Wie viel Veränderung wünschen sich die Menschen? Haben sie eine Sache im Fokus oder die Generalsanierung?
Die Leute hätten am liebsten das Leben neu. Doch wenn wir zu viel verändern wollen, alles auf einen Schlag, tun wir in der Regel gar nichts. Daher empfehle ich die Zwei-Minuten-Regel. Das bedeutet: Lieber etwas zwei Minuten lang zu tun, als es gar nicht zu tun.
Haben Sie ein Beispiel?
Ich hatte eine Klientin, die mehr lesen wollte. Aber sobald sie ein Buch mit 500 Seiten vor sich hatte, hat sie das abgeschreckt. Also habe ich mit ihr vereinbart, dass sie jeden Abend zwei Minuten in dem Buch liest und dieses Buch morgens schon aufgeklappt für den Abend zurechtlegt. Dann hat sie ein paar Tage lang jeweils zwei Minuten gelesen. Und was ist passiert? Irgendwann war die Neugier nach zwei Minuten doch größer, wie es weitergeht, und so kam sie auf ganz natürliche Weise in das Lesen rein. Kleine Portionen sind also immer gut, um in eine neue Gewohnheit zu finden.
Wie schnell gelingt Veränderung im Beruf? Muss es gleich ein Jobwechsel sein?
Sie können Ihren Job jeden Tag wechseln, indem Sie Ihre Haltung wechseln. Ich habe in einem mittelgroßen Unternehmen einmal eine Zufriedenheitsumfrage gemacht und der Geschäftsführer gab die Prognose ab: Je höher die Leute im Management sind, desto zufriedener sind sie. Es kam heraus, dass der zufriedenste Mensch der Hausmeister war. Er erzählte, glücklich zu sein, keinen Anzug tragen zu müssen. Dass ihm keiner auf die Finger schaut, er selbstbestimmt ist und regulieren kann, wie die Firma nach außen wirkt. Er hat auf seinen Job mit einer richtigen Liebe geschaut, daher gab ihm der Job diese Liebe zurück.
Was übersehen wir, beim Streben nach Veränderung?
Die wahre Veränderung findet nie in der äußeren Welt statt, sondern innerlich. Schaue ich mit mehr Dankbarkeit in die Welt hinein, öffnen sich neue Türen und dann habe ich zum Beispiel auch im Job andere Chancen, als wenn ich in der Frustration sitze.
Nehmen wir zu viel als selbstverständlich an?
Stellen Sie sich vor, ein Obdachloser dürfte einen ganzen Tag Ihres Lebens leben. Was würde dieser alles als Luxus empfinden? Morgens aufwachen in einem warmen Bett, eine Heizung, einen vollen Kühlschrank zu haben. Eine Arbeit, ein Gehalt, Ansehen. Das sind alles Dinge, wenn wir die mehr würdigen, verändert sich alles.
Wenn man sich vornimmt, dem Job ab jetzt positiver zu begegnen. Sich morgens auf die Arbeit zu freuen. Was muss man dafür tun?
Das Erste, was ich rate, ist, jeden Abend drei positive Dinge aufzuschreiben. Was war toll bei der Arbeit, was waren meine besten Momente. Und dann sich noch einmal Szenen ins Gedächtnis zu rufen, die nicht so gut gelaufen sind. Etwa wenn man wieder zu etwas Ja gesagt hat, obwohl man Nein sagen wollte. Diese Szene lässt sich im Kopf noch einmal abspulen und verändern. So legt man Nervenbahnen an und ist in der Lage, wenn die gleiche Situation in nächster Zeit wieder vorkommt, etwas zu verändern.
Was machen Leute, die sich mit solchen Methoden nicht anfreunden können?
Ich gebe Ihnen ein kurzes Beispiel aus dem Buch. Eine Frau ist im Coaching, weil sie einen Chef hat, der dauernd auf ihr herumtrampelt. Sie fühlt sich wertlos in der Firma. Da nimmt der Coach einen Hundert-Euro-Schein, wirft ihn auf den Boden und trampelt auf ihm herum. Dann hebt er den zerknitterten Schein auf, hält ihn der Klientin vor die Nase und fragt: Ist er jetzt weniger wert? In diesem Moment erkennt sie, dass ihr Selbstwert nicht davon abhängt, wie ihr Chef sie behandelt.
Was schließen Sie daraus?
Ich glaube, wenn man Geschichten wie diese liest, Emotionen in sich selber spürt, hat man auch einen Anreiz etwas zu verändern. In der Haltung, im Denken und damit auch in der ganzen Qualität des Lebens.
Wir Österreicher sind tendenziell ein pessimistisches Völkchen. Steht das einem positiven Zugang im Weg?
Ich glaube, dass der Galgenhumor das Schwere leichter macht. Sieht man Dinge negativ, hat das ja einen psychologischen Grund. Das negative Denken soll davor schützen, enttäuscht zu werden. Das ist gar keine schlechte Voraussetzung. Rechne ich mit dem Negativen, kann ich mir jeden Tag die Frage stellen: Inwieweit war es doch ein bisschen positiver oder besser als gedacht. Auch das kann ich mir aufschreiben. Was ist meine Erwartung und was kommt dabei heraus? Dann könnte es sein, dass ich feststelle: Meine Erwartungen sind immer etwas zu negativ und die Wirklichkeit ist positiver.
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