresau“ zu sein?
Sicher. Doch irgendwann kommt man an den Punkt, an dem man sich fragt, ob man sich weiterhin fremdbestimmen lassen will oder doch lieber seine Bedürfnisse in den Vordergrund stellt.
Was raten Sie jungen Menschen, die es beruflich schaffen wollen?
Wer wirklich erfolgreich sein will, muss etwas besser können als andere. Ich kann zum Beispiel Menschen gut begeistern. Dann muss man sich von Bremsklötzen und Selbstzweifeln, ich nenne das Mindfuck, lösen und die Verantwortung für das Erreichen des Ziels übernehmen.
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